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Schadensausgleich
Wer haftet, wenn ein Grenzbaum umstürzt?
25.10.2004 (GE 20/04, Seite 1268) Grundstückseigentümer sind verpflichtet, in angemessenen Abständen die auf ihren Grundstücken wachsenden Bäume (einschließlich der Äste) auf Standsicherheit und Festigkeit gegen Windbruch zu kontrollieren. Tun sie das nicht und es entsteht Dritten ein Schaden, haften sie (bzw. ihre Versicherung). Steht ein Baum auf der Grundstücksgrenze, haften beide Nachbarn. Allerdings nicht gemeinsam, wie bisher angenommen, sondern jeder für seine - fiktiv vertikal geteilte - Hälfte (!), meint der BGH. Ist - wie oft - ein Grenzbaum rundherum marode, erhält bei einem Schaden der geschädigte Grundeigentümer keinen vollen Schadensersatz, wenn auch er nichts gegen die drohende Gefahr unternommen hat.
Der Fall: Der u. a. für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Verpflichtung eines Grundstückseigentümers zum Ersatz von Schäden, die dem Nachbarn durch das Umfallen eines auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehenden Baumes entstanden sind, zu entscheiden.
Die Parteien sind (Mit-) Eigentümer benachbarter Grundstücke. Zumindest teilweise auf der Grundstücksgrenze stand eine alte Steineiche, die seit mehreren Jahren eine verringerte Belaubung sowie totes Holz in der Krone zeigte; außerdem hatte sich rings um den Stamm der Fruchtkörper eines Pilzes (Riesenporling) gebildet. Im Jahr 1996 ließ der Ehemann der Beklagten in dem Teil der Baumkrone, der sich über ihrem Grundstück befand, das tote Holz fachmännisch entfernen. Weitere Baumpflegemaßnahmen erfolgten weder auf der Grundstücksseite der Klägerin noch auf der der Beklagten.
Im Dezember 2001 stürzte die Eiche ohne Sturmeinwirkung um und beschädigte das Wohnhaus der Klägerin erheblich. Diese verlangt von der Beklagten Schadensersatz; sie meint, die Beklagte sei zumindest anteilig für den Baum verkehrssicherungspflichtig gewesen.
Das Landgericht hatte die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 97.278,08 E nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klägerin nur noch die Hälfte der Klageforderung geltend gemacht hat, war zurückgewiesen worden. Ihre Revision hatte Erfolg.
Das Urteil: Der BGH hat zunächst die Eigentumsverhältnisse an dem Grenzbaum abweichend von dem Berufungsgericht, welches Miteigentum angenommen hat, dahingehend beurteilt, daß vertikal geteiltes Eigentum besteht. Das hat zur Folge, daß jedem Grundstückseigentümer der Teil des Baumes gehört, der sich auf seinem Grundstück befindet. Als Eigentümer eines Teils des Baumes waren die Beklagte und ihr Ehemann für diesen Teil in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf ihrem Grundstück stehenden Baum. Deshalb seien sie u. a. verpflichtet, den Grenzbaum in angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall zu überwachen und bei Anzeichen für eine besondere Gefahr wie z. B. trockenes Laub, dürre Äste und Pilzbefall untersuchen zu lassen. Dabei wäre die mangelnde Standfestigkeit des Baumes erkannt worden; es hätten rechtzeitig geeignete Maßnahmen gegen ein plötzliches Umstürzen ergriffen werden können. Indem die Beklagte und ihr Ehemann das trotz der auch auf der ihnen gehörenden Seite erkennbaren Erkrankung des Baumes unterlassen haben, haben sie die Beschädigung des Nachbargrundstücks mit zu verantworten.
Allerdings hat der BGH auch der Klägerin vorgeworfen, daß sie den erkennbaren Krankheitsanzeichen an dem ihr gehörenden Teil des Baumes keine Beachtung geschenkt und damit letztlich ebenfalls die Beschädigung ihres Wohnhauses in Kauf genommen hatte. Deshalb treffe sie eine Mitverantwortung für den eingetretenen Schaden, deren Umfang nach § 254 BGB zu beurteilen ist. Im Rahmen dieser Vorschrift geht es um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden Obliegenheit. Da das Maß der Verursachung, in dem die Beteiligten zur Entstehung des Schadens beigetragen haben, und der beiderseitige Verschuldensanteil gleich hoch zu bewerten sind, hat der Senat eine Schadensteilung vorgenommen und der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte des Schadens zugesprochen.
BGH, Urteil vom 2. Juli 2004 - V ZR 33/04 - Wortlaut Seite 1290
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Die Parteien sind (Mit-) Eigentümer benachbarter Grundstücke. Zumindest teilweise auf der Grundstücksgrenze stand eine alte Steineiche, die seit mehreren Jahren eine verringerte Belaubung sowie totes Holz in der Krone zeigte; außerdem hatte sich rings um den Stamm der Fruchtkörper eines Pilzes (Riesenporling) gebildet. Im Jahr 1996 ließ der Ehemann der Beklagten in dem Teil der Baumkrone, der sich über ihrem Grundstück befand, das tote Holz fachmännisch entfernen. Weitere Baumpflegemaßnahmen erfolgten weder auf der Grundstücksseite der Klägerin noch auf der der Beklagten.
Im Dezember 2001 stürzte die Eiche ohne Sturmeinwirkung um und beschädigte das Wohnhaus der Klägerin erheblich. Diese verlangt von der Beklagten Schadensersatz; sie meint, die Beklagte sei zumindest anteilig für den Baum verkehrssicherungspflichtig gewesen.
Das Landgericht hatte die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 97.278,08 E nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klägerin nur noch die Hälfte der Klageforderung geltend gemacht hat, war zurückgewiesen worden. Ihre Revision hatte Erfolg.
Das Urteil: Der BGH hat zunächst die Eigentumsverhältnisse an dem Grenzbaum abweichend von dem Berufungsgericht, welches Miteigentum angenommen hat, dahingehend beurteilt, daß vertikal geteiltes Eigentum besteht. Das hat zur Folge, daß jedem Grundstückseigentümer der Teil des Baumes gehört, der sich auf seinem Grundstück befindet. Als Eigentümer eines Teils des Baumes waren die Beklagte und ihr Ehemann für diesen Teil in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf ihrem Grundstück stehenden Baum. Deshalb seien sie u. a. verpflichtet, den Grenzbaum in angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall zu überwachen und bei Anzeichen für eine besondere Gefahr wie z. B. trockenes Laub, dürre Äste und Pilzbefall untersuchen zu lassen. Dabei wäre die mangelnde Standfestigkeit des Baumes erkannt worden; es hätten rechtzeitig geeignete Maßnahmen gegen ein plötzliches Umstürzen ergriffen werden können. Indem die Beklagte und ihr Ehemann das trotz der auch auf der ihnen gehörenden Seite erkennbaren Erkrankung des Baumes unterlassen haben, haben sie die Beschädigung des Nachbargrundstücks mit zu verantworten.
Allerdings hat der BGH auch der Klägerin vorgeworfen, daß sie den erkennbaren Krankheitsanzeichen an dem ihr gehörenden Teil des Baumes keine Beachtung geschenkt und damit letztlich ebenfalls die Beschädigung ihres Wohnhauses in Kauf genommen hatte. Deshalb treffe sie eine Mitverantwortung für den eingetretenen Schaden, deren Umfang nach § 254 BGB zu beurteilen ist. Im Rahmen dieser Vorschrift geht es um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden Obliegenheit. Da das Maß der Verursachung, in dem die Beteiligten zur Entstehung des Schadens beigetragen haben, und der beiderseitige Verschuldensanteil gleich hoch zu bewerten sind, hat der Senat eine Schadensteilung vorgenommen und der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte des Schadens zugesprochen.
BGH, Urteil vom 2. Juli 2004 - V ZR 33/04 - Wortlaut Seite 1290
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