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Jetzt hat sich auch das OVG Berlin eines Besseren besonnen
Berliner Baugebühren sind rechtswidrig
16.08.2005 Die exorbitanten und in dieser Zeitschrift immer wieder mit guten Gründen massiv kritisierten baurechtlichen Befreiungsgebühren in Berlin sind rechtswidrig. Das entschied nun auch das Oberverwaltungsgericht Berlin und bestätigte damit das Berliner Verwaltungsgericht, das an dieser Auffassung unbeirrbar festgehalten hatte, während das OVG Berlin noch vor einem Jahr in vorläufigen Verfahren genau gegenteilig geurteilt hatte.
Der Fall:
Die baurechtlichen Befreiungsgebühren werden auf der Grundlage der Baugebührenordnung neben der Baugenehmigungsgebühr für die Befreiung von den Bestimmungen über das zulässige Maß der baulichen Nutzung erhoben. Sie haben sich nach Abschaffung einer so genannten Kappungsgrenze im Jahr 2001, die die Höhe der Befreiungsgebühr auf das Niveau der Baugebühr begrenzte, erheblich erhöht. Sie betrugen bei den vor dem OVG zur Verhandlung anstehenden Großvorhaben zwischen rund 100.000 € und knapp 1 Mio. € pro Vorhaben.
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte in den vorläufigen wie den Hauptsacheverfahren den Klagen stattgegeben (vgl. Urteile vom 17. Dezember 2004 GE 2005,330, 369) und die Gebührenbescheide aufgehoben. Der Zweck der Befreiungsgebühren, die wirtschaftlichen Vorteile abzuschöpfen, sei entgegen den Vorgaben der Berliner Verfassung nicht ausreichend bestimmt worden. Außerdem sah das Verwaltungsgericht den Grundsatz der Normklarheit und das Äquivalenzprinzip, wonach die Gebühren nicht in einem groben Mißverhältnis zu den Kosten der Amtshandlung stehen dürfen, als verletzt an.

Das Urteil:
Die hiergegen gerichteten Berufungen des Landes Berlin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und damit die erstinstanzlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts bestätigt. Nach der Auffassung des 2. Senats fehlt für die mit der Befreiungsgebühr bewirkte Vorteilsabschöpfung, die dadurch entsteht, daß die an die jeweilige Quadratmeterzahl gekoppelte, linear mit dem Flächenzuwachs ansteigende Gebühr keine Kappungsgrenze oder Degression aufweist, die verfassungsrechtlich erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage im Gesetz über Gebühren und Beiträge. Dieses Gesetz nenne für die Erhebung von Verwaltungsgebühren nur die Kostendeckung als Gebührenzweck und könne aufgrund seiner Entstehungsgeschichte auch nicht erweiternd ausgelegt werden. Auf der Verordnungsebene dürfe deshalb kein weiterer, nicht vom Gesetz gedeckter Gebührenzweck wie die Vorteilsabschöpfung verfolgt werden. Rechtsverordnungen wie die Baugebührenordnung unterlägen dem Gesetzesvorbehalt und müßten sich an die finanzverfassungrechtlichen Kompetenzschranken halten, wonach Gebühren nicht in funktionale Konkurrenz zur Steuer treten dürften.
Der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts hatte noch im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gegenteilig entschieden und damals (vgl. Beschluß vom 3. Juni 2004 - OVG 2 S 18.04 -), anders als das Verwaltungsgericht, gemeint, neben dem Wortlaut und dem erkennbaren Zweck der einschlägigen Gebührenvorschriften gebe es weitere Anhaltspunkte dafür, daß die Gebühren nicht nur der Deckung des Verwaltungsaufwandes, sondern auch dem grundsätzlich legitimen Zweck dienen könnten, die dem Bauherrn durch die Befreiung von den planungsrechtlich zulässigen Nutzungsmaßen zufließenden wirtschaftlichen Vorteile teilweise auszugleichen. Daß die tariflich festgesetzten Gebührensätze oder die tatsächliche Höhe der streitigen Gebührenforderung mit dem Äquivalenzprinzip, einer gebührenrechtlichen Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, unvereinbar wären, sei nicht erkennbar.
Davon ist nun nicht mehr die Rede, richtig ist, wie das OVG jetzt entschieden hat, das Gegenteil. Die aufrechte Haltung, mit der das VG Berlin sich der vorläufigen Haltung des OVG widersetzt und sich letztlich auch durchgesetzt hat, verdient Respekt.

Urteile vom 22. Juni 2005 - 2 B 5. bis 7.05 -