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Schlechter Grund
09.11.2004 (GE 21/04, Seite 1313) Die Nachfrage nach Grundstücken sinkt, das Angebot steigt. Die Folge: Kein
Baulandmangel mehr - so jedenfalls das Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung (BBR). Und wer wollte daran zweifeln - die Makler, die Mühe
haben, Käufer zu animieren, ganz bestimmt nicht.
Nur - woher kommt tendenziell das steigende Angebot an Grundstücken, wo
wir doch schon auf der Uni gelernt haben, daß die knappe Ware Land nicht
vermehrbar ist - jedenfalls ceteris paribus, unter sonst gleichbleibenden
Bedingungen also? Ganz einfach: Es vermehrt sich eben doch, weil die
Bedingungen sich ändern. Sichtbarstes Beispiel ist die Bundesbahn, die über
ungeheure Geländereserven verfügt, von denen sie sich zunehmend trennt.
Ob ehemaliges Güterbahnhofsgelände in Frankfurt/Main (beste
Innenstadtlage, noch unbebaut), ob Land neben dem neuen Spandauer ICE-
Bahnhof (Arkaden, schon bebaut), ob Reservegelände neben den weiter
genutzten Innenstadttrassen (jetzt ALDI, Lidl & Co.) oder Kleingärten auf
Verschnittgrundstücken: Die Bahn hat verwertbares Land, das man
bundesweit nicht nach Quadratmetern, sondern Quadratkilometern messen
muß - alles nicht mehr gebraucht, jetzt und in der Zukunft?
Oder die Bundeswehr mit ihren vielen Standorten, Ost und West, Stillegungen
und Schließungen, soweit das Auge reicht, von den nicht mehr gebrauchten
Truppenübungsplätzen nicht zu reden. Wohin mit dem vielen Land?
Und dann die schrumpfende Industrie mit all ihren Gebäuden und Brachen,
von denen man sich trennen will, um Bilanzbilder zu verbessern und liquide
Reserven zu gewinnen: Chancen der Umnutzung, der Neunutzung oder der
intensiveren Nutzung! Land, wohin man sieht, noch dazu erschlossen, oft in
bester Lage!
Und da uns nun die klugen Bilanztheoretiker, die oberschlauen Analysten und
am Ende die sehr realitätsbezogenen Insolvenzverwalter die gleichen
Ratschläge geben und Maßnahmen initiieren, wird Land in Dimensionen
verfügbar, wie schon lange nicht mehr. Und je länger die wirtschaftliche
Stagnation anhält, desto mehr!
Sind die Ratschläge der Gurus, wie eben beschrieben, auch immer richtig? Da
darf man Zweifel äußern, denn die Bilanzkosmetik ist eine Sache, die richtige
strategische Entscheidung eine andere. Daß z. B. die Bundesbahn momentan
nicht benötigte, aber bisher auch nicht bilanzierte und nie aus der eigenen
Tasche bezahlte Gelände so einfach versilbert, könnte sich dann als schwerer
Fehler erweisen, wenn Trassen und Betriebsgelände wegen des wachsenden
Verkehrs dereinst wieder benötigt werden. Neue Gleise kann man ja nicht in
der Luft aufhängen und unterirdische sind unbezahlbar.
Bei Einzelhandelsunternehmen kann die Sache anders aussehen, muß aber
nicht, wie die Politik der großen Discounter zeigt - und wie es auch große
Warenhausstandorte beweisen. Das KaDeWe läßt grüßen, Hertie in München
und die Karstadt-Standorte in Hamburgs Zentrum. Wer solche Lagen verkauft,
der kriegt zwar jetzt eine Stange Geldes in die Kasse - aber die Pacht- oder
Leasingkosten der Zukunft haben dann die gleiche Zielrichtung wie die
Schulden Berlins: abwärts in den Keller!
Immobilien sind eben eine spezielle Sache, ein besonderer Produktionsfaktor
- einer, der viel zu lange und viel zu oft quasi ideologisch mißhandelt wurde
und den man jetzt nur allzu gern als beliebig behandelbare und eben auch
handelbare Ware verwenden und verwerten möchte. Aber das geht nicht.
Denn Grundstücke sind eben auch Grundlage - allen Lebens und allen
Arbeitens, aller Bewegung und allen Verharrens. Und nicht mal sterben kann
man ohne Grundstück, jedenfalls solange nicht, als man beerdigt werden
möchte - im Sarg oder in der Urne.
wir doch schon auf der Uni gelernt haben, daß die knappe Ware Land nicht
vermehrbar ist - jedenfalls ceteris paribus, unter sonst gleichbleibenden
Bedingungen also? Ganz einfach: Es vermehrt sich eben doch, weil die
Bedingungen sich ändern. Sichtbarstes Beispiel ist die Bundesbahn, die über
ungeheure Geländereserven verfügt, von denen sie sich zunehmend trennt.
Ob ehemaliges Güterbahnhofsgelände in Frankfurt/Main (beste
Innenstadtlage, noch unbebaut), ob Land neben dem neuen Spandauer ICE-
Bahnhof (Arkaden, schon bebaut), ob Reservegelände neben den weiter
genutzten Innenstadttrassen (jetzt ALDI, Lidl & Co.) oder Kleingärten auf
Verschnittgrundstücken: Die Bahn hat verwertbares Land, das man
bundesweit nicht nach Quadratmetern, sondern Quadratkilometern messen
muß - alles nicht mehr gebraucht, jetzt und in der Zukunft?
Oder die Bundeswehr mit ihren vielen Standorten, Ost und West, Stillegungen
und Schließungen, soweit das Auge reicht, von den nicht mehr gebrauchten
Truppenübungsplätzen nicht zu reden. Wohin mit dem vielen Land?
Und dann die schrumpfende Industrie mit all ihren Gebäuden und Brachen,
von denen man sich trennen will, um Bilanzbilder zu verbessern und liquide
Reserven zu gewinnen: Chancen der Umnutzung, der Neunutzung oder der
intensiveren Nutzung! Land, wohin man sieht, noch dazu erschlossen, oft in
bester Lage!
Und da uns nun die klugen Bilanztheoretiker, die oberschlauen Analysten und
am Ende die sehr realitätsbezogenen Insolvenzverwalter die gleichen
Ratschläge geben und Maßnahmen initiieren, wird Land in Dimensionen
verfügbar, wie schon lange nicht mehr. Und je länger die wirtschaftliche
Stagnation anhält, desto mehr!
Sind die Ratschläge der Gurus, wie eben beschrieben, auch immer richtig? Da
darf man Zweifel äußern, denn die Bilanzkosmetik ist eine Sache, die richtige
strategische Entscheidung eine andere. Daß z. B. die Bundesbahn momentan
nicht benötigte, aber bisher auch nicht bilanzierte und nie aus der eigenen
Tasche bezahlte Gelände so einfach versilbert, könnte sich dann als schwerer
Fehler erweisen, wenn Trassen und Betriebsgelände wegen des wachsenden
Verkehrs dereinst wieder benötigt werden. Neue Gleise kann man ja nicht in
der Luft aufhängen und unterirdische sind unbezahlbar.
Bei Einzelhandelsunternehmen kann die Sache anders aussehen, muß aber
nicht, wie die Politik der großen Discounter zeigt - und wie es auch große
Warenhausstandorte beweisen. Das KaDeWe läßt grüßen, Hertie in München
und die Karstadt-Standorte in Hamburgs Zentrum. Wer solche Lagen verkauft,
der kriegt zwar jetzt eine Stange Geldes in die Kasse - aber die Pacht- oder
Leasingkosten der Zukunft haben dann die gleiche Zielrichtung wie die
Schulden Berlins: abwärts in den Keller!
Immobilien sind eben eine spezielle Sache, ein besonderer Produktionsfaktor
- einer, der viel zu lange und viel zu oft quasi ideologisch mißhandelt wurde
und den man jetzt nur allzu gern als beliebig behandelbare und eben auch
handelbare Ware verwenden und verwerten möchte. Aber das geht nicht.
Denn Grundstücke sind eben auch Grundlage - allen Lebens und allen
Arbeitens, aller Bewegung und allen Verharrens. Und nicht mal sterben kann
man ohne Grundstück, jedenfalls solange nicht, als man beerdigt werden
möchte - im Sarg oder in der Urne.
Autor: Dietmar Otremba