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Rechtsstaatlichkeit
08.02.2005 (GE 03/05, Seite 145) Mitte Januar wechselte mal wieder ein großes Speckgürtel-Grundstück in die Hände der Alteigentümer, das geradezu als Paradebeispiel dafür dienen könnte, wie korrupt die DDR war - daß der Rechtsstaat Bundesrepublik sich aber gegen Rechtsstaatlichkeit auch manchmal wehrt wie die Zicke am Strick.
Ein direkt in Schildow liegendes Grundstück war mit Hilfe des Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski ausfindig gemacht und formal über das Aufbaugesetz enteignet worden - die Entschädigung, die bemerkenswerterweise auf Mark und Pfennig genauso hoch war wie eine angebliche Grundsteuerschuld, sahen die Alteigentümer nie. In einem für DDR-Verhältnisse atemberaubenden Tempo wurden innerhalb von zwei Jahren auf dem riesigen Grundstück vier Einfamilienhäuser gebaut. Eins für den Wirtschaftslenker der DDR, Günter Mittag, zwei andere für seine beiden Töchter. Das vierte (das einzige in DDR-Standard) für den Hausmeister und Verwalter. Für die drei Mittag-Häuser wurde dagegen an nichts gespart. Die Baustoffe kamen aus dem Westen vom Klassenfeind, gebaut wurden die Nobelherbergen vom VEB Spezialbau, sonst nur im Einsatz für die Nationale Volks- und/oder die Sowjetarmee. Am Ende waren sechs Millionen Mark der DDR aus der Staatskasse für das verbaut, was mal Mittagscher Altersruhesitz werden sollte. Viel Freude hatte die Familie von Günter Mittag nicht, seine Töchter sollen nach Maueröffnung Schildow Hals über Kopf verlassen haben. Bund und Landkreis weigerten sich 15 Jahre lang, dem Restitutionsantrag der Alteigentümer stattzugeben mit der Begründung, es habe sich um eine normale Enteignung nach dem Aufbaugesetz gehandelt. Erst jetzt, als das Potsdamer Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung deutlich machte, daß doch wohl eindeutig ein Fall von Machtmißbrauch vorläge, knickten die Behörden ein - ein bißchen sehr spät für die bezahlten Vertreter der Rechtsstaatlichkeit.