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Zweckentfremdung: Land Berlin muß Ausgleichsabgaben zurückzahlen
Die ersten Verfahren rechtskräftig abgeschlossen
02.12.2004 (GE 22/04, Seite 1430) Endlich: Für viele Betroffene hat das Warten nun ein Ende. Das OVG Berlin hat in seinen unanfechtbaren Entscheidungen vom 22. Oktober 2004 (in diesem Heft, S. 1460) den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen stattgebende Urteile der 10. Kammer des VG Berlin (GE 2004, 110) zurückgewiesen.
Rückzahlung der Ausgleichsabgaben ab dem 1. September 2000
Damit steht fest, daß das Land Berlin sich nicht auf die Bestandskraft der Genehmigungsbescheide berufen und so eine Rückzahlung der Ausgleichsabgabe ab dem 1. September 2000 verhindern kann. Auch die Einwände, das Geld sei bereits verbraucht und die Haushaltssituation des Landes Berlin lasse ohnehin eine Rückzahlung nicht zu, fanden kein Gehör. Klargestellt wurde auch der Zeitpunkt, ab dem die Rückzahlungen zu erfolgen haben. Das OVG Berlin bestätigte, daß die Auffassung des Landes Berlin, eine Änderung der Rechtslage sei erst mit der förmlichen Aufhebung der 2. ZwVbVO (GVBl. Berlin vom 26. Juli 2003, S. 283) eingetreten, rechtsirrig ist. Dies hatte das BVerwG bereits in seiner Entscheidung vom 13. März 2003 (GE 2003, 467) festgestellt. Danach kommt es allein auf den Zeitpunkt des automatischen Außerkrafttretens der Verordnung an; dieser kann auch schon vor einer gerichtlichen Entscheidung liegen. Das Land Berlin hat damit Ausgleichsabgaben ab dem automatischen Außerkrafttreten der 2. ZwVbVO am 1. September 2000 zurückzuzahlen.

Förmliches Antragsverfahren?
Ein Anspruch auf Rückzahlung der Ausgleichsabgabe kann sich sowohl aus § 48 VwVfG als auch aus § 51 VwVfG ergeben. Beide Möglichkeiten einer Sachprüfung bestehen unabhängig voneinander.
Bereits die 10. Kammer hatte in den zugrundeliegenden Entscheidungen klargestellt, daß die Betroffenen ihren Anspruch direkt auf § 48 VwVfG stützen können. Die Bestimmung regelt die Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes, stellt es aber in das Ermessen der Behörde, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Ein Antrag eines Bürgers ist hierbei nicht erforderlich. Das OVG Berlin hat die Entscheidungen der 10. Kammer auch insoweit bestätigt, als es eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten des Betroffenen angenommen hat. Das Land Berlin muß rechtswidrig gewordene Zweckentfremdungsgenehmigungen wegen der Änderung der Rechtslage zurücknehmen und, nach Wegfall des Rechtsgrunds, Ausgleichsabgaben erstatten.
Einige Betroffene hatten vorsorglich einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 51 VwVfG gestellt. Die Wiederaufnahme ist ein antragsabhängiges Verfahren, bei dem auch Fristen zu beachten sind. Das Land Berlin hatte sich auf den Standpunkt gestellt, Anträge gem. § 51 VwVfG seien wegen Fristversäumnis abzulehnen, da die zu beachtende Dreimonatsfrist bereits am 1. September 2000 in Gang gesetzt worden sei. Diese Ansicht wurde weder von der 10. Kammer noch vom OVG Berlin geteilt. Sofern ein Antrag gem. § 51 VwVfG gestellt wurde, beginnt die Dreimonatsfrist erst nach der Veröffentlichung der Entscheidung des BVerwG vom 13. März 2003 zu laufen. Nachdem nunmehr in Rechtskraft erwachsenen Urteil der 10. Kammer (GE 2004, a.a.O.) kommt es darauf jedoch ohnehin nicht an. Rechtsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch ist § 48 VwVfG. Diese Vorschrift setzt einen Antrag nicht voraus, vielmehr hat die Behörde auch von Amts wegen (§ 22 VwVfG) nach pflichtgemäßem Ermessen tätig zu werden.

Allgemeine Geltung der Entscheidung
Das Land Berlin hatte sich in den Verfahren zum Außerkrafttreten der 2. ZwVbVO stets darauf berufen, die Entscheidung würde nur zwischen den Beteiligten gelten. Die Kläger des vorliegenden Falles waren nicht Beteiligte des damaligen Verfahrens. Das OVG Berlin hat aber klargestellt, daß auch zur Frage der Rückzahlung der Ausgleichsabgabe die zugrundeliegende Zweckentfremdungsrechtslage in Berlin zu berücksichtigen ist. Die Gerichte werden - ebenso bei künftigen Streitfällen - auf die bisherigen Erkenntnisse zurückgreifen. Sofern das Land Berlin - entgegen entsprechender Äußerungen - nunmehr nicht die Rückzahlung der Ausgleichsabgabe in sämtlich hiervon betroffenen Fällen veranlaßt und gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden muß, werden die Gerichte an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhalten.
Das Land Berlin hat dieses Verfahren selbst als „Musterverfahren“ bezeichnet und den Bezirksämtern empfohlen, sich einer rechtskräftigen Entscheidung zu unterwerfen. Diese liegt nunmehr vor, so daß Rückzahlungen unverzüglich zu veranlassen sind.

Anwendung auch auf
einmalige Ausgleichszahlungen?
In einigen Fällen wurden noch nach dem 1. September 2000 Genehmigungsbescheide gegen Zahlung einer einmaligen Ausgleichsabgabe erteilt. Auch hier besteht in den meisten Fällen ein Anspruch auf Rückzahlung der Gelder, und zwar ein Anspruch gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Anders als in den Fällen der sog. Dauerverwaltungsakte, also Genehmigungsbescheide mit einer laufenden Zahlungsverpflichtung, die zunächst rechtmäßig erlassen und wegen einer Änderung der Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtswidrig wurden,
sind die nach dem 1. September 2000 erlassenen Genehmigungsbescheide mit einer einmaligen Zahlungsverpflichtung von Anfang an rechtswidrig.
Das Land Berlin war verpflichtet, die 2. ZwVbVO zum 1. September 2000 aufzuheben. Es ist seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, obwohl spätestens im August 2000 alle marktrelevanten Daten vorlagen. Einen wirtschaftlichen Vorteil darf es aus dieser Pflichtverletzung nicht ziehen. Den Betroffenen kann nicht entgegengehalten werden, Rechtsmittel nicht rechtzeitig eingelegt zu haben. Nach der jetzigen Entscheidung des OVG Berlin konnten hinreichende Kenntnisse von einem Wiederaufgreifensgrund nämlich regelmäßig erst durch die Veröffentlichung der Entscheidung des BVerwG vom 13. März 2003 (GE 2003, 467) vorausgesetzt werden.
Das Land Berlin ist verpflichtet, ab dem 1. September 2004 einbehaltene Ausgleichsabgaben zu erstatten. Vier Jahre nach dem automatischen Außerkrafttreten der 2. ZwVbVO sollte dies auch umgehend geschehen.

Praxistip
Da die Rückzahlung der Ausgleichsabgabe davon abhängt, daß die zugrundeliegenden Bescheide gem. § 48 VwVfG aufgehoben werden, sollten Betroffene die Wohnungsämter hierzu nochmals auffordern, sofern dies nicht schon ohnehin geschehen ist.
Eine kurze Fristsetzung ist angesichts der seit dem automatischen Außerkrafttreten der Verordnung bereits verstrichenen vier Jahre durchaus angemessen. Es liegt im Interesse Berlins, die schlechte Haushaltslage nicht noch durch an sich unnötige Kosten für Klageverfahren zu belasten.

Musterbriefe:

1. Wenn Antrag bereits gestellt wurde

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich nehme Bezug auf meinen Antrag vom … Das Verfahren wurde von Ihnen bisher nicht weiterbetrieben.
Nunmehr hat das OVG Berlin am 22.und 26. Oktober 2004 (GE 2004, S. 1460) die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts bestätigt, wonach Ausgleichsabgaben ab dem 1. September 2000 zurückgezahlt werden müssen.
Ich fordere Sie daher auf, den Genehmigungsbescheid vom … zurückzunehmen und die von mir ab dem 1. September 2000 gezahlten Ausgleichsabgaben in Höhe von … unverzüglich zu erstatten.
Meine Kontonummer lautet: ...
Mit freundlichen Grüßen

2. Wenn Antrag noch nicht gestellt wurde

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich nehme Bezug auf die Zweckentfremdungsgenehmigung vom …, wonach ich zur Zahlung einer monatlichen Ausgleichsabgabe von zuletzt … E verpflichtet wurde.
Die 2. ZwVbVO ist zum 1. September 2000 automatisch außer Kraft getreten. Nunmehr hat das OVG Berlin am 22.und 26. Oktober 2004 (GE 2004, S. 1460) die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts bestätigt, wonach ab diesem Zeitpunkt Ausgleichsabgaben zu erstatten sind. Ich fordere Sie daher auf, den o. g. Genehmigungsbescheid gem. § 48 Abs. 1 VwVfG zurückzunehmen und die von mir ab dem 1. September 2000 gezahlten Beträge in Höhe von insgesamt … E unverzüglich zu erstatten.
Meine Bankverbindung lautet: ...
Mit freundlichen Grüßen

Autor: RA Dr. Michael Schulz und Dipl.-Pol. Utemaria Bujewski-Crawford