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Grundsatzentscheidung des BGH zu den BSR-Entgelten
Kunden dürfen Zahlung verweigern
13.09.2005 (GE 17/05, Seite 1019) Versorgungsunternehmen wie die Berliner Wasserbetriebe oder die BSR verlangen Entgelt für ihre Leistungen nach einem von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigten Tarif. In den Allgemeinen Versorgungsbedingungen – i. d. R. in Form einer Rechtsverordnung – oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (wie im Falle der Berliner Stadtreinigungsbetriebe – BSR –) ist grundsätzlich geregelt, daß der Kunde zunächst zu zahlen hat und die Unbilligkeit der Tarife im Rückforderungsprozeß geltend machen kann. Das ist jedoch nicht zulässig, wie der BGH zunächst für die Wasserbetriebe entschieden hat (GE 2003, 872) und das jetzt auch für den Einwendungsausschluß der Kunden der BSR so sieht.
Der Fall: Die BSR machten gegen den Eigentümer Entgelt für die Entsorgung von Hausmüll und die Straßenreinigung geltend. Der Eigentümer wandte ein, daß die Tarife unbillig seien. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg verurteilte ihn; das Landgericht Berlin wies die Klage ab, da die Billigkeit der Tarife von den BSR nicht dargelegt sei. Es ließ die Revision zu.

Das Urteil: Mit Urteil vom 5. Juli 2005 hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Grundsätzlich sei zwar die Auffassung des Landgerichts zutreffend, daß die BSR ihre Kunden nicht auf den Rückforderungsprozeß verweisen dürften. Der Einwendungsausschluß in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei unwirksam. Auch können sich die BSR nicht auf die Genehmigung durch den Berliner Senat berufen, da diese nichts darüber aussage, ob die Tarife tatsächlich unbillig oder billig seien. Das Landgericht habe jedoch versäumt, die BSR auf diese Rechtsauffassung vor Urteilserlaß hinzuweisen, weswegen der Klägerin nunmehr Gelegenheit gegeben werden müsse, die Billigkeit der Tarife darzulegen.

Anmerkungen: Das Urteil klärt eine Reihe von Fragen, die bei Prozessen mit Versorgungsunternehmen immer wieder eine Rolle spielen. Unerörtert bleibt freilich die Frage, wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der BSR Vertragsbestandteil werden. Das ist nämlich durchaus zweifelhaft (vgl. Beuermann GE 2003, 593). Der BGH geht stillschweigend von der Geltung der AGB aus. Zwischen den Grundstückseigentümern und den BSR entsteht wegen des Anschluß- und Benutzungszwanges ein privatrechtliches Nutzungsverhältnis, das nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist. Da die Vertragsfreiheit eingeschränkt ist, der Eigentümer sich also nicht das Versorgungsunternehmen aussuchen kann, muß die Billigkeit der einseitig festgelegten Tarife dargelegt werden. Nicht ausreichend ist dafür die Genehmigung durch den Senat. Vertragsklauseln, die den Kunden zunächst zur Zahlung verpflichten, sind unwirksam. Betroffene Grundstückseigentümer könnten sich ab sofort auf dieses Urteil berufen und die Zahlung bis zur Darlegung der Billigkeit der Tarife einstellen. Dabei sollten sie allerdings beachten, daß die Folge ein teurer Rechtsstreit sein kann, den man sich ersparen sollte. Infolge der Aufhebung und Zurückverweisung wird das LG Berlin nunmehr durch einen oder mehrere Sachverständige das Licht ins Dunkel der Tarife (Blümmel GE 2005, 809) zu bringen versuchen. Daß der Fall alsdann erneut zum BGH kommt, ist wahrscheinlich. Bis zu dieser Entscheidung sollte jeder Grundstückseigentümer also die geforderten Entgelte, gegebenenfalls unter Vorbehalt, zahlen und dabei die Verjährungsfrist von drei Jahren im Auge behalten (§ 195 BGB). Ob die längere Frist von vier Jahren nach den AGB der BSR auch für den Rückforderungsanspruch gilt, kann zweifelhaft sein.

BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 99/04 - Wortlaut Seite 1058
Autor: Rudolf Beuermann