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Kündigung
Gilt nicht abgeholtes Einschreiben als zugegangen?
11.10.2004 (GE 19/04, Seite 1203) Vermieter sollten schnell zur Post gehen, wenn sie im Briefkasten eine Benachrichtigung über eine erfolglose Zustellung eines Einschreibebriefes finden. Tun sie das verspätet oder überhaupt nicht, kann ein fristwahrender Zugang auf den Zeitpunkt fingiert werden, zu dem der Brief zumutbar abgeholt werden konnte.
Der Fall: Die Mietvertragsparteien hatten (u. a.) Streit deswegen, weil der Vermieter nach Ansicht des Mieters den Bestand des Mietverhältnisses durch eine unwirksame Eigenbedarfskündigung belastet hatte. Der Mieter wollte nun seinerseits aus dem Mietverhältnis herauskommen und kündigte durch Einschreibebrief. Dieser konnte aber an einem Samstag dem Vermieter nicht zugestellt werden. Der Postbote legte den Brief auf der Postagentur nieder, nachdem er einen Benachrichtigungsschein in den Briefkasten des Vermieters geworfen hatte. Der Vermieter holte den Brief erst am darauffolgenden Mittwoch ab und konnte so von der Kündigung Kenntnis nehmen. Zu diesem Zeitpunkt war die Kündigungsfrist jedoch schon abgelaufen, nämlich am Vortag um 24 Uhr. Der Mieter klagte nun auf Feststellung der Beendigung des Mietverhältnis zu dem von ihm vorgesehenen Zeitpunkt. Amts- und Landgericht (Freiburg) gaben ihm recht.
Die Entscheidung: In der Berufung kam das Landgericht Freiburg zu dem Ergebnis, der Zugang der Kündigung sei auf den Zeitpunkt anzunehmen, zu dem die Einlösung des Benachrichtigungszettels möglich und zumutbar gewesen sei, regelmäßig also am nächstfolgenden Werktag. Dann wäre die Kündigung rechtzeitig gewesen, was nunmehr nach Treu und Glauben zu fingieren sei. In diesem Zusammenhang spiele es auch eine Rolle, daß das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch eine vorangegangene, zwischenzeitlich jedoch unwirksame Eigenbedarfskündigung des Vermieters belastet gewesen sei. Der Vermieter habe daher jederzeit damit rechnen müssen, fristwahrende Erklärungen des Mieters zu erhalten. Wenn er dann eine Benachrichtigung über ein Einschreiben vorfinde, aus dem sich Absender und Anlaß des Schreibens nicht ergebe, sei von ihm nach Treu und Glauben zu verlangen, daß er alsbald im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen das Schreiben abhole.
Anmerkung: Das Urteil könnte Schule machen. Es ist aber keinesfalls zu verallgemeinern und selbst bei wohlwollender Betrachtung auch im Rahmen von Treu und Glauben nicht haltbar.
Die Kündigung eines Mietverhältnisses (über Wohnraum) bedarf nach § 568 Abs. 1 BGB der schriftlichen Form. Sie muß dem Vertragsgegner zugehen, d. h. in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangen. Das ist z. B. dann der Fall, wenn der Brief mit der Kündigung in den Briefkasten des Empfängers geworfen wird. Hätte also im vorliegenden Fall der kündigende Mieter nicht durch Einschreibebrief gekündigt, sondern durch (beweisbaren) Einwurf der Kündigung in den Postkasten seines Vermieters, wäre die Kündigung spätestens am darauffolgenden Montag zugegangen, denn es ist zumutbar, am darauffolgenden Werktag in den Postkasten zu schauen.
Will der Mieter nicht selbst bei seinem Vermieter vorbeigehen, kann er auch die Briefbeförderung durch die Post oder andere (inzwischen vielerorts tätige) private Briefzustellunternehmen in Anspruch nehmen. Der Einwurf des Briefes in den Briefkasten des Zustellungsempfängers durch einen Briefzusteller hätte dieselbe Wirkung des Briefzugangs wie bei einem persönlichen Einwurf in den Postkasten. Es stellt sich dabei allerdings die Frage der Beweisbarkeit. Hier gibt es neuerdings das Einwurfeinschreiben. In einem derartigen Fall wirft der Postzusteller das Einschreiben in den Postkasten des Empfängers und protokolliert (zu späteren Beweiszwecken) diesen Vorgang. Ob in diesem Brief allerdings tatsächlich die Kündigung war, läßt sich hier nicht beweisen.
Bei Zustellung einer Kündigung durch (normalen) Einschreibebrief kann ein unmittelbarer Zugang nur erfolgen, wenn der Postzusteller den Empfänger persönlich antrifft und ihm den Brief übergibt. Ist der Empfänger nicht da, wirft der Postzusteller lediglich einen Benachrichtigungsschein über den erfolglosen Zustellungsversuch in den Briefkasten. In der Benachrichtigung ist auch festgehalten, daß der Brief am selben oder am nächsten Werktag auf der Postagentur abgeholt werden kann. Wie das Landgericht Freiburg richtig festhält, ergeben sich aus dem Benachrichtigungszettel weder Absender noch Anlaß und Inhalt des Einschreibens. Der Empfänger weiß also mit dem Benachrichtigungszettel nur, daß für ihn ein abholbarer Brief bei der Post liegt. Dieser mag für ihn oder für den Absender oder für beide mehr oder weniger wichtig sein. Jedenfalls handelt es sich bei diesem Verfahren nicht um eine förmliche Zustellung in Beachtung der Vorschriften der Zivilprozeßordnung. Ein Zugang kann also nicht förmlich fingiert werden, wenn der Brief nicht bzw. nicht rechtzeitig abgeholt wird. Demgemäß konnte das Landgericht Freiburg auch nur in Anwendung von § 242 BGB (Treu und Glauben) zu einem fristwahrenden Zugang der Kündigung gelangen. Es gibt schon in der bisherigen Rechtsprechung auch andere Entscheidungen, die über Treu und Glauben einen Briefzugang fingiert haben (vgl. insofern Palandt-Heinrichs, BGB, § 130 Rdn. 18). Das z. B. dann, wenn ein Vertragsgegner bewußt einen Briefzugang verhindert (kein Briefkasten vorhanden, Briefschlitz zugeklebt u. dgl.). Das mag in einem Fall wie dem vorliegenden auch dann angenommen werden können, wenn z. B. dem Vermieter beweisbar vorher angekündigt worden ist, ihm werde in Kürze die schriftliche Kündigung zugehen. Findet dann der Vermieter eine Benachrichtigung über eine fehlgeschlagene Einschreibenzustellung vor, kann von ihm erwartet werden, daß er im angemessenen zeitlichen Zusammenhang den Brief bei der Post abholt. Im vorliegenden Fall war dazu aber nichts ersichtlich. Der Vermieter, der zudem auch noch weitere Mietverhältnisse mit anderen Mietern hatte, konnte aus dem Benachrichtigungszettel nichts weiter entnehmen. Er wußte nur von seiner unwirksamen Eigenbedarfskündigung. Daraus zu schließen, daß der bei der Post lagernde Einschreibebrief nunmehr die Kündigung des entsprechenden Mieters enthalte, erscheint sehr weit hergeholt.
Tip: Wer sicherstellen will, daß - abgesehen vom förmlichen Zustellungsverfahren nach der ZPO - ein fristwahrendes Schreiben rechtzeitig bei seinem Gegner eingeht, sollte in Zeugengegenwart das entsprechende Schreiben in das Briefkuvert stecken, sich sodann mit dem Zeugen zum Zustellungsempfänger begeben und dort den Brief in den Postkasten werfen. Dann kann ggf. in einem späteren Rechtsstreit durch Zeugenvernehmung festgestellt werden, daß das ganz bestimmte Schreiben zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist. Klaus Schach
LG Freiburg, Urteil vom 1. Juli 2004 - 3 S 317/03 - Wortlaut Seite 1232
In jeder Ausgabe des GRUNDEIGENTUM finden Sie interessante mietrechtliche Gerichtsentscheidungen, Aufsätze, Hintergrundinformationen, Gesetze und Verordnungen sowie wertvolle Praxistips rund um die Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft.
Informieren Sie sich schon vorab im Inhaltsverzeichnis des aktuellen GRUNDEIGENTUM-Heftes, das wir Ihnen im DOWNLOAD-Bereich als PDF-Datei zur Verfügung stellen, über die jeweiligen Inhalte bzw. Themenschwerpunkte!
Die Entscheidung: In der Berufung kam das Landgericht Freiburg zu dem Ergebnis, der Zugang der Kündigung sei auf den Zeitpunkt anzunehmen, zu dem die Einlösung des Benachrichtigungszettels möglich und zumutbar gewesen sei, regelmäßig also am nächstfolgenden Werktag. Dann wäre die Kündigung rechtzeitig gewesen, was nunmehr nach Treu und Glauben zu fingieren sei. In diesem Zusammenhang spiele es auch eine Rolle, daß das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch eine vorangegangene, zwischenzeitlich jedoch unwirksame Eigenbedarfskündigung des Vermieters belastet gewesen sei. Der Vermieter habe daher jederzeit damit rechnen müssen, fristwahrende Erklärungen des Mieters zu erhalten. Wenn er dann eine Benachrichtigung über ein Einschreiben vorfinde, aus dem sich Absender und Anlaß des Schreibens nicht ergebe, sei von ihm nach Treu und Glauben zu verlangen, daß er alsbald im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen das Schreiben abhole.
Anmerkung: Das Urteil könnte Schule machen. Es ist aber keinesfalls zu verallgemeinern und selbst bei wohlwollender Betrachtung auch im Rahmen von Treu und Glauben nicht haltbar.
Die Kündigung eines Mietverhältnisses (über Wohnraum) bedarf nach § 568 Abs. 1 BGB der schriftlichen Form. Sie muß dem Vertragsgegner zugehen, d. h. in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangen. Das ist z. B. dann der Fall, wenn der Brief mit der Kündigung in den Briefkasten des Empfängers geworfen wird. Hätte also im vorliegenden Fall der kündigende Mieter nicht durch Einschreibebrief gekündigt, sondern durch (beweisbaren) Einwurf der Kündigung in den Postkasten seines Vermieters, wäre die Kündigung spätestens am darauffolgenden Montag zugegangen, denn es ist zumutbar, am darauffolgenden Werktag in den Postkasten zu schauen.
Will der Mieter nicht selbst bei seinem Vermieter vorbeigehen, kann er auch die Briefbeförderung durch die Post oder andere (inzwischen vielerorts tätige) private Briefzustellunternehmen in Anspruch nehmen. Der Einwurf des Briefes in den Briefkasten des Zustellungsempfängers durch einen Briefzusteller hätte dieselbe Wirkung des Briefzugangs wie bei einem persönlichen Einwurf in den Postkasten. Es stellt sich dabei allerdings die Frage der Beweisbarkeit. Hier gibt es neuerdings das Einwurfeinschreiben. In einem derartigen Fall wirft der Postzusteller das Einschreiben in den Postkasten des Empfängers und protokolliert (zu späteren Beweiszwecken) diesen Vorgang. Ob in diesem Brief allerdings tatsächlich die Kündigung war, läßt sich hier nicht beweisen.
Bei Zustellung einer Kündigung durch (normalen) Einschreibebrief kann ein unmittelbarer Zugang nur erfolgen, wenn der Postzusteller den Empfänger persönlich antrifft und ihm den Brief übergibt. Ist der Empfänger nicht da, wirft der Postzusteller lediglich einen Benachrichtigungsschein über den erfolglosen Zustellungsversuch in den Briefkasten. In der Benachrichtigung ist auch festgehalten, daß der Brief am selben oder am nächsten Werktag auf der Postagentur abgeholt werden kann. Wie das Landgericht Freiburg richtig festhält, ergeben sich aus dem Benachrichtigungszettel weder Absender noch Anlaß und Inhalt des Einschreibens. Der Empfänger weiß also mit dem Benachrichtigungszettel nur, daß für ihn ein abholbarer Brief bei der Post liegt. Dieser mag für ihn oder für den Absender oder für beide mehr oder weniger wichtig sein. Jedenfalls handelt es sich bei diesem Verfahren nicht um eine förmliche Zustellung in Beachtung der Vorschriften der Zivilprozeßordnung. Ein Zugang kann also nicht förmlich fingiert werden, wenn der Brief nicht bzw. nicht rechtzeitig abgeholt wird. Demgemäß konnte das Landgericht Freiburg auch nur in Anwendung von § 242 BGB (Treu und Glauben) zu einem fristwahrenden Zugang der Kündigung gelangen. Es gibt schon in der bisherigen Rechtsprechung auch andere Entscheidungen, die über Treu und Glauben einen Briefzugang fingiert haben (vgl. insofern Palandt-Heinrichs, BGB, § 130 Rdn. 18). Das z. B. dann, wenn ein Vertragsgegner bewußt einen Briefzugang verhindert (kein Briefkasten vorhanden, Briefschlitz zugeklebt u. dgl.). Das mag in einem Fall wie dem vorliegenden auch dann angenommen werden können, wenn z. B. dem Vermieter beweisbar vorher angekündigt worden ist, ihm werde in Kürze die schriftliche Kündigung zugehen. Findet dann der Vermieter eine Benachrichtigung über eine fehlgeschlagene Einschreibenzustellung vor, kann von ihm erwartet werden, daß er im angemessenen zeitlichen Zusammenhang den Brief bei der Post abholt. Im vorliegenden Fall war dazu aber nichts ersichtlich. Der Vermieter, der zudem auch noch weitere Mietverhältnisse mit anderen Mietern hatte, konnte aus dem Benachrichtigungszettel nichts weiter entnehmen. Er wußte nur von seiner unwirksamen Eigenbedarfskündigung. Daraus zu schließen, daß der bei der Post lagernde Einschreibebrief nunmehr die Kündigung des entsprechenden Mieters enthalte, erscheint sehr weit hergeholt.
Tip: Wer sicherstellen will, daß - abgesehen vom förmlichen Zustellungsverfahren nach der ZPO - ein fristwahrendes Schreiben rechtzeitig bei seinem Gegner eingeht, sollte in Zeugengegenwart das entsprechende Schreiben in das Briefkuvert stecken, sich sodann mit dem Zeugen zum Zustellungsempfänger begeben und dort den Brief in den Postkasten werfen. Dann kann ggf. in einem späteren Rechtsstreit durch Zeugenvernehmung festgestellt werden, daß das ganz bestimmte Schreiben zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist. Klaus Schach
LG Freiburg, Urteil vom 1. Juli 2004 - 3 S 317/03 - Wortlaut Seite 1232
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