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"Ist der Ruf erst ruiniert..."
07.03.2005 (GE 05/05, Seite 256) Bis zum Hals muß das Wasser der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) stehen - wie sonst sollte man sich erklären, daß die WBM fast 11.000 Quadratmeter Gewerbefläche in exponierter innerstädtischer Lage - direkt neben dem Roten Rathaus - an einen Autoteile-Händler vermietet?
Und was sagt der WBM-Eigentümer dazu? Kann sich jemand vorstellen, Edmund Stoiber würde es dulden, daß die Geschäftsführer einer landeseigenen Immobiliengesellschaft ein Gebäude neben seiner Staatskanzlei in München an einen Autoersatzteilhändler vermieten - selbst wenn der nur BMW-Teile anböte? In Berlin geht das frei nach dem Motto: „Ist der Ruf erst ruiniert …“. Schon der ursprünglich vorgesehene und später abgesprungene Mieter Wal-Mart, ein amerikanischer Warenhauskonzern, dem nicht gerade der Ruf vorauseilt, die Mittel- und Oberklasse zu bedienen, war an dieser Stelle eine Zumutung. Daß Gäste der Landesregierung künftig mit Auspuffrohre, Kotflügel, Lenkräder, Autoradios oder Batterien schleppenden Bastlern konfrontiert werden, wird den Ruf der Stadt, Metropole für Un- und Außergewöhnliches zu sein, sicher befördern. Wer noch nicht an Altersdemenz leidet, wird sich genau der Zeiten erinnern, wo ganze Heerscharen von Beamten Eigentümer - etwa am Kurfürstendamm - bis aufs Blut peinigten, wenn Vermietungen in Aussicht genommen wurden, die den Beamten in die Flaniermeile nicht zu passen schienen.
Autor: Dieter Blümmel