Archiv / Suche
Agenda Zukunft: Weniger Mieterschutz
30.03.2004 (GE 7/04, Seite 369) Der Wunsch, recht zu haben, ist nichts anderes als das nur in anderen Kleidern daherkommende Grundbedürfnis nach Sicherheit, das die Natur jedem Menschen - in unterschiedlich ausgeprägter Stärke - in seinen genetischen Rucksack gepackt hat. Wir versuchen deshalb, viele Probleme auf dem Rechtswege zu lösen, obwohl Pragmatismus oft zu besseren Ergebnissen führt.
Das gilt auch für manche Konfliktsituation zwischen Mieter und Vermieter, wo man den Streithähnen häufig die Frage stellen möchte, ob der Gegenwert von ein oder zwei Schachteln Zigaretten es lohnt, einen ausgedehnten Schriftwechsel zu beginnen, ein Dutzend Anwälte, Richter und Schreibkräfte zu belästigen, ganz abgesehen vom eigenen Gemüt, um am Ende stolz mit dem Gegenwert eines Salatkopfes nach Hause zu ziehen.
Viele Vermieter haben inzwischen begriffen, daß auch bei Konflikten weniger oft mehr ist. Man muß also dankbar sein, wenn auch bei den Mietervertretern die Bereitschaft wächst, Streit außergerichtlich beizulegen (wofür schon die im Mitgliedsbeitrag meist eingeschlossene Rechtsschutzversicherung sorgt, deren ausufernde Inanspruchnahme letztlich zu steigenden Mitgliedsbeiträgen führt). Freilich will solch neue Strategie auch gelernt sein und darf sich nicht selbst ein Bein stellen, weil sie nicht nach einem vernünftigen Interessenausgleich sucht, sondern nach dem Grundsatz „Gier schlägt Hirn„ vorgegangen wird.
Mit einem solchen Negativbeispiel konfrontierte uns kürzlich ein Anwalt aus der Leserschaft. Er vertrat Eigentümer, deren Haus in einem festgelegten Sanierungsgebiet modernisiert werden sollte. Zunächst wurde mit den Mietern gesprochen. Einer von ihnen meinte, er werde die Modernisierung weder dulden noch werde er ausziehen, es sei denn, die Vermieter kauften ihm seine Zustimmung ab, und zwar zu einem exorbitanten Preis.
Daraufhin gingen die Vermieter den rechtsförmlichen Weg: Der Mieter erhielt eine umfangreiche und detaillierte Modernisierungsankündigung. Es meldete sich in seiner Vertretung der Berliner Mieterverein.
Nein, zur Modernisierungsankündigung möchte man zunächst keine Stellung nehmen, sondern statt dessen anfragen, ob die Mandantschaft Interesse an einer Mietaufhebungsvereinbarung habe. Bedingungen: Die Wohnung werde nur besenrein übergeben, auf Schönheitsreparaturen werde verzichtet, es werde ein Entschädigungsbetrag in Höhe von 25.000 E - in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro - an den weichenden Mieter gezahlt.
Diese Forderung, so die Berechnung des Vermieteranwalts, überstieg sogar den durchschnittlichen Kaufpreis, der für unsanierten Wohnraum in dieser Lage bezahlt wird.
Die Frage an den Berliner Mieterverein, der ja immer wieder für preiswertes Wohnen eingetreten ist, drängt sich geradezu auf: Wie sind derart überzogene Forderungen mit den Sonntagsreden vereinbar? Wie soll Stadtsanierung im Interesse der Mieter betrieben werden können und zu - wie es immer so schön heißt - „sozialverträglichen Mieten„ führen, wenn ausgerechnet der Mieterverein sich zum Kostentreiber aufschwingt?
Vielleicht hilft dem Mieterverein ein Blick ins Gesetz. Die rechtlichen Grundlagen der Sanierung enthält das Baugesetzbuch, das der Gemeinde die Möglichkeit gibt, allen möglichen Rechtsvorgängen - etwa auch dem Grundstückskauf im Sanierungsgebiet - die erforderliche Genehmigung zu versagen, wenn die Sanierung sonst unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde.
Wie heißt es doch bei Heinrich Heine (Deutschland - ein Wintermärchen) so treffend? „Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, ich kenn’ auch die Herren Verfasser. Ich weiß, sie trinken heimlich Wein und predigen öffentlich Wasser …„
Daß derart überzogene Forderungen überhaupt möglich sind, liegt an dem in allen Bereichen völlig überzogenen Mieterschutz in Deutschland. Es ist Zeit, auch dieses Investitionshindernis auf die „Agenda Zukunft„ zu setzen. Der beabsichtigte Schritt, ein Sonderkündigungsrecht für Abrisse einzuführen (auch für dieses Gesetzesvorhaben waren völlig überzogene Abstandsforderungen von Mietern ausschlaggebend), kann nur ein erster sein, dem weitere folgen müssen.
In jeder Ausgabe des GRUNDEIGENTUM finden Sie interessante mietrechtliche Gerichtsentscheidungen, Aufsätze, Hintergrundinformationen, Gesetze und Verordnungen sowie wertvolle Praxistips rund um die Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft.
Informieren Sie sich schon vorab im Inhaltsverzeichnis des aktuellen GRUNDEIGENTUM-Heftes, das wir Ihnen im DOWNLOAD-Bereich als PDF-Datei zur Verfügung stellen, über die jeweiligen Inhalte bzw. Themenschwerpunkte!
Viele Vermieter haben inzwischen begriffen, daß auch bei Konflikten weniger oft mehr ist. Man muß also dankbar sein, wenn auch bei den Mietervertretern die Bereitschaft wächst, Streit außergerichtlich beizulegen (wofür schon die im Mitgliedsbeitrag meist eingeschlossene Rechtsschutzversicherung sorgt, deren ausufernde Inanspruchnahme letztlich zu steigenden Mitgliedsbeiträgen führt). Freilich will solch neue Strategie auch gelernt sein und darf sich nicht selbst ein Bein stellen, weil sie nicht nach einem vernünftigen Interessenausgleich sucht, sondern nach dem Grundsatz „Gier schlägt Hirn„ vorgegangen wird.
Mit einem solchen Negativbeispiel konfrontierte uns kürzlich ein Anwalt aus der Leserschaft. Er vertrat Eigentümer, deren Haus in einem festgelegten Sanierungsgebiet modernisiert werden sollte. Zunächst wurde mit den Mietern gesprochen. Einer von ihnen meinte, er werde die Modernisierung weder dulden noch werde er ausziehen, es sei denn, die Vermieter kauften ihm seine Zustimmung ab, und zwar zu einem exorbitanten Preis.
Daraufhin gingen die Vermieter den rechtsförmlichen Weg: Der Mieter erhielt eine umfangreiche und detaillierte Modernisierungsankündigung. Es meldete sich in seiner Vertretung der Berliner Mieterverein.
Nein, zur Modernisierungsankündigung möchte man zunächst keine Stellung nehmen, sondern statt dessen anfragen, ob die Mandantschaft Interesse an einer Mietaufhebungsvereinbarung habe. Bedingungen: Die Wohnung werde nur besenrein übergeben, auf Schönheitsreparaturen werde verzichtet, es werde ein Entschädigungsbetrag in Höhe von 25.000 E - in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro - an den weichenden Mieter gezahlt.
Diese Forderung, so die Berechnung des Vermieteranwalts, überstieg sogar den durchschnittlichen Kaufpreis, der für unsanierten Wohnraum in dieser Lage bezahlt wird.
Die Frage an den Berliner Mieterverein, der ja immer wieder für preiswertes Wohnen eingetreten ist, drängt sich geradezu auf: Wie sind derart überzogene Forderungen mit den Sonntagsreden vereinbar? Wie soll Stadtsanierung im Interesse der Mieter betrieben werden können und zu - wie es immer so schön heißt - „sozialverträglichen Mieten„ führen, wenn ausgerechnet der Mieterverein sich zum Kostentreiber aufschwingt?
Vielleicht hilft dem Mieterverein ein Blick ins Gesetz. Die rechtlichen Grundlagen der Sanierung enthält das Baugesetzbuch, das der Gemeinde die Möglichkeit gibt, allen möglichen Rechtsvorgängen - etwa auch dem Grundstückskauf im Sanierungsgebiet - die erforderliche Genehmigung zu versagen, wenn die Sanierung sonst unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde.
Wie heißt es doch bei Heinrich Heine (Deutschland - ein Wintermärchen) so treffend? „Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, ich kenn’ auch die Herren Verfasser. Ich weiß, sie trinken heimlich Wein und predigen öffentlich Wasser …„
Daß derart überzogene Forderungen überhaupt möglich sind, liegt an dem in allen Bereichen völlig überzogenen Mieterschutz in Deutschland. Es ist Zeit, auch dieses Investitionshindernis auf die „Agenda Zukunft„ zu setzen. Der beabsichtigte Schritt, ein Sonderkündigungsrecht für Abrisse einzuführen (auch für dieses Gesetzesvorhaben waren völlig überzogene Abstandsforderungen von Mietern ausschlaggebend), kann nur ein erster sein, dem weitere folgen müssen.
In jeder Ausgabe des GRUNDEIGENTUM finden Sie interessante mietrechtliche Gerichtsentscheidungen, Aufsätze, Hintergrundinformationen, Gesetze und Verordnungen sowie wertvolle Praxistips rund um die Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft.
Informieren Sie sich schon vorab im Inhaltsverzeichnis des aktuellen GRUNDEIGENTUM-Heftes, das wir Ihnen im DOWNLOAD-Bereich als PDF-Datei zur Verfügung stellen, über die jeweiligen Inhalte bzw. Themenschwerpunkte!
Autor: Dieter Blümmel