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BGH klärt umstrittene Frage und wirft neue auf
Kosten einer Dachrinnenreinigung sind Betriebskosten
25.05.2004 (GE 10/04, Seite 584) Die Kosten einer Dachrinnenreinigung können als sonstige Betriebskosten auf den Mieter umgelegt werden, entschied der BGH. Voraussetzung für die Umlage „sonstiger Betriebskosten„ sei allerdings, daß die Umlegung der Kosten mit dem Mieter durch genaue Benennung vereinbart wurde. Der Vermieter könne jedoch neue Betriebskosten mittels schriftlicher Erklärung (vorher) „auf den Mieter verlagern„. Leider ist die BGH-Entscheidung eine weitere aus der Reihe „Schnell & Schlampig„.
Der Fall: Der Vermieter einer Wohnung in Ost-Berlin legte seit 1991 die Betriebskosten nach der Betriebskosten-Umlage-Verordnung um. Um die Betriebskostenabrechnungen für 2000/2001 gab es Streit. Die Mieter waren der Auffassung, sie müßten die Kosten für den Hauswart und die Kosten der Dachrinnenreinigung nicht bezahlen. Das Amtsgericht hatte der Klage des Vermieters stattgegeben, das Landgericht Berlin die hiergegen eingelegte Berufung der Mieter zurückgewiesen und geurteilt, die Kosten der Dachrinnenreinigung seien auf die Mieter umlegbar, da es sich um sonstige Betriebskosten im Sinne von Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung handele. Das Wohngebäude sei von mehreren großen Bäumen umrahmt, so daß Kosten für die Reinigung der Dachrinne regelmäßig anfielen, um eine Verstopfung der Dachrinne zu verhindern. Diese Kosten seien im Hinblick darauf, daß das Regenwasser vom Dach ordnungsgemäß abfließen müsse, damit das Mietobjekt vor dem Eintritt von Mietmängeln bewahrt werde, auch laufende Kosten der Betriebsbereitschaft und nicht bloße vorbeugende Instandsetzungsmaßnahmen. Die zugelassene Revision der Mieter hatte teilweise Erfolg.
Das Urteil: Der BGH verneinte zwar im konkreten Fall ein Recht auf Umlegung der Kosten für die Dachrinnenreinigung, kam aber grundsätzlich zu dem Ergebnis, daß es umlagefähige Betriebskosten sind.
Es handele sich bei den Kosten der Dachrinnenreinigung nicht um vorbeugende Instandsetzungskosten, sondern um Betriebskosten, die auf den Mieter abgewälzt werden könnten. Betriebskosten seien solche Kosten, die durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Dagegen seien als Instandsetzungskosten Kosten aus Reparatur und Wiederbeschaffung anzusehen. Instandhaltungskosten wiederum stellten die Kosten dar, „die zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs aufgewendet werden müßten, um die durch Abnutzung, Alterung, Witterungseinwirkung entstehenden baulichen oder sonstigen Mängel ordnungsgemäß zu beseitigen„. Auch insoweit müsse es sich also um Mängel an der Substanz der vermieteten Immobilie oder ihrer Teile handeln.
Für die Dachrinnenreinigung sei daher zu unterscheiden,
– ob sie in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden müsse, etwa weil das fragliche Gebäude von einem hohen Baumbestand umgeben sei,
– oder ob eine einmalige Maßnahme aus bestimmtem Anlaß vorliege
– oder gar eine bereits eingetretene Verstopfung beseitigt werden solle.
Im konkreten Fall ordnete der BGH die Kosten als Betriebskosten ein.
Umlagefähig seien die Kosten dennoch nicht gewesen. Der Grund: Die Kosten der Dachrinnenreinigung seien „Sonstige Betriebskosten„ im Sinne der Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV, „zu deren Umlegung es einer vorherigen Anzeige bedurft hätte„. „Sonstige„ Betriebskosten könnten aber nur dann auf den Mieter umgelegt werden, „wenn dies vorher im einzelnen vereinbart wurde„, was nicht geschehen war. Im Mietvertrag war lediglich die Betriebskosten-Umlage-Verordnung (die in den neuen Ländern übergangsweise anstelle der Anlage 3 zu § 27 II. BV bzw. der heutigen Betriebskostenverordnung galt) zum Vertragsinhalt gemacht und dabei auch festgehalten worden, daß der Mieter sonstige Betriebskosten trägt. Der allgemeine Verweis auf die gesetzlichen Betriebskostenvorschriften reicht dem BGH dafür aus, daß der Mieter Betriebskosten zu tragen hat. Damit ist auch eine hin und wieder aufflammende Diskussion darüber erledigt, ob der Betriebskostenkatalog im Mietvertrag detailliert aufzuführen ist oder ob der Verweis auf – früher Anlage 3 zu § 7 II. BV – die Betriebskostenverordnung ausreicht. Dem BGH reicht ein Verweis aus (Achtung: gilt nicht für Sozialwohnungen wg. anderer gesetzlicher Regelung), weil der dem Mieter hinreichende Klarheit darüber gibt, welche Nebenkosten auf ihn zukommen können – mit einer Ausnahme: bei den „Sonstige Betriebskosten„. Hier sei es erforderlich, die „Sonstigen Betriebskosten„ einzeln zu benennen.
Dem könne, so der BGH, auch nicht entgegengehalten werden, daß dadurch die Umlegung neuer Betriebskosten nicht mehr möglich sei. Vielmehr könne der Vermieter „neue Betriebskosten mittels einer entsprechenden schriftlichen Erklärung nach § 4 Abs. 2 MHG (jetzt: § 560 Abs. 1 BGB) auf den Mieter verlagern„.
Im vorliegenden Fall habe der Vermieter keine derartige Erklärung gegenüber den Mietern abgegeben.
Bei den Kosten für den Hauswart sei das anders gewesen, weil die Betriebskosten-Umlage-Verordnung Vertragsbestandteil gewesen und die Hauswartkosten dort aufgeführt seien. Auch wenn zunächst ein Hauswart nicht beschäftigt wurde, sei den Mietern doch vor Augen gehalten worden, daß sie grundsätzlich eventuell anfallende Kosten bezahlen müßten, sobald der Vermieter sich entschließt, einen Hauswart zu beschäftigen.
Kommentar: Leider gibt der BGH weder eine nachvollziehbare Erklärung, warum die Betriebskostenvereinbarung im Mietvertrag den Begriff „Dachrinnenreinigung„ enthalten muß, noch liefert er eine zutreffende Begründung, warum die nachträgliche Einführung von Betriebskosten zulässig sein soll.
Der BGH übernimmt völlig unkritisch die Rechtsprechung der Instanzgerichte, daß der Vermieter Betriebskosten nur weitergeben dürfe, wenn dies gesondert im Mietvertrag vereinbart worden sei. Daß ein solches Recht im Gesetz verankert sei, reiche nicht aus.
Man fragt sich, warum ein Vermieter dann eigentlich
bei Zahlungsverzug, Eigenbedarf oder Pflichtverletzung kündigen oder nach Modernisierungsmaßnahmen die Miete erhöhen darf usw.
Das BGB kennt eine ganze Reihe einseitiger Gestaltungsrechte, deren Ausübung niemals davon abhängig gemacht wurde, daß sie im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart wurden. Wieso soll das ausgerechnet bei dem Recht, Betriebskosten umzulegen, anders sein?
Was zu dem Verdikt „Schnell & Schlampig„ führt, sind die Ausführungen des BGH zur Möglichkeit, „Sonstige Betriebskosten„ sozusagen durch Vorankündigung neu einzuführen. Der BGH meint dazu lapidar, der Vermieter könne „neue Betriebskosten mittels einer entsprechenden schriftlichen Erklärung nach § 4 Abs. 2 MHG (jetzt: § 560 Abs. 1 BGB) auf den Mieter verlagern„.
Zunächst ist festzuhalten: Beim entschiedenen Fall wurden Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart, über die abgerechnet wurde. Die vom BGH angezogenen gesetzlichen Grundlagen beziehen sich aber auf Bruttomieten und die Weitergabe von Betriebskostenerhöhungen (früher § 4 Abs. 2 MHG) bzw. auf die – seit der Mietrechtsreform ausdrücklich geregelte - Vereinbarung von Betriebskostenpauschalen und die Möglichkeit, durch einseitige Erklärung bei gestiegenen Betriebskosten die Erhöhung weiterzugeben (§ 560 Abs. 1 BGB). Weil es bei der Erhöhung von Betriebskosten immer um den Betriebskostensaldo geht, können logischerweise auch neue Betriebskosten eine Betriebskostenerhöhung darstellen.
Bei Vorauszahlungen gibt es – anders als bei Bruttomieten oder Betriebskostenpauschalen – keine „Erhöhung„, sondern eine Abrechnung. Seit der Mietrechtsreform dürfen beide Vertragsparteien nach einer Abrechnung lediglich die Vorauszahlungen einseitig auf eine angemessene Höhe anpassen (§ 560 Abs. 4 BGB) - das kann auch die Berücksichtigung neuer Betriebskosten umfassen. Diese Vorschrift zieht der BGH indes nicht an.
Stattdessen gebraucht der BGH – siehe vorstehendes Zitat – mit Bezug auf §§ 4 Abs. 1 MHG/561 Abs. 1 BGB den Begriff „entsprechend„. Das ist der deutsche Begriff für „analog„.
Die spannende Frage ist: Will der BGH die durch § 560 Abs. 1 BGB dem Vermieter bei Betriebskostenpauschalen eingeräumte Möglichkeit, durch einseitige, rechtsgestaltende Erklärung steigende Betriebskosten weiterzugeben, „analog„ („entsprechend„) auch auf die Neueinführung von Betriebskosten bei der Vereinbarung von Vorauszahlungen anwenden?
Gegen diese Annahme spricht die Verwendung des deutschen Begriffes anstelle des in der juristischen Fachsprache üblichen Begriffs der Analogie, außerdem auch die Wortstellung des Begriffs „entsprechend„ im Satz selbst. Es ist vermutlich nur ein Füllwort.
Man darf gespannt sein, wie sich der BGH aus der selbstgestellten Falle befreit.
BGH, Urteil vom 7. April 2004 - VIII ZR 167/03 - Wortlaut Seite 613

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Autor: Dieter Blümmel