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Neuer spektakulärer Erfolg für Haus & Grund Berlin
Deponierückstellungen um 200 Mio. EUR überhöht - BSR verrechnen mit Gebührenerhöhung ab 2005
26.08.2004 (GE 16/04, Seite 988) Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) mußten jetzt einräumen, daß sie deutlich überhöhte Rückstellungen für die Deponiesanierung vorgenommen hatten, die das Unternehmen jetzt auflöst und an die Kunden zurückgibt. Es handelt sich um rund 200 Millionen Euro. Haus & Grund Berlin hatte seit Jahren immer wieder kritisiert, die Rückstellungen seien um rund 250 Millionen Euro überhöht, ein neues Gutachten über die Höhe der notwendigen Rückstellungen und die Rückzahlung der nicht benötigten Beträge gefordert. Das jetzt vorgelegte neue Gutachten hat Haus & Grund Berlin fast uneingeschränkt bestätigt.
Das neue Gutachten wurde von Ernst & Young in Zusammenarbeit mit der AEW Plan GmbH und Econum Unternehmensberatung GmbH erstellt.
Auftrag an Ernst & Young war es, vor dem Hintergrund einer veränderten Rechtslage und technischer Fortschritte zu klären, ob die Rückstellungen in Höhe von 543,6 Mio. EUR (inklusive Verzinsung) ausreichen werden, um in den kommenden 40 Jahren die Deponien Schöneicher Plan, Schwanebeck und Wernsdorf ordnungsgemäß stillzulegen, zu sanieren und nachzusorgen. Dabei sollten alle Möglichkeiten zur Kostensenkung unter dem Ziel einer ordnungsgemäßen Deponiesanierung einbezogen werden. Das letzte Gutachten stammte aus dem Jahr 1996.
Aufgrund der technischen Bewertung sind die Gutachter der Auffassung, daß mit dem neuen Gutachten grundsätzlich alle relevanten Kostenbestandteile dem Grund nach erfaßt werden. Die Annahmen für die Dauer der Deponie-Stillegungsphase mit zehn Jahren und der Nachsorgephase mit 30 Jahren sind aus ihrer Sicht gerechtfertigt.
Die dem Gutachten zugrundeliegenden technischen Lösungen sowie Kostenansätze für Investitionen seien nachvollziehbar und grundsätzlich plausibel. Abweichend von bisherigen Planungsansätzen wurde in dem neuen Gutachten auf den aufwendigen Grundwasserschutz mit Dichtwänden für die Deponien Schwanebeck und Schöneicher Plan verzichtet, da auf Grund neuer Erkenntnisse eine konkrete Gefährdungssituation nicht gegeben erscheine, so daß eine Berücksichtigung in den Rückstellungen zum heutigen Zeitpunkt nicht angemessen sei.
In vier wesentlichen Punkten sehen die Gutachter zusätzlichen Anpassungsbedarf und haben die daraus resultierenden Änderungen in Abstimmung mit den BSR in die Kostenkalkulation eingearbeitet:
1. Für den Betrieb der Deponieentgasung wurden auf der Grundlage des wahrscheinlich im Sommer 2004 zu beschließenden Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und den damit verbundenen Einspeisevergütungen höhere Stromerlöse (50 Millionen Euro) angesetzt.
Dahinter scheint sich allerdings ein Managementfehler zu verbergen: Seit März 1999 betreiben die BSR auf der Deponie Schwanebeck ein Blockheizkraftwerk, das pro Stunde 2.800 m3 Deponiegas in Strom und Wärme umwandelt. Der Strom wird an die edis Nord AG verkauft, aber nur für einen Bruchteil des nach dem Energieeinspeisungsgesetz vorgesehenen Betrages. Den zu zahlen weigert sich edis, weil die BSR eine 100 %ige Landestochter sei. Das EEG sieht eine Vergütung nach diesem Gesetz aber nicht an Gesellschaften vor, die zu mehr als 25 % dem Bund oder einem Bundesland gehören. Die Prozesse gegen edis haben die BSR in den beiden ersten Instanzen verloren und Revision zum BGH eingelegt. Erst ab 1.7.2004 haben die BSR das Blockheizkraftwerk so privatisiert, daß das EEG anwendbar ist und höhere Erlöse fließen, die mit den Deponiekosten gegengerechnet werden können. Das hätte man schon früher haben können, wenn das Blockheizkraftwerk gleich privatisiert worden wäre.
2. Die Kostenansätze für die temporäre Abdeckung und die endgültige Deponieabdichtung wurden entsprechend der aktuellen Marktpreisentwicklung herabgesetzt. Auf den Deponien Schöneicher Plan und Schwanebeck müssen aus heutiger Sicht keine Dichtwände errichtet werden. Die Kostenersparnis beträgt rund 40 Mio. EUR. Regelmäßige langjährige Messungen und ein technisches Gutachten an beiden Standorten haben ergeben, daß eine Gefährdung des Grundwassers aus heutiger Sicht nicht zu erwarten ist.
3. Zusätzliche separate Sicherheitszuschläge halten die Gutachter nicht für angemessen, da etwaige Unsicherheiten bereits in den Einzelpositionen ausreichend berücksichtigt worden seien.
Im Ergebnis sei der Rückstellungsbedarf der BSR für die drei Deponien mit insgesamt 348,1 Mio. EUR zu bewerten.
Damit werde auch die angesammelte Verzinsung der Rückstellungen 1994 - 2002 in Höhe von rund 101 Mio. EUR wird nicht mehr benötigt. Die Verzinsung für die Jahre 2003 - 2004 war bereits in den aktuellen Tarifen gebührensenkend berücksichtigt worden. Ursprünglich hatten - kaum zu fassen - die BSR berücksichtigt, die Zinsen, die mit den von den Kunden bezahlten Deponierückstellungen erwirtschaftetet worden waren, sich selbst einzuverleiben und dem Eigenkapital zuzuführen, statt sie bei der Tarifkalkulation zugunsten der Kunden zu berücksichtigen!
Die zum 31. Dezember 2003 in der Handelsbilanz der BSR ausgewiesenen Rückstellungen für die Sanierung der drei Deponien inkl. Zinsen in Höhe von 543,6 Mio. EUR überschreiten damit den nach heutigem Kenntnisstand erforderlichen Bedarf um 195,5 Mio. EUR. Ohne Berücksichtigung der passivierten Zinserträge für die Jahre 1994 bis 2002 in Höhe von 101,4 Mio. EUR beträgt die auf Veränderungen der Planungsansätze zurückzuführende Differenz insgesamt 94,1 Mio. EUR.
Die Ergebnisse stellen sich zusammengefaßt wie folgt dar:
Die in der obigen Darstellung ausgewiesenen Beträge beziehen sich jeweils auf den 31. Dezember 2003. Auskunftsgemäß wird die BSR die Anpassung der handelsrechtlichen Rückstellung zum 31. Dezember 2004 vornehmen.
Die sich bis zu diesem Zeitpunkt ergebenden weiteren Änderungen aus der Zuführung der Rückstellung (entsprechend dem dann vorliegenden Verfüllungsstand) sowie Änderungen aus neuen Erkenntnissen bezüglich der Kostenansätze sind bei der Anpassung der Rückstellung im Jahresabschluß zum 31. Dezember 2004 entsprechend zu berücksichtigen.
Entgeltrechtlich halten Ernst & Young eine Verrechnung der den Rückstellungsbedarf überschreitenden Beträge (Zinsen und Veränderung der Planungsansätze = 195,5 Mio. EUR) an die Gebührenzahler im Sinne der Gebührenkontinuität über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren für gerechtfertigt, so daß eine „Rückzahlung„ bis 2009 erfolgen könne.
Aufgrund des notwendigen höheren technischen Standards für die Abfallentsorgung aufgrund der Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen ab 2005 sind allerdings auch in Berlin - wie im gesamten Bundesgebiet - Gebührenerhöhungen unvermeidlich. Diesen Gebührensprung können die BSR durch die über fünf Jahre verteilte Auflösung der Rückstellungen „abmildern„.
Die BSR haben mit dem Gutachten der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young die Grundlage geschaffen, um die Kosten für die Deponiesanierung zeitnah und transparent anpassen zu können. Senator Wolf und die Vorstände wiesen ausdrücklich darauf hin, daß in den nächsten zehn Jahren die Investitionen von über 200 Mio. EUR im Zusammenhang mit der Sanierung der Deponien einen positiven Effekt für die Wirtschaft haben und gleichzeitig dem Umweltschutz dienen.
Auch Haus & Grund Berlin ist der Auffassung, daß die Rückführung der überzahlten Beträge durch Berücksichtigung in der Tarifkalkulation der vernünftigere Weg ist gegenüber einer Rückzahlungsaktion wie bei den überzahlten Straßenreinigungsentgelten. Bereits dort hatte Haus & Grund Berlin diesen Weg vorgeschlagen. Inzwischen haben sich BSR und Politik eines Besseren belehren lassen. Die Rückzahlungsaktion der rund 60 Mio. EUR überzahlten Straßenreinigungsgebühren haben die BSR rund 5 Mio. EUR zusätzlich gekostet. Mindestens dieser Betrag wäre auch bei einer gesonderten Rückzahlung der überhöhten Deponierückstellungen angefallen.
Mit der nun beschlossenen Auflösung der unnötigen Rückstellungen, die in den 90er Jahren durch damals dramatische, inzwischen weitgehend zurückgenommene Erhöhungen der Gebühren für Müllabfuhr eingesammelt worden waren, ist einer der wesentlichen Kritikpunkte von Haus & Grund Berlin gegen die BSR erledigt. Nach wie vor sind aber Grauzonen in der BSR-Kalkulation vorhanden, die Haus & Grund Berlin durch gerichtliche Verfahren aufzuhellen versucht.

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