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Nach wie vor Unsicherheit, daher noch einmal ...
Altkündigungsfristen und Reparaturgesetz
11.10.2005 (GE 19/05, Seite 1173) Es gibt viele unterschiedliche Mietvertragsformulare, die wiederum ganz unterschiedliche Formulierungen zur Dauer von Mietverträgen und zu Kündigungsfristen enthalten. Oftmals wird auf die gesetzlichen Kündigungsfristen verwiesen. Diese waren bekanntermaßen für die Kündigung des Mieters vor der Mietrechtsreform anders als danach. Vor dem 1. September 2001 galt § 565 BGB a. F. mit den gestaffelten Fristen je nach Wohndauer. Jetzt gilt für den Mieter § 573 c Abs. 1 BGB, wonach die Kündigung spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig ist (3‑Monats-Frist). Im Hinblick auf Altverträge gilt die Übergangsregelung des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB.
Die Übergangsregelung lautet aufgrund der Neufassung durch das sogenannte Reparaturgesetz (BGBl. 2005 I, 1425) mit Wirkung vom 1. Juni 2005 wie folgt:
§ 573 c Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist nicht anzuwenden, wenn die Kündigungsfristen vor dem 1. September 2001 durch Vertrag vereinbart worden sind. Für Kündigungen, die ab dem 1. Juni 2005 zugehen, gilt dies nicht, wenn die Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 1. September 2001 geltenden Fassung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart worden sind.
Wichtig ist zunächst, daß die Neufassung der Übergangsregelung zu Altkündigungsfristen überhaupt nur für Kündigungen des Mieters gilt, die dem Vermieter ab dem 1. Juni 2005 zugehen. Hat der Mieter davor (schon) gekündigt, gilt die Fassung des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB in der bis zum 1. Juni 2005 geltenden Fassung (also ohne die Änderung durch das Reparaturgesetz mit Abs. 10 Satz 2). Aber: Dem Mieter ist es unbenommen, ab dem 1. Juni 2005 das Mietverhältnis erneut zu kündigen (um dadurch eine kürzere Kündigungsfrist zu erreichen). Der Vermieter kann einer derartigen Kündigung nicht mit dem Argument entgegentreten, das Mietverhältnis sei doch schon gekündigt (nämlich mit einer für den Mieter aufgrund des § 565 BGB a. F. geltenden längeren Kündigungsfrist).
Es ist nach wie vor streitig und höchstrichterlich nicht geklärt, welche mietvertraglichen Regelungen Art. 229 § 3 Abs. 10 Satz 2 EGBGB erfaßt.
Das Reparaturgesetz spricht von vereinbarten Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB a. F. Damit sind die Fälle gemeint, in denen aufgrund der Rechtsprechung des BGH von einer Fortgeltung vereinbarter alter Kündigungsfristen ausgegangen worden ist (BGH 2003, 1147; GE 2003, 846; GE 2004, 618). Danach galten die alten (längeren) Kündigungsfristen auch dann weiter, wenn in Formularklauseln auf die gesetzlichen Kündigungsfristen verwiesen wurde und wenn in einer Fußnote zum Vertragstext die damals geltenden Kündigungsfristen des § 565 BGB a. F. wörtlich oder sinngemäß wiedergegeben wurden. Nach in Berlin herrschender landgerichtlicher Meinung war die BGH-Rechtsprechung nicht für die Fälle maßgeblich, in denen in der Fußnote (nur) vermerkt war, daß die gesetzliche Kündigungsfrist derzeit mit den Fristen des § 565 BGB a. F. gilt (vgl. z. B. GE-Formular Juli 1992). Für letztere Fälle greift das Reparaturgesetz schon deswegen nicht, weil überhaupt keine Vereinbarung alter Kündigungsfristen vorlag, sondern nur die im Zeitpunkt der Kündigung maßgebliche gesetzliche Regelung gelten sollte – und das ist nach der Mietrechtsreform § 573 c BGB mit der Dreimonatsfrist für den Mieter.
Das Reparaturgesetz spricht von der Vereinbarung der Kündigungsfrist des § 565 BGB. Die Karenzfrist des § 565 Abs. 2 BGB (Kündigung spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats …), die die Frist tatsächlich um drei Werktage je nach Kündigungszeitpunkt verkürzen würde, ist im Reparaturgesetz nicht angesprochen. Nach hier vertretener Auffassung ist daraus aber nicht zu folgern, daß das Reparaturgesetz nicht greift, wenn nicht penibel der genaue Wortlaut des § 565 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB „vereinbart“ wird (zweifelnd Beuermann in GE 2005, 722). Denn die Karenzfrist verändert rechtlich nicht die Kündigungsfristen des § 565 BGB a. F. Diese Fristen verlängerten sich nicht dann, wenn der Mieter am 2. oder 3. Tag der Karenzzeit kündigte.
Ist mietvertraglich (nach altem und nach der Mietrechtsreform geltendem Recht) eine sogenannte Mindestmietzeit vereinbart worden (Ausschluß des Kündigungsrechtes für beide Parteien für höchstens vier Jahre), normiert das Reparaturgesetz kein Recht des Mieters, nunmehr mit der Dreimonatsfrist (vorzeitig) zu kündigen. Es verbleibt beim Ausschluß des Kündigungsrechtes für einen bestimmten Zeitraum. Nach Ablauf der festen Mietzeit kann der Mieter in der Frist des § 573 c BGB mit drei Monaten kündigen.
In Mietverträgen vor der Mietrechtsreform wurden häufig Verlängerungsklauseln vereinbart, z. B. wie folgt (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 20005 - VIII ZR 155/04 = WuM 2005, 342):
„1. Das Mietverhältnis beginnt am 1. Oktober 2000 und endet am 30. September 2001. Es verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn es nicht gekündigt ist.
2. Die Kündigungsfrist beträgt … (es folgt die inhaltliche Wiedergabe des § 565 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F.).“
Derartige Verträge haben Bestandsschutz (vgl. auch Maciejewski in MM 2005, 224; Börstinghaus in NJW 2005, 1900). Gekündigt werden kann vom Mieter also nur unter Berücksichtigung der vereinbarten festen Mietzeit und der jeweiligen Jahresverlängerung (a. M. Gellwitzki in WuM 2004, 575; ders. in WuM 2005, 436; Blank in NZM 2005, 401). Kündigt der Mieter unter Beachtung der Jahresverlängerung, erhebt sich die Frage, ob er dann mit der Dreimonatsfrist des § 573 c Abs. 1 BGB kündigen kann oder die Altkündigungsfristen des § 565 BGB a. F. mit Berücksichtigung der Wohndauer gelten. Nach hier vertretener Ansicht greift für Kündigungen ab dem 1. Juni 2005 dann das Reparaturgesetz mit der Folge, daß der Mieter mit der Dreimonatsfrist (einmal jährlich) kündigen kann (vgl. dazu auch Börstinghaus in NJW 2005, 1902). Denn das Reparaturgesetz macht insofern keine Einschränkung für derartige Vertragsgestaltungen, sondern erfaßt allgemein durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbarte Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB a. F.
Das Reparaturgesetz spricht von Vereinbarungen durch AGB. Hierzu ist festzuhalten, daß Vereinbarungen in Formularmietverträgen im Zweifel AGB sind, selbst wenn Fristen handschriftlich eingefügt sind. Von einer Individualvereinbarung könnte nur dann ausgegangen werden, wenn längere Kündigungsfristen im einzelnen ausgehandelt worden sind, was in der Praxis kaum vorstellbar ist (vgl. auch Beuermann in GE 2005, 722).
Zusammenfassend ergibt sich daraus:
1. Mietvertrag mit temporärem Kündigungsausschluß – kein vorzeitiges Kündigungsrecht des Mieters, aber danach Kündigung mit Dreimonatsfrist.
2. Mietvertrag mit Verlängerungsklausel jeweils um ein Jahr – Kündigung mit dreimonatiger Frist einmal jährlich.
3. Mietvertrag auf unbestimmte Dauer mit durch AGB vereinbarten Kündigungsfristen des § 565 BGB a. F. – Kündigungsmöglichkeit für Mieter mit dreimonatiger Frist ab 1. Juni 2005 aufgrund des Reparaturgesetzes.
Autor: Klaus Schach