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Folgen einer Mieterhöhung mit falscher Flächenangabe
Gezahlte Miete kann teilweise zurückverlangt werden - aber manchmal erhöht sie sich auch
26.08.2004 (GE 16/04, Seite 998) Wohnflächenabweichungen von mehr als 10 % gegenüber den Angaben im Mietvertrag begründen nicht nur einen Anspruch des Mieters auf Mietminderung (BGH GE 2004, 663, 682 ff.), sondern auch einen Anspruch auf Mietrückzahlung, wenn der Mieter einer Mieterhöhung auf der Basis einer höheren als der tatsächlichen Wohnfläche zugestimmt hat. Begrenzt ist der Rückforderungsanspruch durch die (jetzt) dreijährige Verjährungsfrist. Die neue BGH-Wohnflächenrechtsprechung kann allerdings dem Mieter auch zum Nachteil gereichen und zu einer höheren Miete führen, weil die ortsübliche Miete für kleinere Wohnungen im Regelfall höher ist.
Der Fall: In dem seit Juli 1978 bestehenden Mietverhältnis war die Wohnfläche im Mietvertrag sogar überhaupt nicht angegeben. Die Miete wurde mehrfach erhöht. Per März 1995 stimmte der Mieter einer Anhebung der Miete bei einer Wohnungsgröße von 100 m2 zu und zahlte auch die erhöhte Miete. Ab 1. März 1998 erteilte er abermals die Zustimmung zur Mieterhöhung und zahlte auch hier. Anschließend stellte sich heraus, daß die Wohnung nicht 100 m2, sondern nur 87,63 m2 groß war. Der Mieter verlangte nun Rückzahlung des seiner Ansicht nach zuviel gezahlten Mietzinses für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 31. Januar 2001. Ab Februar 2002 entrichtete er nur noch eine der tatsächlichen Wohnfläche entsprechende niedrigere Miete.
Die Entscheidung: Nach Ansicht des BGH steht dem Mieter unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ein Mietrückzahlungsanspruch zu. Bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete sei nicht die im Erhöhungsverlangen zugrunde gelegte Wohnfläche, sondern die tatsächliche, geringere Größe der Wohnung maßgeblich, wenn es sich um eine erhebliche Abweichung handelt. Hierzu zieht der VIII. Zivilsenat des BGH seine Entscheidung vom 24. März 2004 (GE 2004, 682), in der die Wesentlichkeitsgrenze mit 10 % festgelegt wird, heran. Diese Grundsätze seien auch für den Fall heranzuziehen, wenn im Mietvertrag eine bestimmte Wohnfläche nicht aufgeführt sei. Denn die Mieterhöhung nach § 558 BGB solle es dem Vermieter ermöglichen, eine am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen. Werde der Berechnung eine zu große Wohnfläche zugrunde gelegt, so könnte der Vermieter damit einen Mietzins erzielen, der über der ortsüblichen Miete für vergleichbare Wohnungen läge.
Der BGH läßt es dahinstehen, ob ein Mieterhöhungsverlangen, das irrtümlich eine zu große Wohnfläche angebe, bereits formell unwirksam ist. Gehe man von einer formellen Wirksamkeit des Verlangens aus und stimme der Mieter diesem Verlangen in Unkenntnis der wahren Wohnungsgröße zu, so unterlägen die Mietvertragsparteien einem gemeinsamen Kalkulationsirrtum, der nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu behandeln sei. Dem Mieter sei ein Festhalten an der Vereinbarung nicht zumutbar, während dem Vermieter ein Abgehen von dem Vereinbarten angesonnen werden könne. Eine Anpassung bei Dauerschuldverhältnissen komme regelmäßig allerdings nur für die Zukunft in Betracht. Hier sei jedoch ausnahmsweise eine Rückwirkung geboten. Die Anpassung des Mietzinses sei nach § 242 BGB anhand der tatsächlichen Wohnungsgröße und des in dem Mieterhöhungsverlangen angegebenen Mietpreises pro m2 vorzunehmen.
Sei das Mieterhöhungsverlangen schon wegen der falschen Wohnflächenangabe formell unwirksam, so sei eine Mieterhöhung überhaupt nicht wirksam vereinbart worden. Das gelte auch dann, wenn in der Zustimmung eine wirksame Vereinbarung über eine Mieterhöhung gesehen werde (§ 10 Abs. 1 MHG, jetzt § 557 BGB). Der Rückzahlungsanspruch unterliege jedoch der regelmäßigen Verjährung, die für den vorliegenden Fall noch vier Jahre betrug.
Anmerkung: Man ist sich in Literatur und Rechtsprechung darüber einig, daß es bei Betriebskostenabrechnungen und Mieterhöhungsverlangen grundsätzlich auf die tatsächliche, nicht auf die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche ankommt. Davon geht auch der BGH aus, führt hier jedoch eine mißverständliche Einschränkung an, die tatsächliche, geringere Wohnfläche sei (nur) dann maßgeblich, wenn es sich um eine erhebliche Abweichung handelt, die die Grenze von 10 % übersteige (vgl. sogenannte Wohnflächenrechtsprechung des VIII. Senats vom 24. März 2004 = GE 2004, 680, 682, 683). Es ist schwerlich vorstellbar, daß der BGH bei Wohnflächenabweichungen von bis zu 10 % annehmen will, daß der Mieter verpflichtet sei, einer Mieterhöhung auf der Grundlage einer bis zu 10 % die tatsächliche Fläche übersteigenden Wohnungsgröße zuzustimmen - zumal in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem im Mietvertrag überhaupt keine Wohnungsgröße angegeben war. Die Ausführungen des BGH sind vielmehr nach hiesiger Einschätzung auf das Problem der Rückforderung von Mietzahlungen nach erfolgter Zustimmung durch den Mieter zu beschränken.
Um es zusammenzufassen: Der Mieter muß nur einem Mieterhöhungsverlangen zustimmen, das von der tatsächlichen Wohnfläche ausgeht.
Im vorliegenden Fall des BGH hatte der Mieter (offenbar nicht nur in den zwei angegebenen Fällen, sondern schon früher seit Mietvertragsabschluß im Jahre 1978) einer Mieterhöhung zugestimmt. Die Zustimmung bedeutet eine Mietvertragsänderung, an die die Mietvertragsparteien nach dem schönen Satz „pacta sunt servanda„ gebunden sind. Nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen kann man sich von seiner Willenserklärung lösen, so zum Beispiel durch Anfechtung nach § 119 BGB und nach arglistiger Täuschung nach § 123 BGB. Mit der Einführung der Schuldrechtsreform gibt es jetzt mit § 313 BGB die Möglichkeit der Anpassung von Verträgen nach Störung der Geschäftsgrundlage. Hierbei handelt es sich um kodifizierte bisherige Rechtsprechung, die aber immer unter der Prämisse von schwerwiegenden Äquivalenzstörungen im Vertragsverhältnis steht. Vorliegend nimmt der BGH schon bei Überschreitung der 10-%-Grenze einen gemeinsamen Kalkulationsirrtum an und legt damit eine recht niedrige Schwelle im Verhältnis zu den sonstigen Fällen des § 313 BGB.
Im vorliegenden Fall ging es um Zustimmungen des Mieters zum Mieterhöhungsverlangen. Es stellt sich jedoch sogleich die Frage, ob hierunter auch der Fall fällt, wenn ein Gericht durch rechtskräftiges Urteil den verklagten Mieter zur Zustimmung verurteilt. Das ersetzt allerdings nur die fehlende (freiwillige) Zustimmung des Mieters als Vertragspartner. Entscheidend bleibt, daß die (erzwungene) Zustimmung des Mieters zur Vertragsänderung führt, so daß in der Konsequenz auch hier der Wegfall der Geschäftsgrundlage greifen kann, eine Durchbrechung der Rechtskraft nicht im Raume steht.
Die „Ausuferung“ der Grundsätze von Treu und Glauben wird durch den BGH dahin fortgesetzt, daß hier nicht nur eine Anpassung ex nunc, sondern mit Rückwirkung ex tunc angenommen wird.
Der BGH will die tatsächliche Wohnfläche berücksichtigen, bleibt aber für den Ansatz der ortsüblichen Vergleichsmiete bei dem Preis pro m2, der im Mieterhöhungsverlangen genannt worden war. Das kann im Einzelfall fragwürdig sein, weil der Preis pro m2 auch von der Wohnungsgröße abhängt.
In dem BGH-Fall hatte die Zustimmung des Mieters bei der im Mieterhöhungsverlangen angegebenen Wohnungsgröße von 100 m2 und einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 10,81 DM zu einer neuen Miethöhe von 1.081 DM geführt. Der BGH errechnet bei einer tatsächlichen Wohnungsgröße von 87,63 m2 und der im Mieterhöhungsverlangen angenommenen ortsüblichen Vergleichsmiete von 10,81 DM eine neue Miete von 947,28 DM. Der Rückforderungsanspruch betrug also 133,72 DM/mtl.
Das folgende Rechenbeispiel zeigt den Einfluß der Wohnungsgröße auf die ortsübliche Vergleichsmiete je m2:
Der Berliner Mietspiegel 2000 für die westlichen Bezirke (ohne West-Staaken) ergibt bei einer über 90 m2 großen Wohnung im Feld J (einfache Wohnlage) als obersten Spannenwert einen Preis von 4,71 E. Bei einer Wohnungsgröße von 100 m2 hätte dies nach Zustimmung durch den Mieter zu einer neuen Miete von 471 E geführt. Rechnet man nun wie der BGH mit der tatsächlichen Wohnungsgröße und der im Mieterhöhungsverlangen angegebenen ortsüblichen Vergleichsmiete pro Quadratmeter, kommt man auf eine neue Miete von 412,73 E, mithin zu einem Rückforderungsanspruch von 58,27 E.
Laut Berliner Mietspiegel 2000 beträgt nach Feld G die ortsübliche Vergleichsmiete pro Quadratmeter bei einer Wohnung von 60 bis unter 90 m2 in der obersten Spanne 5,51 E. Die neue Miete bezogen auf die tatsächliche Wohnungsgröße würde dann 482,84 E betragen, mithin um 11,84 E höher als die Miete sein, der der Mieter zugestimmt hätte. Ein Rückforderungsanspruch wäre unter diesen Umständen schwerlich zu konstruieren.
Der BGH läßt die Frage dahinstehen, ob das Mieterhöhungsverlangen mit fehlerhafter Wohnfläche formell wirksam oder unwirksam ist. Nach hiesiger Einschätzung neigt der BGH allerdings offenbar dazu, das Mieterhöhungsverlangen bis zur richtigen Wohnungsgröße als wirksam anzusehen. Denn in diesem Zusammenhang wird seine Entscheidung vom 12. November 2003 - VIII ZR 52/03 (GE 2004, 232 = NJW 2004, 1379) zitiert, in dem es auch um ein Mieterhöhungsverlangen auf die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 558 BGB ging. Würde man von der formellen Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens ausgehen, würde sich die Frage einer vereinbarten Mieterhöhung nach § 557 BGB stellen, die allerdings auch wieder durch den gemeinsamen Kalkulationsirrtum teilweise entfallen würde.
Neben den Ausführungen des BGH zur Wohnflächenproblematik enthält das Urteil eine nicht unerhebliche prozessuale Komponente im Rahmen der Verjährung (deren Frist jetzt mit der Schuldrechtsreform drei Jahre beträgt). Es geht um die Problematik, wann und unter welchen Voraussetzungen die eingereichte Klage den Eintritt der Verjährung hindert, wenn die Zustellung der Klage demnächst erfolgt (§§ 167, 270 a. F. ZPO). Eine Zustellung demnächst (nach Verjährungsfristablauf) kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn sich eine Zustellung nicht aufgrund des Verhaltens des Gläubigers verzögert. Hierzu hatte man bisher eine Zustellungsverzögerung über zwei Wochen als unschädlich angesehen. Das LG Berlin neigte inzwischen jedoch dazu, einen Zeitraum von einem Monat als noch hinnehmbar anzusehen (vgl. dazu LG Berlin, ZK 63, GE 2004, 692 mit Anmerkung Schach S. 671). Dem erteilt der BGH jetzt unter Hinweis auf seine alte Rechtsprechung eine Absage, bleibt bei einer Verzögerung von zwölf bis 14 Tagen und hält eine Fristüberschreitung von 29 Tagen nicht mehr für geringfügig. Das heißt auch für das Problem der unverzüglichen Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses zur Zustellung der Klage, daß dieser bis spätestens 14 Tage nach Aufforderung bei Gericht eingegangen sein muß. Für den BGH-Fall galt verjährungsrechtlich noch die bisherige Regelung vor der Schuldrechtsreform der §§ 197, 201 BGB. Nunmehr gilt die dreijährige Regelverjährungszeit. In diesem Zusammenhang sind die Übergangsregelungen nach Art. 229 § 6 EGBGB zu beachten. Dazu wird auf Schach (GE 2002, 1544 f.) Bezug genommen. Klaus Schach
BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 - VIII ZR 192/03 - Wortlaut Seite 1021
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Die Entscheidung: Nach Ansicht des BGH steht dem Mieter unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ein Mietrückzahlungsanspruch zu. Bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete sei nicht die im Erhöhungsverlangen zugrunde gelegte Wohnfläche, sondern die tatsächliche, geringere Größe der Wohnung maßgeblich, wenn es sich um eine erhebliche Abweichung handelt. Hierzu zieht der VIII. Zivilsenat des BGH seine Entscheidung vom 24. März 2004 (GE 2004, 682), in der die Wesentlichkeitsgrenze mit 10 % festgelegt wird, heran. Diese Grundsätze seien auch für den Fall heranzuziehen, wenn im Mietvertrag eine bestimmte Wohnfläche nicht aufgeführt sei. Denn die Mieterhöhung nach § 558 BGB solle es dem Vermieter ermöglichen, eine am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen. Werde der Berechnung eine zu große Wohnfläche zugrunde gelegt, so könnte der Vermieter damit einen Mietzins erzielen, der über der ortsüblichen Miete für vergleichbare Wohnungen läge.
Der BGH läßt es dahinstehen, ob ein Mieterhöhungsverlangen, das irrtümlich eine zu große Wohnfläche angebe, bereits formell unwirksam ist. Gehe man von einer formellen Wirksamkeit des Verlangens aus und stimme der Mieter diesem Verlangen in Unkenntnis der wahren Wohnungsgröße zu, so unterlägen die Mietvertragsparteien einem gemeinsamen Kalkulationsirrtum, der nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu behandeln sei. Dem Mieter sei ein Festhalten an der Vereinbarung nicht zumutbar, während dem Vermieter ein Abgehen von dem Vereinbarten angesonnen werden könne. Eine Anpassung bei Dauerschuldverhältnissen komme regelmäßig allerdings nur für die Zukunft in Betracht. Hier sei jedoch ausnahmsweise eine Rückwirkung geboten. Die Anpassung des Mietzinses sei nach § 242 BGB anhand der tatsächlichen Wohnungsgröße und des in dem Mieterhöhungsverlangen angegebenen Mietpreises pro m2 vorzunehmen.
Sei das Mieterhöhungsverlangen schon wegen der falschen Wohnflächenangabe formell unwirksam, so sei eine Mieterhöhung überhaupt nicht wirksam vereinbart worden. Das gelte auch dann, wenn in der Zustimmung eine wirksame Vereinbarung über eine Mieterhöhung gesehen werde (§ 10 Abs. 1 MHG, jetzt § 557 BGB). Der Rückzahlungsanspruch unterliege jedoch der regelmäßigen Verjährung, die für den vorliegenden Fall noch vier Jahre betrug.
Anmerkung: Man ist sich in Literatur und Rechtsprechung darüber einig, daß es bei Betriebskostenabrechnungen und Mieterhöhungsverlangen grundsätzlich auf die tatsächliche, nicht auf die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche ankommt. Davon geht auch der BGH aus, führt hier jedoch eine mißverständliche Einschränkung an, die tatsächliche, geringere Wohnfläche sei (nur) dann maßgeblich, wenn es sich um eine erhebliche Abweichung handelt, die die Grenze von 10 % übersteige (vgl. sogenannte Wohnflächenrechtsprechung des VIII. Senats vom 24. März 2004 = GE 2004, 680, 682, 683). Es ist schwerlich vorstellbar, daß der BGH bei Wohnflächenabweichungen von bis zu 10 % annehmen will, daß der Mieter verpflichtet sei, einer Mieterhöhung auf der Grundlage einer bis zu 10 % die tatsächliche Fläche übersteigenden Wohnungsgröße zuzustimmen - zumal in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem im Mietvertrag überhaupt keine Wohnungsgröße angegeben war. Die Ausführungen des BGH sind vielmehr nach hiesiger Einschätzung auf das Problem der Rückforderung von Mietzahlungen nach erfolgter Zustimmung durch den Mieter zu beschränken.
Um es zusammenzufassen: Der Mieter muß nur einem Mieterhöhungsverlangen zustimmen, das von der tatsächlichen Wohnfläche ausgeht.
Im vorliegenden Fall des BGH hatte der Mieter (offenbar nicht nur in den zwei angegebenen Fällen, sondern schon früher seit Mietvertragsabschluß im Jahre 1978) einer Mieterhöhung zugestimmt. Die Zustimmung bedeutet eine Mietvertragsänderung, an die die Mietvertragsparteien nach dem schönen Satz „pacta sunt servanda„ gebunden sind. Nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen kann man sich von seiner Willenserklärung lösen, so zum Beispiel durch Anfechtung nach § 119 BGB und nach arglistiger Täuschung nach § 123 BGB. Mit der Einführung der Schuldrechtsreform gibt es jetzt mit § 313 BGB die Möglichkeit der Anpassung von Verträgen nach Störung der Geschäftsgrundlage. Hierbei handelt es sich um kodifizierte bisherige Rechtsprechung, die aber immer unter der Prämisse von schwerwiegenden Äquivalenzstörungen im Vertragsverhältnis steht. Vorliegend nimmt der BGH schon bei Überschreitung der 10-%-Grenze einen gemeinsamen Kalkulationsirrtum an und legt damit eine recht niedrige Schwelle im Verhältnis zu den sonstigen Fällen des § 313 BGB.
Im vorliegenden Fall ging es um Zustimmungen des Mieters zum Mieterhöhungsverlangen. Es stellt sich jedoch sogleich die Frage, ob hierunter auch der Fall fällt, wenn ein Gericht durch rechtskräftiges Urteil den verklagten Mieter zur Zustimmung verurteilt. Das ersetzt allerdings nur die fehlende (freiwillige) Zustimmung des Mieters als Vertragspartner. Entscheidend bleibt, daß die (erzwungene) Zustimmung des Mieters zur Vertragsänderung führt, so daß in der Konsequenz auch hier der Wegfall der Geschäftsgrundlage greifen kann, eine Durchbrechung der Rechtskraft nicht im Raume steht.
Die „Ausuferung“ der Grundsätze von Treu und Glauben wird durch den BGH dahin fortgesetzt, daß hier nicht nur eine Anpassung ex nunc, sondern mit Rückwirkung ex tunc angenommen wird.
Der BGH will die tatsächliche Wohnfläche berücksichtigen, bleibt aber für den Ansatz der ortsüblichen Vergleichsmiete bei dem Preis pro m2, der im Mieterhöhungsverlangen genannt worden war. Das kann im Einzelfall fragwürdig sein, weil der Preis pro m2 auch von der Wohnungsgröße abhängt.
In dem BGH-Fall hatte die Zustimmung des Mieters bei der im Mieterhöhungsverlangen angegebenen Wohnungsgröße von 100 m2 und einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 10,81 DM zu einer neuen Miethöhe von 1.081 DM geführt. Der BGH errechnet bei einer tatsächlichen Wohnungsgröße von 87,63 m2 und der im Mieterhöhungsverlangen angenommenen ortsüblichen Vergleichsmiete von 10,81 DM eine neue Miete von 947,28 DM. Der Rückforderungsanspruch betrug also 133,72 DM/mtl.
Das folgende Rechenbeispiel zeigt den Einfluß der Wohnungsgröße auf die ortsübliche Vergleichsmiete je m2:
Der Berliner Mietspiegel 2000 für die westlichen Bezirke (ohne West-Staaken) ergibt bei einer über 90 m2 großen Wohnung im Feld J (einfache Wohnlage) als obersten Spannenwert einen Preis von 4,71 E. Bei einer Wohnungsgröße von 100 m2 hätte dies nach Zustimmung durch den Mieter zu einer neuen Miete von 471 E geführt. Rechnet man nun wie der BGH mit der tatsächlichen Wohnungsgröße und der im Mieterhöhungsverlangen angegebenen ortsüblichen Vergleichsmiete pro Quadratmeter, kommt man auf eine neue Miete von 412,73 E, mithin zu einem Rückforderungsanspruch von 58,27 E.
Laut Berliner Mietspiegel 2000 beträgt nach Feld G die ortsübliche Vergleichsmiete pro Quadratmeter bei einer Wohnung von 60 bis unter 90 m2 in der obersten Spanne 5,51 E. Die neue Miete bezogen auf die tatsächliche Wohnungsgröße würde dann 482,84 E betragen, mithin um 11,84 E höher als die Miete sein, der der Mieter zugestimmt hätte. Ein Rückforderungsanspruch wäre unter diesen Umständen schwerlich zu konstruieren.
Der BGH läßt die Frage dahinstehen, ob das Mieterhöhungsverlangen mit fehlerhafter Wohnfläche formell wirksam oder unwirksam ist. Nach hiesiger Einschätzung neigt der BGH allerdings offenbar dazu, das Mieterhöhungsverlangen bis zur richtigen Wohnungsgröße als wirksam anzusehen. Denn in diesem Zusammenhang wird seine Entscheidung vom 12. November 2003 - VIII ZR 52/03 (GE 2004, 232 = NJW 2004, 1379) zitiert, in dem es auch um ein Mieterhöhungsverlangen auf die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 558 BGB ging. Würde man von der formellen Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens ausgehen, würde sich die Frage einer vereinbarten Mieterhöhung nach § 557 BGB stellen, die allerdings auch wieder durch den gemeinsamen Kalkulationsirrtum teilweise entfallen würde.
Neben den Ausführungen des BGH zur Wohnflächenproblematik enthält das Urteil eine nicht unerhebliche prozessuale Komponente im Rahmen der Verjährung (deren Frist jetzt mit der Schuldrechtsreform drei Jahre beträgt). Es geht um die Problematik, wann und unter welchen Voraussetzungen die eingereichte Klage den Eintritt der Verjährung hindert, wenn die Zustellung der Klage demnächst erfolgt (§§ 167, 270 a. F. ZPO). Eine Zustellung demnächst (nach Verjährungsfristablauf) kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn sich eine Zustellung nicht aufgrund des Verhaltens des Gläubigers verzögert. Hierzu hatte man bisher eine Zustellungsverzögerung über zwei Wochen als unschädlich angesehen. Das LG Berlin neigte inzwischen jedoch dazu, einen Zeitraum von einem Monat als noch hinnehmbar anzusehen (vgl. dazu LG Berlin, ZK 63, GE 2004, 692 mit Anmerkung Schach S. 671). Dem erteilt der BGH jetzt unter Hinweis auf seine alte Rechtsprechung eine Absage, bleibt bei einer Verzögerung von zwölf bis 14 Tagen und hält eine Fristüberschreitung von 29 Tagen nicht mehr für geringfügig. Das heißt auch für das Problem der unverzüglichen Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses zur Zustellung der Klage, daß dieser bis spätestens 14 Tage nach Aufforderung bei Gericht eingegangen sein muß. Für den BGH-Fall galt verjährungsrechtlich noch die bisherige Regelung vor der Schuldrechtsreform der §§ 197, 201 BGB. Nunmehr gilt die dreijährige Regelverjährungszeit. In diesem Zusammenhang sind die Übergangsregelungen nach Art. 229 § 6 EGBGB zu beachten. Dazu wird auf Schach (GE 2002, 1544 f.) Bezug genommen. Klaus Schach
BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 - VIII ZR 192/03 - Wortlaut Seite 1021
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