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Richtung auf der Stelle
16.08.2005 (GE 15/05, Seite 873) Eine "Richtungswahl" also soll sie werden, die Bundestagswahl am 18. September, darüber sind sich alle einig. Nur: In welche Richtung?
Der Haken schlagende Kanzler Gerhard Schröder will "seine Richtung", noch dazu "unbeirrbar", beibehalten. Welche jetzt? Die von 1998 mit Scheinselbständigkeit, Abschaffung der pauschalversteuerten Niedriglohn-Jobs? Oder meint er die Hartz IV-Linie? Oder die mit der neuen Millionärssteuer und dem gesetzlichen Mindestlohn? In welche Richtung der mäandernden Linien Schröders soll es denn jetzt gehen? Wir können doch nicht bei jedem Richtungswechsel neu wählen!
Oder nehmen Sie Angela Merkel, die am häufigsten von "Richtungswahl" spricht. Ihre Vorgänger hatten wenigsten so getan, als ob sie eine Richtung wüßten: "Wohlstand für alle", "Freiheit statt Sozialismus", ja selbst die von Kohl versprochene "geistig-moralische Wende" enthielt doch wenigstens sprachlich den Hinweis auf einen Richtungswechsel, auch wenn er sich letztlich als nur schnellere Kreiselbewegung entpuppte. Erhöhung der Mehrwertsteuer, Abschaffung der Pendlerpauschale, der Eigenheimzulage, der Steuerfreiheit von Nacht-, Wochenend- und Feiertagszuschlägen – das soll dazu berechtigen, von einer Richtungswahl im Sinne eines neuen Weges zu sprechen?
Klar ist bislang nur die Richtung der neuen Linkspartei.PDS. 50 % Lohn- und Einkommensteuer ab 60.000 € Jahreseinkommen, 2,5 % Vermögenssteuer, 50 % Zinssteuer, 1.400 € gesetzlicher Mindestlohn, 800 € Mindestrente, faktische Abschaffung privater Krankenkassen. Es geht eindeutig 20 Jahre mit der Zeitmaschine zurück in Richtung Osten.
Dieses Land braucht keine Richtungswahl. Dieses Land braucht eine Revolution. Renten, Arbeitszusatzkosten, Mehrwert- oder Vermögenssteuer, Eigenheimzulage oder Pendlerpauschalen – das sind doch alles Petitessen vor dem Hintergrund des Erforderlichen.
Erfordernis Nr. 1: Die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit durch Gebrauch des gottgegebenen Verstandes (allein das würde die Linkspartei.PDS in den Umfragen auf Null drücken),
Erfordernis Nr. 2: Entscheidungsträger darf in diesem Land nur werden, wer erfolgreich ein Studium in Verhaltenswissenschaften abgeschlossen hat.
Denn eigentlich ist die Spezies Mensch, so weit sie es auch gebracht haben mag, ein recht einfach gestricktes Lebewesen. Neben der Triebbefriedigung braucht sie vor allem eines: Sicherheit in jeder Form. Und die Formenfülle von Sicherheit ist beachtlich: Macht, Ruhm, Ehre, Geld, Land, Lob, Liebe, Respekt, Wissen, Gefürchtetsein, Sattheit, Anbetung. Und das alles noch in Tausenden von Unterverästelungen und zu Institutionen geronnen Formen wie Rente, Arbeitslosen- und Krankengeld, Lohnfortzahlung oder Anspruch auf einen Kindergartenplatz.
Wo all diese Sicherheiten fehlen, herrscht absolute Freiheit und Unabhängigkeit. Unsere Zivilisation ist auch eine Geschichte der ständigen Anziehung und Abstoßung zwischen diesen Polen, und am glücklichsten sind Menschen, wenn sie den Schwebezustand zwischen beiden Polen erreichen.
Befindet sich eine Gesellschaft – wie wir jetzt – zu nah am Sicherheitspol, wird sie satt, faul, unbeweglich, unterfordert, verliert, weil untrainiert, einen Teil ihrer Leistungskraft. Schiebt man sie in Richtung Freiheit, nimmt ihr also ihre Sicherheit, entwickelt sie ungeahnte Energien, um wieder in Richtung Sicherheit zu kommen: Plötzlich wird wieder mehr gespart, die Krankenstände sinken, Bildung und Ausbildung rücken nach vorn auf der Themenliste. Aber natürlich haben auch die Rattenfänger wieder Konjunktur, die Sicherheit zum Nulltarif versprechen.
Solche Grundsatzdiskussionen gilt es zu führen. Im privaten Bereich wie zwischen den Staaten gilt: Wer Schutz und Sicherheit will, zahlt mit Unfreiheit. Die amerikanische Militärmacht schützt Europa und kann deshalb die Europäer am Nasenring führen. Denselben Wirkungsmechanismus, gröber und brutaler vielleicht und doch derselbe, können Sie im Rotlichtmilieu oder bei der Schutzgeldzahlung erleben. Ganze Gesellschaften wurden darauf gegründet.
Wenn es deshalb um die Richtung geht, heißt die Frage wie schon einmal: Freiheit oder Sicherheit, denn Sozialismus ist nur eine Form von Sicherheit. Es geht nicht um fördern und fordern, sondern in Wahrheit um fordern statt füttern. Wir brauchen nicht noch eine Sicherheitsrevolution, sondern einen Aufstand für die Freiheit, einen bewußten Verzicht auf Sicherheit, und wir brauchen Zutrauen in unsere eigenen Fähigkeiten.
Wenn Sie Kinder haben, versuchen Sie sich an den Moment zu erinnern, als die zum ersten Mal ohne die Sicherheit Ihrer Hand auf eigenen Beinen gestanden haben. Und dann versuchen Sie sich zu erinnern, ob sie jemals wieder in Augen mit so strahlendem Glücksgefühl gesehen haben.
Oder nehmen Sie Angela Merkel, die am häufigsten von "Richtungswahl" spricht. Ihre Vorgänger hatten wenigsten so getan, als ob sie eine Richtung wüßten: "Wohlstand für alle", "Freiheit statt Sozialismus", ja selbst die von Kohl versprochene "geistig-moralische Wende" enthielt doch wenigstens sprachlich den Hinweis auf einen Richtungswechsel, auch wenn er sich letztlich als nur schnellere Kreiselbewegung entpuppte. Erhöhung der Mehrwertsteuer, Abschaffung der Pendlerpauschale, der Eigenheimzulage, der Steuerfreiheit von Nacht-, Wochenend- und Feiertagszuschlägen – das soll dazu berechtigen, von einer Richtungswahl im Sinne eines neuen Weges zu sprechen?
Klar ist bislang nur die Richtung der neuen Linkspartei.PDS. 50 % Lohn- und Einkommensteuer ab 60.000 € Jahreseinkommen, 2,5 % Vermögenssteuer, 50 % Zinssteuer, 1.400 € gesetzlicher Mindestlohn, 800 € Mindestrente, faktische Abschaffung privater Krankenkassen. Es geht eindeutig 20 Jahre mit der Zeitmaschine zurück in Richtung Osten.
Dieses Land braucht keine Richtungswahl. Dieses Land braucht eine Revolution. Renten, Arbeitszusatzkosten, Mehrwert- oder Vermögenssteuer, Eigenheimzulage oder Pendlerpauschalen – das sind doch alles Petitessen vor dem Hintergrund des Erforderlichen.
Erfordernis Nr. 1: Die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit durch Gebrauch des gottgegebenen Verstandes (allein das würde die Linkspartei.PDS in den Umfragen auf Null drücken),
Erfordernis Nr. 2: Entscheidungsträger darf in diesem Land nur werden, wer erfolgreich ein Studium in Verhaltenswissenschaften abgeschlossen hat.
Denn eigentlich ist die Spezies Mensch, so weit sie es auch gebracht haben mag, ein recht einfach gestricktes Lebewesen. Neben der Triebbefriedigung braucht sie vor allem eines: Sicherheit in jeder Form. Und die Formenfülle von Sicherheit ist beachtlich: Macht, Ruhm, Ehre, Geld, Land, Lob, Liebe, Respekt, Wissen, Gefürchtetsein, Sattheit, Anbetung. Und das alles noch in Tausenden von Unterverästelungen und zu Institutionen geronnen Formen wie Rente, Arbeitslosen- und Krankengeld, Lohnfortzahlung oder Anspruch auf einen Kindergartenplatz.
Wo all diese Sicherheiten fehlen, herrscht absolute Freiheit und Unabhängigkeit. Unsere Zivilisation ist auch eine Geschichte der ständigen Anziehung und Abstoßung zwischen diesen Polen, und am glücklichsten sind Menschen, wenn sie den Schwebezustand zwischen beiden Polen erreichen.
Befindet sich eine Gesellschaft – wie wir jetzt – zu nah am Sicherheitspol, wird sie satt, faul, unbeweglich, unterfordert, verliert, weil untrainiert, einen Teil ihrer Leistungskraft. Schiebt man sie in Richtung Freiheit, nimmt ihr also ihre Sicherheit, entwickelt sie ungeahnte Energien, um wieder in Richtung Sicherheit zu kommen: Plötzlich wird wieder mehr gespart, die Krankenstände sinken, Bildung und Ausbildung rücken nach vorn auf der Themenliste. Aber natürlich haben auch die Rattenfänger wieder Konjunktur, die Sicherheit zum Nulltarif versprechen.
Solche Grundsatzdiskussionen gilt es zu führen. Im privaten Bereich wie zwischen den Staaten gilt: Wer Schutz und Sicherheit will, zahlt mit Unfreiheit. Die amerikanische Militärmacht schützt Europa und kann deshalb die Europäer am Nasenring führen. Denselben Wirkungsmechanismus, gröber und brutaler vielleicht und doch derselbe, können Sie im Rotlichtmilieu oder bei der Schutzgeldzahlung erleben. Ganze Gesellschaften wurden darauf gegründet.
Wenn es deshalb um die Richtung geht, heißt die Frage wie schon einmal: Freiheit oder Sicherheit, denn Sozialismus ist nur eine Form von Sicherheit. Es geht nicht um fördern und fordern, sondern in Wahrheit um fordern statt füttern. Wir brauchen nicht noch eine Sicherheitsrevolution, sondern einen Aufstand für die Freiheit, einen bewußten Verzicht auf Sicherheit, und wir brauchen Zutrauen in unsere eigenen Fähigkeiten.
Wenn Sie Kinder haben, versuchen Sie sich an den Moment zu erinnern, als die zum ersten Mal ohne die Sicherheit Ihrer Hand auf eigenen Beinen gestanden haben. Und dann versuchen Sie sich zu erinnern, ob sie jemals wieder in Augen mit so strahlendem Glücksgefühl gesehen haben.
Autor: Dieter Blümmel