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Wenn Nachbarn Nachbarn fotografieren und filmen
03.11.2000 (GE 14/2000, 927) Die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen ist in der Diskussion. Videobeobachtung in Kaufhäusern oder Banken ist bereits Realität. Sie soll dem Schutz oder auch der Beweissicherung dienen.
1. Vorbemerkung
Auch mancher Privatmann möchte sich durch Video oder Foto schützen oder Beweise verschaffen. Dabei drohen Probleme mit Nachbarn. Foto- und Videoaufnahmen, die von dem Nachbarn bzw. dem Bereich, in dem er sich zu bewegen pflegt, aufgenommen werden, können einen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellen. Sie sind dann abwehrfähig entsprechend §§ 1004, 823 BGB. Allerdings bedarf es im Einzelfall einer wertenden Abwägung.

2. Fotografieren
In einem Fall, in dem zwei streitende Nachbarn sich jeweils gegenseitig zu Beweiszwecken fotografierten, wurde dies beiden untersagt. Das Recht am eigenen Bild müsse hinter einem solchen Interesse nicht zurücktreten (OLG Hamm NJW-RR 1988, 425, 426; vgl. auch OLG Frankfurt/Main MDR 1981, 316; siehe aber auch KG NJW 1980, 894: das Fotografieren eines spielenden Kindes zum Zwecke der Beweissicherung sei zulässig; vom BGH nicht gänzlich ausgeschlossen BGH NJW 1995, 1955, 1957 = MDR 1995, 1125).
Dagegen stellt das Fotografieren allein eines Hauses zum Zwecke der werbemäßigen Verbreitung, wenn es von einer allgemein zugänglichen Stelle aus erfolgt, weder eine Eigentumsverletzung noch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar (BGH NJW 1989, 2251, 2252; ähnlich zu Luftbildaufnahmen von Häusern, um sie den Hausbewohnern zum Kauf anzubieten: OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 951, 952; zum Fall, daß zu der Aufnahme das Grundstück betreten werden muß, siehe BGH NJW 1975, 778 f.). Die werbemäßige Verbreitung kann dagegen, je nach Fallgestaltung, einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Eigentümers beinhalten (vgl. BGH NJW 1971, 1359 f.) oder auch nicht (BGH NJW 1989, 2251, 2253).

3. Videoaufnahmen
Eine Dauerüberwachung des Nachbarn durch Video ist grundsätzlich unzulässig (BGH NJW 1995, 1955, 1956 f. = MDR 1995, 1125; OLG Köln NJW 1989, 720, 721). Das gilt auch für den Fall, daß der eine Nachbar Übergriffe des anderen befürchtet. Auf Notwehr (§ 227 BGB), Selbsthilfe (§ 229 BGB) oder Notstand (§ 904 BGB) kann er sich bereits mangels eines gegenwärtigen Angriffs bzw. einer konkreten Gefahr nicht berufen. Auch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ist eine Duldungspflicht nicht herzuleiten (LG Zweibrücken MDR 1990, 549, kritisch zur Begründung im veröffentlichten Teil der Entscheidung: Dehner, Nachbarrecht, 7. Auflage, B § 38, S. 12, 13; LG Berlin NJW 1988, 346, 347). Bereits die Androhung einer Videoüberwachung des Nachbarn verbunden mit einer aufgestellten Videokamera stellt einen abwehrfähigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn dar (LG Braunschweig NJW 1998, 2457). Im übrigen ist es grundsätzlich auch nicht zulässig, zum Schutz gegen Dritte Videoaufzeichnungen zu machen, wenn damit zugleich der Zugangsweg des Nachbarn zu seinem Grundstück überwacht wird (BGH NJW 1995, 1955, 1956 f.).
Möglicherweise zulässig ist die sofortige Aufnahme eines konkre-ten belästigenden Ereignisses (vgl. LG Braunschweig NJW 1998, 2457, 2458).
Der Anspruch geht in der Regel nicht nur auf Unterlassung, sondern auch auf Entfernung der aufgestellten Kamera (LG Berlin NJW 1988, 346, 347; LG Zweibrücken MDR 1990, 549). Er richtet sich nicht nur gegen denjenigen, dem die Kamera gehört und der sie aufgebaut und benutzt hat. Er geht gegen alle, die als Inhaber der Wohnung (bzw. des Grundstücks) die Verfügungsgewalt über die technische Anlage haben (LG Berlin NJW 1988, 346).
Bei unzulässiger Überwachung des Nachbarn kommt schließlich gemäß §§ 823 I, 847 I BGB auch ein Schmerzensgeldanspruch in Betracht (OLG Köln NJW 1989, 720, 721).
Autor: RiAG Gerhard Keinhorst