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Umlage nachträglich erhöhter Grundsteuer
Landgericht Berlin kippt langjährige Praxis bei der Betriebskostenabrechnung
28.10.2005 (GE 20/05, Seite 1219) Bisher war Berlin bei der Betriebskostenabrechnung eine Insel der Seeligen. Wie sonst nirgendwo war es zulässig, die Betriebskostenabrechnung nicht nur nach dem Zeitabgrenzungsprinzip (Leistungsprinzip = periodengerechte Abgrenzung), sondern auch nach dem Abflußprinzip (Zahlung der Kosten) vorzunehmen. Nach einer neuen Entscheidung der 65. Mietberufungskammer des Landgerichts Berlin soll aber seit dem 1. September 2001 (Inkrafttreten der Mietrechtsreform) nur noch das Zeitabgrenzungsprinzip zulässig sein. Das Landgericht Berlin hat Revision zugelassen, die inzwischen auch eingelegt ist. Haus & Grund Berlin unterstützt dieses Verfahren als Musterprozeß.
Der Fall: Nach Beendigung des Mietverhältnisses am 31. Dezember 2001 verlangten die Mieter Freigabe des Mietkautionskontos. Der Vermieter machte demgegenüber ein Zurückbehaltungsrecht wegen der mit Grundsteuerbescheiden vom 5. Dezember 2002 und 8. Januar 2003 für die Jahre 1998 bis 2001 nachträglich erhobenen Grundsteuer geltend. Er rechnete darüber mit Schreiben vom 28. Oktober 2003 dergestalt ab, daß er die für jedes Jahr auf den Mieter entfallende Grundsteuer auswies und den sich daraus für die Nutzungsdauer vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2001 ergebenden Gesamtbetrag geltend machte.
Das Urteil: Das Landgericht (ZK 65) verurteilte den Vermieter zur Freigabe des Kautionskontos in Höhe der für 2001 nachberechneten Grundsteuer ohne Einschränkung, weil insoweit der Vermieter keinen Anspruch auf die Grundsteuer habe, im übrigen nur Zug um Zug gegen Zahlung der Grundsteuer für 1998 bis 2000. Die Grundsteuer für die Jahre 1998 bis 2000 sei zwar erst Ende 2002 und Anfang 2003 entstanden, da aber in den Jahren 1998 bis 2000 nach dem Abflußprinzip abgerechnet worden sei, sei § 556 Abs. 3 BGB noch nicht anzuwenden. Die Abrechnung sei unter Berücksichtigung des für diese Jahre vereinbarten Abflußprinzips nicht zu beanstanden. Die Nachforderung sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Vermieter sich in den Betriebskostenabrechnungen für 1998 bis 2000 keine Nachforderung vorbehalten habe. Denn ein Vorbehalt sei entbehrlich gewesen, weil der Vermieter bei der Abrechnung noch gar nicht gewußt habe, daß gegebenenfalls noch weitere Abrechnungspositionen zu berücksichtigen sein könnten. Für die Grundsteuernachberechnung für 2001 gelte jedoch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, wonach nach Ablauf der Abrechnungsfrist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen ist, es sei denn, er hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Das Abflußprinzip sei für dieses Jahr nicht mehr zulässig, weil – wie sich aus § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ergebe – der Gesetzgeber von dem Zeitabgrenzungsprinzip ausgegangen sei. Denn eine nicht zu vertretende verspätete Geltendmachung sei beim Abflußprinzip (fast) nicht denkbar. Es werde nur über die Kosten abgerechnet, deren Rechnung und Zahlung im Abrechnungszeitraum lägen. Die Geltendmachung der Grundsteuernachbelastung für 2001 sei auch nicht deswegen zulässig, weil der Vermieter die verspätete Abrechnung nicht zu vertreten habe. Denn der Vermieter müsse – wenn die Abrechnungsfrist abgelaufen sei – unverzüglich nach Erhalt der Abrechnungsunterlagen abrechnen. Das sei aber mit der Abrechnung von Ende Oktober 2003 – gut neun Monate nach Erhalt des Grundsteuerbescheides für 2001 am 8. Januar 2003 – nicht geschehen.
Anmerkung: Bei Kosten, die für eine mit dem Abrechnungszeitraum nicht übereinstimmende Rechnungsperiode anfallen, ist streitig, ob die Betriebskosten in demjenigen Abrechnungszeitraum voll angesetzt werden, in dem die Rechnung erstellt wird (Abrechnung nach Rechnung) oder in dem sie bezahlt wird (Abflußprinzip) oder auf diejenigen Abrechnungszeiträume verteilt werden müssen, für die sie anfallen (Zeitabgrenzungsprinzip, Leistungsabgrenzung). Insoweit kommt es im wesentlichen auf die vertragliche Vereinbarung an. Ist eine derartige Vereinbarung nicht getroffen worden, kann der Vermieter z. B. für mehrere Jahre anfallende Betriebskosten auf diejenigen Abrechnungszeiträume verteilen, für die sie regelmäßig wiederkehrend anfallen (z. B. die Kosten für die Anschaffung des Schneeräumgeräts auf die Jahre der regelmäßigen Nutzungsdauer bis zur Neuanschaffung). Das Zeitabgrenzungsprinzip (dafür LG Berlin GE 1988, 463; GE 2000, 813; Staudinger/Weitemeyer, § 556 Rdn. 117; Lammel, § 556 Rdn. 28 und Rdn. 132; Eisenschmid WuM 2001, 215 [221]; Geldmacher DWW 1997, 166; Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 Rdn. 306) bietet auch größere Einzelfallgerechtigkeit. Insoweit ist nicht auf die Bezahlung der Rechnung abzustellen, sondern darauf, welchen Zeitraum die jeweilige Rechnung umfaßt (vgl. OLG Frankfurt ZMR 1983, 374).
Die vereinfachte Betriebskostenabrechnung nach Zahlung (Abflußprinzip) ist bisher auch für zulässig gehalten worden. Der Vermieter braucht in die Betriebskostenabrechnung nur die im Abrechnungszeitraum erstellten bzw. bezahlten Rechnungen einzustellen, der Mieter kann anhand dieser Rechnungen leicht kontrollieren, ob die eingestellten Rechnungen für umlagefähige Betriebskosten erstellt worden sind und ob die eingestellten Beträge mit denjenigen aus den Zahlungen übereinstimmen. Die demgegenüber geringere Plausibilitätskontrolle des Mieters und die Probleme bei Mieterwechsel (vgl. zu beidem Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 Rdn. 305) sind nach hiesiger Ansicht demgegenüber zu vernachlässigen. Nur in Ausnahmefällen bei schlechthin untragbaren Ergebnissen ist nach der hier vertretenen Ansicht eine Abrechnung nach dem Zeitabgrenzungsprinzip (Leistungsprinzip) notwendig (LG Berlin GE 1987, 829; a. A. LG Berlin GE 1988, 463; AG Prenzlau WuM 1997, 231). Die Betriebskostenabrechnung muß jedoch erkennen lassen, ob der Vermieter die Kosten nach dem Prinzip der Abrechnung nach Rechnungen (fällige Rechnungen), nach dem Abflußprinzip (Bezahlung der Rechnungen) oder nach dem Zeitabgrenzungsprinzip abgerechnet hat (LG Berlin GE 1998, 1151).
Nach dem Urteil der ZK 65 soll für die nach dem 1. September 2001 endenden Abrechnungszeiträume das Abflußprinzip nicht mehr zulässig sein. Das ist fraglich, da aus der Bestimmung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB nicht herausgelesen werden kann, welches Abrechnungsprinzip zulässig und welches unzulässig ist, weil sich diese Bestimmung eben nur mit dem Ausschluß von Nachforderungen befaßt, die auch nach der Auffassung der ZK 65 ebenfalls bei dem Abflußprinzip entstehen können. Immerhin bemerkenswert an dem Urteil ist, daß die Kammer wohl einen Übergang vom Abflußprinzip auf das Zeitabgrenzungsprinzip auch ohne vertragliche Vereinbarung stillschweigend für zulässig hält, weil sie den Vermieter für verpflichtet hält, für nach dem 1. September 2001 ablaufende Abrechnungszeiträume danach abzurechnen. Ferner ist zu begrüßen, daß die Kammer den Vermieter nicht für verpflichtet hält, von sich aus auf einen geänderten Grundsteuerbescheid hinzuwirken, sondern ihm die Möglichkeit eröffnet, nach Erhalt der Abrechnungsunterlagen unverzüglich abzurechnen, was auch jeder Vermieter im eigenen Interesse tun sollte. Dabei sollte er sich auch nicht zu lange Zeit lassen; 14 Tage sollten nicht überschritten werden.

LG Berlin, Urteil vom 30. August 2005 - 65 S 90/05 - Wortlaut Seite 1249

Was nun tun?
Welche Folgerungen sollen aus der Entscheidung gezogen werden?
1. Man könnte die Entscheidung des BGH abwarten, Revision ist eingelegt.
2. Verwaltungsaufwendiger, aber sinnvoller ist es, auf das Zeitabgrenzungsprinzip umzustellen, das ohnehin bei Mieterwechsel erforderlich wird.
KURS & GUT Berliner Fachseminare widmen sich diesem und anderen Themen der Betriebskostenabrechnung (z. B. Mietminderung und Betriebskosten) auf einer Tagung am 9. November 2005. Infos dazu unter 030/411 57 47 oder auf der Homepage des Veranstalters (Link siehe unten).
Autor: Harald Kinne


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