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BGH differenziert Rechtsprechung zur Mindestmietzeit
Befristeter Ausschluß des gesetzlichen Kündigungsrechts nur für vier Jahre zulässig
30.05.2005 (GE 10/05, Seite 584) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinen Entscheidungen vom 19. November 2003 (GE 2004, 349), 30. Juni 2004 (GE 2004, 1166) und vom 14. Juli 2004 (GE 2004, 1165) entgegen vielen Literaturstimmen den befristeten Ausschlu§ des gesetzlichen Kџndigungsrechts grundsЉtzlich fџr zulЉssig erachtet. Kritische (offene) Frage war es allerdings, wie viele Jahre man den Mieter damit binden durfte. Das klЉrt jetzt eine neue BGH-Entscheidung: nicht mehr als vier Jahre!
Der Fall: In einem nach der Mietrechtsreform abgeschlossenen (Formular-) Mietvertrag verzichteten die Parteien wechselseitig für die Dauer von fünf Jahren auf ihr Recht zur Kündigung des Mietvertrages. Die Zahl fünf war handschriftlich in eine durch einen Unterstrich gekennzeichnete Leerstelle eingefügt. Der Mieter kündigte vorfristig und zog aus. Er nahm den Vermieter auf Rückzahlung der Kaution in Anspruch, der seinerseits mit Mietansprüchen aufrechnete.
Die Vorinstanzen hielten den Kündigungsverzicht für unwirksam, der BGH im Ergebnis auch, aber nicht mit der Begründung der Instanzgerichte.

Die Entscheidung: Zunächst verwies der BGH auf seine Rechtsprechung, daß ein zeitlich begrenzter Ausschluß des Kündigungsrechts möglich sei. Zur zeitlichen Begrenzung könne auf die gesetzliche Regelung zur Staffelmiete (§ 557 a BGB) zurückgegriffen werden, so daß ein Zeitraum von mehr als vier Jahren zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters führe. Vorliegend sei der Kündigungsverzicht für fünf Jahre insgesamt unwirksam. Die Aufrechterhaltung der Klausel mit einer verkürzten Dauer (vier Jahre) komme wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht in Betracht.

Anmerkung: Die Entscheidung des BGH ist in der Begründung teilweise zweifelhaft, in der Aussage, in Anlehnung an § 557 a Abs. 3 BGB (Staffelmiete) sei der formularmäßige Kündigungsverzicht nur für vier Jahre möglich, jedoch eindeutig und gut vertretbar.
In der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 22. Dezember 2003 (GE 2004, 348) war durch handschriftlichen Zusatz vereinbart, daß die Mieter für die Dauer von 60 Monaten auf ihr gesetzliches Kündigungsrecht verzichten. Der BGH hat das ohne jegliche nähere Begründung als Individualvereinbarung angesehen und bleibt auch in der vorliegenden Entscheidung (II 1. der Entscheidungsgründe) dabei.
In seiner Entscheidung vom 14. Juli 2004 (GE 2004, 1165 f.) war zum Kündigungsverzicht das Datum, zu dem das Mietverhältnis erstmalig ordentlich kündbar sein sollte, handschriftlich eingefügt. In dieser Entscheidung hatte der BGH es offengelassen, ob wegen der handschriftlichen Einfügung des Datums eine Individualvereinbarung gegeben sei. Denn selbst wenn es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln sollte, wäre von einem wirksamen Kündigungsverzicht auszugehen.
Schon in der Kommentierung der Entscheidung vom 22. Dezember 2003 hatte der Unterzeichner (Schach in GE 2004, 339, 340) erhebliche Zweifel angemeldet, ob es sich in dem damaligen Fall tatsächlich um eine im einzelnen ausgehandelte Vertragsbedingung, also eine Individualvereinbarung gehandelt hat. Dieses Problem greift der BGH in seiner neuen Entscheidung auf und kommt zu dem Ergebnis, daß die handschriftliche Eintragung der Dauer des Kündigungsverzichts keine Individualvereinbarung, sondern eine Formularklausel darstelle. Auf die Schriftart komme es nach § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht an. Eine individuelle Aushandlung der Dauer des Kündigungsverzichtes könne vorliegend nicht angenommen werden. Der Vermieter habe insofern lediglich behauptet, daß der – von ihm vorbereitete – Mietvertrag mit dem Mieter durchgegangen worden sei; dabei habe dieser Gelegenheit gehabt, die einzelnen Vertragsbestimmungen zu prüfen. Das reiche aber für ein Aushandeln nicht aus (eben!).
§ 10 Abs. 2 Satz 6 des früheren Miethöhegesetzes (MHG) bestimmte für die temporäre Beschränkung des Kündigungsrechts des Mieters beim Abschluß einer Staffelmietvereinbarung, eine Vereinbarung sei unwirksam, soweit sie sich auf einen Zeitraum von mehr als vier Jahren seit Abschluß der Vereinbarung erstreckt. Daraus folgerte man (vgl. z. B. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 8. Aufl., § 557 Rdn. 72), daß nur der vier Jahre überschießende Teil einer Vereinbarung unwirksam ist, der vierjährige Kündigungsverzicht also wirksam war.
Die Formulierung in § 557 a Abs. 3 Satz 2 BGB, wo die Staffelmietvereinbarung jetzt geregelt ist, lautet anders (die Kündigung ist frühestens zum Ablauf dieses Zeitraumes zulässig – höchstens vier Jahre). Nach der regierungsamtlichen Begründung sollte damit keine Änderung der Rechtslage, sondern nur eine sprachliche Klarstellung erreicht werden. Wenn nun der BGH seine Entscheidung für den Kündigungsverzicht außerhalb der Staffelmiete an die gesetzliche Regelung in der Staffelmiete anlehnt (ohne das Wort Analogie zu erwähnen), dann hätte er sich auch mit der Wirksamkeitsregelung des § 557 a Abs. 3 BGB auseinandersetzen, zumindest erklären müssen, warum es außerhalb der Staffelmiete trotz Heranziehung der dortigen Grundsätze bei dem allgemeinen Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verbleiben muß.

BGH, Urteil vom 6. April 2005 - VIII ZR 27/04 - Wortlaut Seite 606
Autor: Klaus Schach