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Energiepaß - typisch deutsch
07.03.2005 (GE 05/05, Seite 249) Das Jahrbuch 2004 des Statistischen Bundesamtes verzeichnet für die Bundesrepublik einen Bestand von gut 17 Millionen Wohngebäuden. Für die Eigentümer dieser Gebäude sieht die europäische Energieeffizienzrichtlinie vor, daß „beim Bau, beim Verkauf oder bei der Vermietung von Gebäuden dem Eigentümer bzw. dem potentiellen Käufer oder Mieter vom Eigentümer ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorgelegt wird“.
Dieser Ausweis, für den sich der Begriff Energiepaß eingebürgert hat, wird ab dem 1. Januar 2006 Pflicht. Bis zum heutigen Tage ist aber nicht klar, wie dieser Energiepaß aussehen soll, wer ihn ausstellen und wie man es schaffen will, binnen eines halben Jahres Millionen von Energiepässen zu produzieren.
Die wohnungswirtschaftlichen Verbände, darunter auch Haus & Grund, fordern einen Energiepaß auf der Basis von Verbrauchswerten. Die Bundesregierung, die durch eine Rechtsverordnung die Details regeln muß, bevorzugt offenbar (vom Bundeswirtschaftsministerium abgesehen) - unter dem Einfluß der bundeseigenen Energieagentur dena - einen bedarfsorientierten Ausweis. Der ist aber bis zu zehnmal so teuer - von 500 bis 600 E ist die Rede, während die Heizkostenabrechner lediglich 75 E veranschlagen.
Die beiden Fraktionen streiten wie die Kesselflicker, auf typisch deutsche Art, die es nicht erträgt, daß es mehrere Wahrheiten gibt. Die europäische Richtlinie nämlich läßt beide Arten von Ausweisen zu - den bedarfsorientierten wie den verbrauchsorientierten. Es gibt auch für beide gute Argumente.
Der bedarfsorientierte Ausweis wird mit Hilfe normativer Annahmen für Klima und Nutzung erstellt, es wird eine sehr neutrale Bewertung von Gebäuden gegeben, unterschiedliches Nutzerverhalten wird eliminiert. Der Eigentümer erhält mit einem solchen - teureren - Paß eine vernünftige Gebäudediagnose, die auch vorhandene Schwachstellen aufdeckt und beschreibt. Die Verfechter des bedarfsorientierten Passes erhoffen sich deshalb auch Folgeinvestitionen, um die Energiekosten zu senken. Bei der Vermietung wäre ein solcher Paß möglicherweise auch ein Mittel, Mieter schneller davon zu überzeugen, Energiesparmaßnahmen zuzustimmen.
Die hohen Kosten sprechen allerdings eindeutig gegen den bedarfsorientierten Ausweis. Man rechnet, daß jährlich rund zwei Millionen Energiepässe ausgestellt werden müssen. Allein der GdW, in dem die öffentlichen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften organisiert sind, rechnet für das Jahr 2006 mit Kosten von bis zu 500 Millionen Euro.
Nicht von der Hand zu weisen sind schließlich auch Befürchtungen, daß der bedarfsorientierte Ausweis die Bestandswohnung diskreditiert und Mieter dazu ermuntert, Mietminderungen durchzusetzen, weil der energetische Standard angeblich unzureichend ist.
Ein verbrauchsorientierter Ausweis dagegen läßt sich einfach und kostengünstig erstellen. Jeder Heizkostenabrechner verfügt über das entsprechende Datenmaterial. Der verbrauchsorientierte Ausweis ist auch näher beim Nutzer. Wer eine Mietwohnung bezieht oder ein Einfamilienhaus kauft, will wissen, welche Heizkosten in den vergangenen Jahren entstanden sind. Vielleicht interessiert ihn auch noch das Baujahr des Kessels - mehr aber auch nicht. Bei Autos reichen dem Verbraucher wenige Angaben wie Verbrauch in der Stadt bzw. bei Überlandfahrt.
Immerhin existieren - auf freiwilliger Basis - allein in Deutschland bereits rund 30 verschiedene kommunale Formen von Energiepässen. Was liegt da näher, als beide Arten von Ausweisen zu- und es den Gebäudeeigentümern zu überlassen, zu welchem Ausweis sie greifen?
Autor: Dieter Blümmel