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Moderne Zeiten
14.12.2004 (GE 24/04, Seite 1545) Es gab einmal eine Zeit, da die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften stolz darauf waren, über große Wohnungsbestände zu verfügen. Damit ließ sich Sozialpolitik betreiben, damit konnte man die nicht näher definierten „breiten Schichten der Bevölkerung“ mit billigem Wohnraum versorgen. Und wenn die Bestände in guter Gegend lagen (z. B. in Zehlendorf am Riemeister Fenn), dann konnte man die Versorgung noch etwas erweitern, diskret natürlich, wie sich das gehört: auf noch weitere Teile der Bevölkerung, vorzugsweise kommunales (Führungs-) Personal, damit dessen Belastung mit Wohnraumkosten in Grenzen und die Ausstattung mit Räumen nicht zu dürftig blieb. Im Osten der Stadt betrieb man die Versorgung weniger verschämt: Das Volk bekam die Plattenbauten, die Funktionäre kriegten die vor und nach dem Weltkrieg enteigneten Villen der Wohlhabenden.
Seit 1990 dreht sich der Wind und än-dern sich die Eigentumsverhältnisse. Bewohner der im Osten enteigneten Einfamilienhäuser müssen (gelegentlich) weichen. Bewohner der Plattenbauten ziehen freiwillig um - in bessere Gegenden, in bessere Wohnungen. Bewohner der feineren kommunalen Außenbezirkssiedlungen trauen ihren Augen nicht, wenn plötzlich Mieten er-höht werden („das gab es früher nicht“) oder wenn man ihnen die Wohnungen gar zum Kauf anbietet. Die ganze kommunale Wohnungswirtschaft schließlich droht den Auszehrungstod zu sterben: Weil die diversen Finanzsenatoren seit Jahren die liquiden Reserven abschöpfen - und weil verkauft wird, was irgendwie und irgendwem noch angedreht werden kann - zu jedem Preis, Hauptsache weg!
Frank Bielka hat in dieser Zeitschrift auf die Möglichkeiten hingewiesen, die kommunale Wohnungsbaugesellschaften in Fragen des Quartiersmanagements haben. Da ist ihm beizupflichten. Er wandelt aber auch auf altgewohnten, ausgetretenen Pfaden, wenn er davon ausgeht, vor allem die „Städtischen“ könnten bezahlbaren Wohnraum bereitstellen. „Droht“ freier Markt, das freie Spiel von Angebot und Nachfrage? Gemach, gemach! Von Abschaffung der Wohnungsbindung ist noch lange nicht die Rede, von der Änderung einschlägiger Gesetze schon gar nicht. Wäre ja noch schöner, wenn Hauseigentümer plötzlich machen dürften, was sie wollen. Vater Staat und Mutter Stadt haben zwar mehr Schulden als seinerzeit alle Majore Preußens zusammen, aber den Staat aufgeben, die Regulierung der Wohnungswirtschaft, die Drangsalierung von Vermietern, die (rechtliche) Privilegierung von Mietern - da seien Allah und Jesus davor, je nach religiösem Gusto.
Und so können 2.500 Wohnungen der DeGeWo an eine Firma namens Cerberus verscherbelt werden, da können bei der GSW-Versilberung Provisionen in achtstelliger Größenordnung geflossen sein, da kann die GeSoBau noch so oft im Gerede sein: Jeder der auswärtigen, mit deutschen Spielregeln nicht so recht vertrauten Käufer wird das Wohnungsbauförderungsgesetz und das Wohnungsbindungsgesetz als nächste Urlaubslektüre einpacken dürfen, und jeder Nutzer all dieser Wohnungen wird mit weiter steigenden Mieten wegen außerordentlichen Abbaus der Förderung rechnen müssen.
Da kann man auf einen ganz naheliegenden Gedanken und damit auf den Anfang dieser kleinen Betrachtung zurückkommen: Wenn schon mit Mieterhöhungen (wegen Förderungsabbaus) und Nebenkostenerhöhungen (der unsittlichen Art) der Leerstand und die Umzugsbranche gleichermaßen gefördert werden, so beruhigt es den Finanzsenator doch zu wissen, daß einem dieser ganze leergesaugte Wohnungskrempel immer weniger gehört, frei nach dem Motto: „sic transit gloria mundi“ - so geht er eben hin, der Ruhm, der Glanz dieser Welt!
Autor: Dietmar Otremba