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Steil bergauf
03.11.2000 (GE 18/2000, 1201) Daß der Wohnungsbau zurückgeht, weiß man. Daß er sich der Null-Linie nähert, weiß vielleicht nicht jeder:
1.652 Neubauwohnungen (einschließlich der Ein- und Zweifamilienhäuser) wurden im 1. Halbjahr 2000 in ganz Berlin fertiggestellt, 32,5 % weniger als im Vorjahr. Aber nun geht es steil bergauf, könnte man denken: Für 3.269 Wohnungen wurden im 1. Halbjahr Baugenehmigungen erteilt. Doch gemach - die 3.269 Wohnungen stellen gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang von 67 % im Westteil und einen solchen von 14,8 % im Ostteil der Stadt dar. Wenn man dann weiter liest, daß nur noch 1.079 Wohnungen in ganz Berlin in Geschoß-Neubauten geplant und genehmigt worden sind, dann wird das ganze Ausmaß des baulichen Schlamassels klar, in dem wir stecken.

Und wo, bitte schön, liegt nun aber das Problem, da doch haufenweise Wohnungen leerstehen? Ganz einfach: Wo keine Neubauten, keine grundlegenden Sanierungen, keine Umbauten sind, da kann die sich laufend verändernde Nachfrage nicht befriedigt werden, und gäbe es auch noch so viele Leerstände. Die laufende Anpassung des Angebotes an Nachfrageverschiebungen ist nötig, wenn Marktenge in Teilbereichen vermieden, wenn zumal den neu nach Berlin ziehenden Menschen das Richtige geboten werden soll. Und laufende Anpassung vollzieht sich nun mal stark durch Neubau.

Was ist also los, wo liegt die Ursache des Elends? Sieht man sich einmal die Immobilienumsätze des Jahres 1999 an, ermittelt und veröffentlicht von GEWOS in Hamburg, so zeigt es sich, daß der stärkste Umsatzrückgang bei Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäusern zu verzeichnen war - ein klares Indiz dafür, daß die steuerlichen Rahmenbedingungen wichtig sind. Denn diese wie auch die Eigenheimförderung haben andererseits dazu beigetragen, daß der Eigenheimbau keineswegs einen vergleichbaren Rückgang hatte: Im Durchschnitt des Landes stieg der Umsatz sogar um 2 %.

Man muß wissen, daß zumal in Berlin nach wie vor mehr gemietet als gekauft wird. Soll die nachgefragte (Miet-) Wohnung neu gebaut werden, so braucht man einen Bauherrn, der in dieser Wohnung Kapital anlegen und sein Kapital verzinst sehen will. Da der Kapitalanleger ja nicht selbst die Steine schleppen, die Richtkrone hochziehen, die Wohnung vermieten und das Haus verwalten will, braucht er darüber hinaus einen Partner, der das ganze als Dienstleistung im Paket liefert, und er braucht einen Staat, der ihm solche Rahmenbedingungen bietet, daß die ganze Sache sich lohnt.

Es ist die jetzige Steuergesetzgebung, es ist der berüchtigte „Fallenstellerparagraph“, der auf den in Frage kommenden Grundstücken Schilder aufrichtet, vergleichbar denen, mit denen früher nur vor dem Hunde und auf denen jetzt eben vor dem Finanzamt gewarnt werden muß. Auch in der Rechtmäßigkeit ähneln sich die beiden Tatbestände durchaus: So wie man bissige Hunde eigentlich gar nicht halten darf, so wenig ist der § 2 b EStG verfassungsgemäß und damit zulässig. Aber ebenso wie der Hundehalter setzt auch der Fiskus darauf, daß es niemand probiert, will sagen: daß niemand das Grundstück betritt, daß niemand baut, daß niemand klagt.

Während die Finanzierung des Bauens durch Kapitalanleger in dieser Weise bewußt verhindert wird, findet eine geradezu perverse Umkehrung der Paradigmen statt. Denn die großen Unternehmen können ab 2002 steuerfreie Gewinne aus dem Verkauf von Beteiligungen realisieren und damit die Kapitalanleger animieren, ihr Kapital in eben diese Aktiengesellschaften noch stärker zu investieren, zumal auch bei ihnen die Gewinne aus dem späteren Verkauf der Aktien steuerfrei sind, wenn sie nur ein Jahr warten und weniger als 1 % der Aktien eines Unternehmens besitzen.
Daß man in Aktien nicht wohnen kann, wird den Menschen spätestens dann dämmern, wenn die Mieten steigen.
Autor: Dietmar Otremba