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BGH UND OLGs klären viele Alltagskonflikte
Konflikte unter Nachbarn wegen Bäumen
26.08.2004 (GE 16/04, Seite 1008) Bäume wirken sich nicht nur auf das Baumgrundstück, sondern in unterschiedlicher Weise auch auf die benachbarten Grundstücke anderer Eigentümer aus, die die sich daraus ergebenden oder empfundenen Nachteile nicht immer hinnehmen wollen. Dann beginnen die Überlegungen, was geduldet werden muß oder ob eine Abhilfe verlangt werden kann. Dazu hat es in letzter Zeit eine Reihe von Urteilen des Bundesgerichtshofes und von Oberlandesgerichten gegeben, die recht informativ sind und in vielen Fällen weiterhelfen. Während es in den Abschnitten 1 bis 3 der nachfolgenden Darstellung um Einwirkungen durch über die Grenze ragende Zweige und um die Verschattung durch Bäume geht, beziehen sich die Abschnitte 4 bis 6 auf Einwirkungen durch Wurzeln auf Nachbargrundstücken.
1. Das Urteil des BGH vom 14. November 2003 - V ZR 102/03 (GE 2003 [23], 1537)
Generell muß danach davon ausgegangen werden, daß bei der Anpflanzung von Bäumen ein nach Baumart unterschiedlicher Grenzabstand einzuhalten ist. Die Einzelheiten sind im jeweiligen Landesnachbarrechtsgesetz geregelt. Wird der vorgeschriebene Grenzabstand nicht eingehalten, kann der Betroffene eine Korrektur verlangen; dies allerdings nicht beliebig lange. Die jeweilige Frist bestimmt das Landesnachbarrechtsgesetz; meistens kann der Anspruch nur fünf oder sechs Jahre nach dem Anpflanzen geltend gemacht werden. Wenn diese Frist verstrichen ist, ist der Baumeigentümer auch nicht verpflichtet, die Bäume auf eine bestimmte, sich aus dem Nachbarrechtsgesetz ergebende Höhe zurückzuschneiden.
Jedoch kann das gesetzlich nicht geregelte sogenannte nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, das von der Rechtsprechung entwickelt worden ist, ausnahmsweise zu einem anderen Ergebnis führen. Eine solche Ausnahme kommt aber nur in Frage, wenn der Nachbar wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt und die Kürzung dem Baumeigentümer zumutbar ist.
Neben dem Landesnachbarrechtsgesetz kann aber auch § 1004 BGB eine Rechtsgrundlage für einen nachbarrechtlichen Anspruch sein, z. B. wenn Zweige eines Baumes, der vor längerer Zeit zu nahe an der Grenze gepflanzt worden ist, auf das Nachbargrundstück hinüberragt. Dafür muß aber eine Beeinträchtigung vorliegen, was sich nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen bestimmt, sondern nach der objektiven Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes fehlt es daran, wenn ein Zweig in etwa 5 m Höhe 40 cm auf das fremde Grundstück hinüberragt. Auch kann wegen des Vorhandenseins weiterer Bäume beiderseits der Grenze eine Beeinträchtigung ausgeschlossen sein.
Wenn schon nicht das Zurückschneiden von über die Grenze herüberragenden Zweigen erreicht werden kann, taucht die Frage auf, ob der Betroffene für den erhöhten Reinigungsaufwand seines Grundstücks einen nachbarlichen Ausgleichsanspruch geltend machen kann. Voraussetzung dafür ist, daß die Einwirkung die ortsübliche Nutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dabei wird einfach eine Verantwortlichkeit des Baumeigentümers unterstellt, obgleich es sich um natürliche Auswirkungen des Baumes handelt, was aber zu einer Sicherungspflicht führen könne. Ob dies im Einzelfall zutrifft, ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes anhand der konkreten Umstände zu prüfen. Entscheidend soll sein, ob der Bewuchs mit seinen natürlichen Auswirkungen ordnungsgemäßer Grundstücksbewirtschaftung und dem Gebot der Rücksichtnahme entspricht. In dem konkreten Fall war entscheidend, daß der Baum einen Standort hatte, der nicht den Grenzabstandsvorschriften entsprach, was nach Auffassung des Bundesgerichtshofes eine nicht ordnungsgemäße Bewirtschaftung darstellte, so daß der Ausgleichsanspruch für den Reinigungsaufwand als begründet angesehen wurde.
2. Das Urteil des BGH vom 6. Februar 2004 - V ZR 249/03
Auch in diesem Verfahren verneint der Bundesgerichtshof den Anspruch des Nachbarn auf ein Zurückschneiden von hohen Bäumen, wenn er es unterlassen hat, diesen Anspruch rechtzeitig nach dem Landesnachbarrechtsgesetz geltend zu machen. Trotzdem meint das Gericht, daß ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben ein Zurückschneiden des Baumes auf eine den Interessen der Parteien gerecht werdende Höhe geduldet werden muß, auch wenn die Frist, die für den Anspruch auf Herstellung des gesetzlichen Grenzabstandes nach dem Landesnachbarrechtsgesetz gilt, abgelaufen ist.
3. Der Beschluß des OLG Köln vom 3. September 2003 - 19 U 120/03
In diesem Verfahren ging es einem Eigentümer darum, einen durch eine Baumsatzung geschützten Baum gegen begonnene Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück zu schützen. Er erreichte eine einstweilige Verfügung, die dem Bauherrn aufgab, Erdarbeiten im Kronentraufbereich zu unterlassen. Da die Einwirkungen auf den Baum nach der Baumschutzsatzung verboten und damit widerrechtlich waren, waren sie aus der Sicht des Gerichts auch im Verhältnis der Nachbarn widerrechtlich.
4. Das Urteil des OLG Zweibrücken vom 12. Juni 2003 - 4 U 26/02
Eindeutig heißt es in dieser Entscheidung: „Wer auf seinem Grundstück Bäume anpflanzt, deren Wurzeln in die Abwasserleitung eines benachbarten Grundstücks eindringen und dieselbe verstopfen, beeinträchtigt das Eigentum des Grundstücknachbarn. Er ist deshalb zur Beseitigung verpflichtet.„ In dem konkreten Fall bestätigte der Nachbar die Störung seines Eigentums selbst, so daß er eine Erstattung seiner Aufwendungen beanspruchen konnte.
Für das Gericht lag es im Risikobereich des Baumeigentümers, Pflanzungen vorzunehmen, die zu Wurzeleinwachsungen in einen Kanal führen.
5. Das Urteil des BGH vom 28. November 2003 - V ZR 99/03 (GE 2004 [3], 177)
Wenngleich jedem Grundstückseigentümer gemäß § 910 BGB selbst die Befugnis zusteht, Wurzeln zu entfernen, die vom Nachbargrundstück herüberkommen, ist er zu einem solchen Tätigwerden nicht verpflichtet; ihm steht die Alternative zu, den Beseitigungsanspruch geltend zu machen.
Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes ist im Einzelfall entscheidend, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks in ordnungsgemäßem Rahmen halte. So wäre die Störereigenschaft des Eigentümers eines Baumes, dessen Wurzeln in das Nachbargrundstück hinüberwachsen, zu bejahen. Allerdings hat der Betroffene die Duldung hinzunehmen, wenn keine Beeinträchtigung vorliegt.
6. Das Urteil des BGH vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03 (GE 2004 [7], 418)
Nur 0,75 m von einer unmittelbar an der Grenze errichteten Garage stand eine 17,5 m hohe Rotfichte, deren Wurzelwerk Druck auf die Garagenwand ausübte, so daß es zu Schäden am Mauerwerk gekommen war, was eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellte. Den Eigentümer des störenden Grundstücks traf eine Sicherungspflicht, weil sich die Nutzung seines Grundstücks nicht im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hielt. Der Baum wurde unter Verletzung der landesrechtlichen Bestimmungen zum Grenzabstand unterhalten. So wurde der Baumeigentümer zur Entfernung der Rotfichte verurteilt, weil keine Alternative in Betracht kam.
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Generell muß danach davon ausgegangen werden, daß bei der Anpflanzung von Bäumen ein nach Baumart unterschiedlicher Grenzabstand einzuhalten ist. Die Einzelheiten sind im jeweiligen Landesnachbarrechtsgesetz geregelt. Wird der vorgeschriebene Grenzabstand nicht eingehalten, kann der Betroffene eine Korrektur verlangen; dies allerdings nicht beliebig lange. Die jeweilige Frist bestimmt das Landesnachbarrechtsgesetz; meistens kann der Anspruch nur fünf oder sechs Jahre nach dem Anpflanzen geltend gemacht werden. Wenn diese Frist verstrichen ist, ist der Baumeigentümer auch nicht verpflichtet, die Bäume auf eine bestimmte, sich aus dem Nachbarrechtsgesetz ergebende Höhe zurückzuschneiden.
Jedoch kann das gesetzlich nicht geregelte sogenannte nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, das von der Rechtsprechung entwickelt worden ist, ausnahmsweise zu einem anderen Ergebnis führen. Eine solche Ausnahme kommt aber nur in Frage, wenn der Nachbar wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt und die Kürzung dem Baumeigentümer zumutbar ist.
Neben dem Landesnachbarrechtsgesetz kann aber auch § 1004 BGB eine Rechtsgrundlage für einen nachbarrechtlichen Anspruch sein, z. B. wenn Zweige eines Baumes, der vor längerer Zeit zu nahe an der Grenze gepflanzt worden ist, auf das Nachbargrundstück hinüberragt. Dafür muß aber eine Beeinträchtigung vorliegen, was sich nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen bestimmt, sondern nach der objektiven Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes fehlt es daran, wenn ein Zweig in etwa 5 m Höhe 40 cm auf das fremde Grundstück hinüberragt. Auch kann wegen des Vorhandenseins weiterer Bäume beiderseits der Grenze eine Beeinträchtigung ausgeschlossen sein.
Wenn schon nicht das Zurückschneiden von über die Grenze herüberragenden Zweigen erreicht werden kann, taucht die Frage auf, ob der Betroffene für den erhöhten Reinigungsaufwand seines Grundstücks einen nachbarlichen Ausgleichsanspruch geltend machen kann. Voraussetzung dafür ist, daß die Einwirkung die ortsübliche Nutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dabei wird einfach eine Verantwortlichkeit des Baumeigentümers unterstellt, obgleich es sich um natürliche Auswirkungen des Baumes handelt, was aber zu einer Sicherungspflicht führen könne. Ob dies im Einzelfall zutrifft, ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes anhand der konkreten Umstände zu prüfen. Entscheidend soll sein, ob der Bewuchs mit seinen natürlichen Auswirkungen ordnungsgemäßer Grundstücksbewirtschaftung und dem Gebot der Rücksichtnahme entspricht. In dem konkreten Fall war entscheidend, daß der Baum einen Standort hatte, der nicht den Grenzabstandsvorschriften entsprach, was nach Auffassung des Bundesgerichtshofes eine nicht ordnungsgemäße Bewirtschaftung darstellte, so daß der Ausgleichsanspruch für den Reinigungsaufwand als begründet angesehen wurde.
2. Das Urteil des BGH vom 6. Februar 2004 - V ZR 249/03
Auch in diesem Verfahren verneint der Bundesgerichtshof den Anspruch des Nachbarn auf ein Zurückschneiden von hohen Bäumen, wenn er es unterlassen hat, diesen Anspruch rechtzeitig nach dem Landesnachbarrechtsgesetz geltend zu machen. Trotzdem meint das Gericht, daß ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben ein Zurückschneiden des Baumes auf eine den Interessen der Parteien gerecht werdende Höhe geduldet werden muß, auch wenn die Frist, die für den Anspruch auf Herstellung des gesetzlichen Grenzabstandes nach dem Landesnachbarrechtsgesetz gilt, abgelaufen ist.
3. Der Beschluß des OLG Köln vom 3. September 2003 - 19 U 120/03
In diesem Verfahren ging es einem Eigentümer darum, einen durch eine Baumsatzung geschützten Baum gegen begonnene Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück zu schützen. Er erreichte eine einstweilige Verfügung, die dem Bauherrn aufgab, Erdarbeiten im Kronentraufbereich zu unterlassen. Da die Einwirkungen auf den Baum nach der Baumschutzsatzung verboten und damit widerrechtlich waren, waren sie aus der Sicht des Gerichts auch im Verhältnis der Nachbarn widerrechtlich.
4. Das Urteil des OLG Zweibrücken vom 12. Juni 2003 - 4 U 26/02
Eindeutig heißt es in dieser Entscheidung: „Wer auf seinem Grundstück Bäume anpflanzt, deren Wurzeln in die Abwasserleitung eines benachbarten Grundstücks eindringen und dieselbe verstopfen, beeinträchtigt das Eigentum des Grundstücknachbarn. Er ist deshalb zur Beseitigung verpflichtet.„ In dem konkreten Fall bestätigte der Nachbar die Störung seines Eigentums selbst, so daß er eine Erstattung seiner Aufwendungen beanspruchen konnte.
Für das Gericht lag es im Risikobereich des Baumeigentümers, Pflanzungen vorzunehmen, die zu Wurzeleinwachsungen in einen Kanal führen.
5. Das Urteil des BGH vom 28. November 2003 - V ZR 99/03 (GE 2004 [3], 177)
Wenngleich jedem Grundstückseigentümer gemäß § 910 BGB selbst die Befugnis zusteht, Wurzeln zu entfernen, die vom Nachbargrundstück herüberkommen, ist er zu einem solchen Tätigwerden nicht verpflichtet; ihm steht die Alternative zu, den Beseitigungsanspruch geltend zu machen.
Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes ist im Einzelfall entscheidend, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks in ordnungsgemäßem Rahmen halte. So wäre die Störereigenschaft des Eigentümers eines Baumes, dessen Wurzeln in das Nachbargrundstück hinüberwachsen, zu bejahen. Allerdings hat der Betroffene die Duldung hinzunehmen, wenn keine Beeinträchtigung vorliegt.
6. Das Urteil des BGH vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03 (GE 2004 [7], 418)
Nur 0,75 m von einer unmittelbar an der Grenze errichteten Garage stand eine 17,5 m hohe Rotfichte, deren Wurzelwerk Druck auf die Garagenwand ausübte, so daß es zu Schäden am Mauerwerk gekommen war, was eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellte. Den Eigentümer des störenden Grundstücks traf eine Sicherungspflicht, weil sich die Nutzung seines Grundstücks nicht im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hielt. Der Baum wurde unter Verletzung der landesrechtlichen Bestimmungen zum Grenzabstand unterhalten. So wurde der Baumeigentümer zur Entfernung der Rotfichte verurteilt, weil keine Alternative in Betracht kam.
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Autor: RA Dr. Franz Otto, Witten