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Statt Planung - was?
26.08.2004 (GE 16/04, Seite 977) Mit dem letzten Senator, der für sich in Anspruch nahm, Stadtplanung betreiben zu wollen (Strieder - und auch der nur noch gelegentlich), versank auch der eigentliche Planungschef, Stimmann, in lautstarkes Schweigen.
Kommt gelegentlich mal eine müde Debatte um Einzelprojekte auf, so äußern sich die Juristen häufiger als die Stadtplaner. So geschehen bei den Hochhausprojekten am Zoo, die in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde ihren Widersacher fanden und finden. Was vor 15 Jahren noch Kriegserklärungen aller „Betroffenen„ herausgefordert hätte, entlockt heute allenfalls dem zuständigen Stadtrat eine gedämpfte Stellungnahme.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Man könnte stadtplanerische Fragen in größerer Ruhe diskutieren, sofern es etwas anderes gäbe: nämlich kompetente Stadtplaner.
Die allerdings waren schon in der Vergangenheit in ganz Deutschland Mangelware. Denn ein Stadtplaner muß die Proportionen sehen können, die einzelnen Gebäuden erst zur Wirkung verhelfen. Er muß auf die umliegenden und die darunterliegenden Strukturen Rücksicht nehmen, er muß an Lärm und Dreck und Verkehr und Wasserversorgung denken.

Hochhäuser gehören zu den größten Belastungen, die ein Stadtkörper zu ertragen hat. Mit gutem Grund hat Pa-ris die Hochhäuser aus dem alten Zentrum verbannt (ein, zwei Sündenfälle verzieh man sich großzügig) und in die „Defense„ abgeschoben. Auch München hat bisher wohl widerstanden - aber das könnte demnächst vorbei sein. Und über Köln braucht man nicht zu urteilen, das tut jetzt die Unesco.

Berlin hatte das seltene Glück, seit Beginn des 19. Jahrhunderts und bis zum Ende der Weimarer Republik Stadtplaner und Stadtentwickler zu haben, die die Stadt auch für die Bedingungen des 20. Jahrhunderts funktionstüchtig machten und ihr eine hohe Lebensqualität sicherten. Die Zahl derer, die mitredeten, war klein, und deshalb redeten die, die etwas zu sagen hatten. Hochhäuser, richtige Wolkenkratzer, standen erst ganz spät zur Debatte - und wurden nie gebaut. Berlin war groß, war flächig. Warum da in die Höhe bauen?
Dann fielen die Bomben. Aber schlimmer als der Krieg drohten in der Zeit danach die Planer hüben und drüben die Stadt zu verwüsten. Bis Mitte der 70er Jahre im Westen und bis zum Ende der DDR im Osten wurden Stadtquartiere zerstört und Hochhäuser - vorwiegend als Solitäre - errichtet. Gepaßt haben sie selten. Erträglich waren allenfalls 16-Geschosser wie das DOB-Hochhaus am Zoo, das Bürohaus im Europa-Center oder das ehemalige Hilton-Hotel in der Budapester Straße - eigentlich kein richtiges Hochhaus.

Lassen wir für heute mal den Potsdamer Platz beiseite, und bleiben wir beim Zoo-Viertel und den dort geplanten Hochhäusern. Da gilt doch der Satz: Es kommt nicht nur darauf an, was man bauen will, sondern gleichermaßen, wo man es bauen will. Hochhäuser an sich sind problematisch - der Energieverbrauch steigt, der Nutzflächenfaktor sinkt mit jeder zusätzlichen Etage. Teure Grundstücke allein reichen jedoch nicht zur Rechtfertigung aus, denn Stadtstruktur kann man nicht aufdoppeln, und freie Räume um die Hochhäuser herum sind nicht verfügbar.

So dümpelt denn die Debatte vor sich hin. Und die Juristen, auch nur Menschen, haben das Sagen. Wenn aber das Wort Stadtplanung demnächst nur noch im Duden vorkommt, und wenn statt Planung gemacht nur noch die Baugenehmigung geschrieben wird, dann bleibt einem am Ende die resignierte Feststellung: „Daß überall mit Wasser gekocht wird, weiß man ja. Aber muß deshalb die Suppe gar so dünn sein?„ (Helmar Nahr)

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Autor: Dietmar Otremba