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Licht ins Dunkel
01.08.2005 (GE 14/05, Seite 809) Am Anfang war ein Satz. Und der Satz war – bei Gott – nicht von der Art, die auf eine gute Kinderstube schließen läßt. "Das geht Sie einen Sch…dreck an", sagte mir Mitte der 90er Jahre der Vorstandsvorsitzende der Berliner Wasserbetriebe auf den zwar bestimmt, aber höflich vorgetragenen Wunsch, sein Unternehmen möge angesichts steigender Wasser- und Abwasserpreise doch bitte offenlegen, wie es seine Entgelte kalkuliere.
Die Antwort auf solche Einstellung haben ihm die Berliner Gerichte bekanntlich in großer Deutlichkeit gegeben: Land- und Kammergericht verlangten die Offenlegung der Kalkulation. Das Zaudern des Monopolisten hatte seinen Grund: Die Entgelte waren um rund 18 % überhöht.
Den Haus- und Grundeigentümern und den Mietern in Berlin waren auf diese Weise rechtsgrundlos Millionenbeträge aus den Taschen gezogen worden. Über eine Milliarde Euro, wie Haus & Grund Berlin errechnete, die BWB selbst räumen unter der Hand einen Betrag zwischen 300 und 400 Millionen Euro ein.

Allerdings wissen wir jetzt, wie die Wasserbetriebe rechnen, und seit der Teilprivatisierung ist sowieso gesetzlich festgelegt, wie die Entgeltkalkulation auszusehen hat; beim Wasser geht es nur noch um die Frage, ob zwei Positionen (Personalkosten und Verzinsung des betriebsnotwendigen Vermögens) in der Höhe angesetzt werden dürfen, wie das geschieht. Und das wird noch geklärt.
Monopole haben ungeheuer viele Vorteile. Für die Monopolisten. Für die Verbraucher haben sie nur Nachteile. Und einer dieser Nachteile – bei weitem nicht der größte – ist eben die undurchsichtige Preiskalkulation der Monopolisten.

Unter Wettbewerbsbedingungen sorgt der Markt dafür, daß die Frage, wie Unternehmen ihre Preise für Waren oder Dienstleistungen kalkulieren, für den Kunden uninteressant wird. Eingekauft wird bei dem, der den günstigsten Preis für eine vergleichbare Leistung bietet.

Bei Monopolen hat man diese Wahl nicht. Und auch wenn in Teilbereichen pro forma Wettbewerb eingeführt wurde, so gehören doch alle klassischen Versorger – Strom, Gas, Wasser und Abwasser, Straßenreinigung und Müllabfuhr – jedenfalls faktisch zum Kreis der Monopolisten.

Daß solche Unternehmen vom Gesetzgeber auch noch mit unfairen Platzvorteilen ausgestattet wurden, wenn es um die Zahlung von Entgelten geht, ist ein ebensolcher Anachronismus wie die Monopole selbst. Bei all den genannten Versorgern bestimmen nämlich entweder Rechtsverordnungen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen, daß der Kunde in jedem Fall erst einmal seine Rechung bezahlen muß, mögen seine Zweifel am zugrunde gelegten Preis auch noch so groß und berechtigt sein. Erst wenn er gezahlt hat, soll er seine Zweifel in einem Rückforderungsprozeß darlegen dürfen und beweisen müssen – was er meist nicht kann.

Immerhin haben wir die Gerichte dahin gebracht, daß sie die Beweislast dafür, daß Entgelte nicht überhöht sind, sondern der Billigkeit entsprechen, den Monopolisten aufbürden.

Und einen wirklich großen Lichtblick verschaffen uns endlich zwei neue Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (vgl. Seite 820), der zwei Zahlungsklagen der Berliner Stadtreinigungsbetriebe gestoppt und an die Vorinstanzen in Berlin zurückverwiesen hat. Danach können BSR-Kunden die Zahlung von überhöhten Entgelten verweigern. Die Bestimmung in den AGB der BSR, wonach erst gezahlt und Einwendungen im Rückforderungsprozeß geltend gemacht werden müssen, ist unwirksam.

Die BSR haben bis heute einen vollständigen Einblick in ihre Kalkulation verweigert. Bereits der über das Informationsfreiheitsgesetz von Haus & Grund Berlin erzwungene Teileinblick hat in der Konsequenz zur Rückzahlung von rund 250 Millionen Euro geführt (absichtlicher doppelter Kostenansatz bei der Straßenreinigung und überhöhte Rückstellungen für die Mülldeponien). Mitte August wird beim Verwaltungsgericht über die Freigabe der geschwärzten Teile der Kalkulationsunterlagen verhandelt.

Die BSR sollten dem zuvorkommen und endlich ihr lange versprochenes Kalkulationshandbuch vorlegen. Ohne Schwärzungen.
Autor: Dieter Blümmel