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26 Grad
07.06.2004 (GE 11/04, Seite 641) Herr Trittin und die Mehrzahl der Grünen bilden die Avantgarde einer Truppe, die die Windräder wohl auch dann noch fördern würde, wenn der Wind mit Blasebalgen und viel, viel Strom aus Gas oder Öl erzeugt werden müßte.
Dennoch bleibt der Klimaschutz ein sinnvolles Ziel! Man muß nur die richtigen Mittel einsetzen, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Auf Gebäude bezogen heißt das, den notwendigen Heizenergiebedarf zu verringern und Klimaanlagen zu vermeiden. Jeder Bauphysiker weiß das. Neuzeitliche Architekten dagegen scheinen beim jeweiligen Studium in den entsprechenden Vorlesungen gefehlt zu haben - ein Versäumnis, das Herrn Grimshaw zum Sieg in einem Berliner Architektenwettbewerb und der IHK zu einem Glaspalast verholfen hat, dessen Baukosten exorbitant waren und - schlimmer noch - dessen Betriebskosten den Grundgedanken des Kyoto-Protokolls hohnsprechen, von der Bezahlbarkeit durch die Mieter ganz zu schweigen. Freuen können sich eigentlich nur die Araber und die Russen, wäre da nicht der Bombenterror. Und wäre da nicht das Thema CO2-Reduzierung, dessen wirksame Exekution vor allem bei den Scheichs und bei den übrigen Ölproduzenten keine rechte Freude aufkommen lassen dürfte: Weniger Ölverbrauch bringt weniger Geld in die Kasse!

Es lohnt also die Mühe, am Gebäude Energie einzusparen und vor allem: Klimaanlagen zu vermeiden. Aber es ist auch gefährlich. Denn in einem Urteil des LG Bielefeld aus dem vergangenen Jahr (und weiteren Urteilen, darunter einem des OLG Hamm) wird gefordert, daß Büro- und Arbeitsräume aufgrund der Arbeitsstättenverordnung so beschaffen sein müssen, daß bei üblicher Nutzung die Lufttemperatur nicht höher als 26 °C liegt, und zwar selbst dann, wenn die Außentemperatur bis auf 32 °C angestiegen ist. Bei noch höherer Außentemperatur müsse die Innentemperatur stets mindestens 6 °C darunterliegen. In der Urteilsbegründung wird ausdrücklich festgestellt, daß „Gesichtspunkte von Energieeinsparung und Umweltschutz keine Rolle spielen.„ Die 26-Grad-Grenze leitet das Gericht im übrigen aus der DIN 1946 ab, die freilich keine Vorschrift, sondern eine Empfehlung ist.

Da gilt dann wohl Voltaires Wort: „Jedes Gesetz soll klar, einheitlich und genau sein; es auslegen heißt fast immer es verderben.„ Eben! Eine Empfehlung muß man auslegen - und dann wird’s vor deutschen Gerichten offenbar gefährlich, zumal dann, wenn die Richter sich der Mühe des Nachdenkens, des Prüfens, des Vergleichens entziehen. Denn: Statt energieintensiver Klimaanlagen kann eine Kühlung durch Sonnenschutz, Verringerung des Glasanteils in der Fassade, erhöhte natürliche Nachtlüftung, Reduzierung interner Wärmelasten oder auch eine Lüftungsanlage mit Kühlteil erreicht werden. Nur die bewußten 26 °C kann man damit nicht gewährleisten, das ginge nur mit Klimaanlagen in allen Bürogebäuden - und mit Bau- und Betriebskosten, die in keinem vertretbaren Verhältnis zur Zahl der Tage stünden, an denen 32 °C und mehr erreicht werden.

Der Treppenwitz der Sache freilich ist dieser: Öffentliche Dienstgebäude sind keine Gewerberäume im strengen Sinne des Wortes. Rathäuser, Schulen und andere Dienstgebäude fallen nicht unter die 26-Grad-Empfehlung. Die Damen und Herren in Schwarz dürfen weiter schwitzen. Aber vielleicht erstreiten sie ja demnächst ein Urteil in eigener Sache, mit dem sie Gleichbehandlung mit Schülern einfordern: Nicht weil Juristen mit Pisa-Abitur auch weiterhin Klimarecht sprechen wollen, sondern weil hitzefrei gegeben werden muß - ab 30 °C und wie in jeder Schule dieses Landes.

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Autor: Dietmar Otremba