Archiv / Suche
Uralt-Bruttomieten
Keine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten
18.02.2004 (GE 4/03, Seite 214) Nach dem Berliner Übergangsrecht des § 7 GVW durfte in jedem Fall der Vermieter wegen gestiegener Betriebskosten eine Bruttomiete erhöhen. Die Rechtsprechung wandte diese Vorschrift auch nach dem Außerkrafttreten des GVW analog an - zu Unrecht, wie der BGH meint.
Der Fall: In einem Mietvertrag über eine damals noch preisgebundene Altbauwohnung hieß es, daß Mehrbelastungen und alle durch gesetzliche oder behördliche Regelungen zugelassenen Erhöhungen von Nebenkosten zu einer Mieterhöhung berechtigten. Später wurde ein Aufzug eingebaut, und die Mieterin zahlte neben der Bruttomiete zunächst einen Aufzugskostenvorschuß, der danach Bestandteil der Bruttomiete wurde. Im September 2000 erklärte die Vermieterin eine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten und erhob Feststellungsklage auf Wirksamkeit der Mieterhöhung. Das LG Berlin hielt die Klage für begründet, ließ aber die Revision zu.
Das Urteil: Mit Urteil vom 21. Januar 2004 meinte der BGH, die Erhöhungserklärung sei zwar formell wirksam gewesen, weil die Schriftform gewahrt sei. Auch die Bezugnahme auf Anlagen sei ausreichend. Materiell sei aber „nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung“ eine Mieterhöhung bei einer Bruttomiete nur dann nach § 4 Abs. 2 MHG möglich gewesen, wenn ein ausdrücklicher Erhöhungsvorbehalt im Mietvertrag vereinbart worden sei. Hier seien die Vorbehalte jedoch unwirksam. Das GVW, das auch ohne einen vertraglichen Vorbehalt eine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten vorgesehen habe, sei mit dem Ablauf des 31. Dezember 1994 außer Kraft getreten und nicht mehr anwendbar. Eine Ausnahme gelte nur für neueingeführte Betriebskosten. Hier habe nach dem Einbau des Aufzugs die Mieterin eine entsprechende Betriebskostenumlage akzeptiert.
Anmerkung: Das Urteil erwähnt die entgegenstehende Rechtsprechung und Literatur nicht und nimmt zu verfassungsrechtlichen Problemen keine Stellung. Es kann deshalb nicht überzeugen. Der BGH meint, nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung sei bei einer Bruttomiete nach § 4 Abs. 2 MHG eine Mieterhöhung nur möglich gewesen, wenn ein entsprechender vertraglicher Vorbehalt vereinbart worden sei. Gemeint sind die Rechtsentscheide der OLG Karlsruhe, Zweibrücken, Stuttgart und Hamm (zitiert bei Beuermann GE 1997, 1134). Die überwiegende Auffassung in der mietrechtlichen Literatur hielt das allerdings für falsch (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 7. Aufl., Rdn. 19 zu § 4 MHG mit folgenden Autorennamen: Köhler/Kossmann, Schultz, Langenberg, Sternel, Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Barthelmess, Börstinghaus, Schläger, Beuermann, Schach, Weye). „Diese ständig wiederholte Auffassung der Oberlandesgerichte wird weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dem gesetzgeberischen Willen gerecht“ (Börstinghaus aaO.).
Dazu kommen berlinspezifische Besonderheiten, nämlich daß bis zum 31. Dezember 1987 (Preisbindung) Bruttomieten vereinbart werden mußten; eine Nettomiete mit Betriebskostenvorschüssen war preisrechtswidrig und damit unwirksam. Ebenso eine Vereinbarung, daß bei allen Betriebskosten Steigerungen weitergegeben werden durften, weil es dafür gesetzlich zugelassene „Mehrbelastungs-Zuschläge„ gab. Einen Mieterhöhungsvorbehalt gab es praktisch nur in der Form wie im vorliegenden Fall. Die Anforderungen der Rechtsprechung an wirksame Mieterhöhungsvorbehalte sind erst lange nach Auslaufen der Preisbindung entwickelt worden.
Der Gesetzgeber hatte deshalb in § 7 GVW eine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten bei einer Bruttomiete ohne Einschränkung zugelassen. Nach dem Auslaufen des GVW zum 31. Dezember 1994 nahmen Rechtsprechung und Literatur eine analoge Anwendung der Vorschrift, zumindest im Wege ergänzender Vertragsauslegung an (Emmerich-Sonnenschein, 7. Aufl. 1999 Rdn. 6 zu § 7 GVW; Kinne in Kinne/Schach, 3. Aufl. Rdn. 87 zu § 560 BGB; Beuermann, Miete und Mieterhöhung, 2. Aufl. Rdn. 6 zu § 7 GVW; Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht 2001 Seite 157). Das LG Berlin (GE 1997, 493) verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach auch nach Außerkrafttreten des GVW eine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten möglich ist.
Für ein Fortgelten der Mieterhöhungsmöglichkeiten wegen gestiegener Betriebskosten sprechen auch verfassungsrechtliche Aspekte (Art. 14 GG). Der Vermieter von Wohnraum kann nur unter ganz besonderen Umständen das Mietverhältnis kündigen. Er ist daher auf eine entsprechende Mieterhöhungsmöglichkeit angewiesen, insbesondere bei Betriebskosten, die für ihn nur einen durchlaufenden Posten darstellen. Die Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete bietet nur einen unzureichenden Ausgleich, da hier nur die Nettomiete erhöht wird. Die meisten Gerichte wenden zur Umrechnung einer Bruttomiete in eine fiktive Nettomiete die durchschnittlichen kalten Betriebskosten des Mietspiegels an (Aufstellung in GE 2003, 373), so daß tatsächliche höhere Betriebskosten vom Vermieter zu tragen sind. Wegen dieser verfassungsrechtlichen Aspekte hatte denn auch der Mietrechtsreformgesetzgeber nachträglich die Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 3 Nr. 4 EGBGB eingefügt, die zunächst im Gesetzgebungsverfahren nicht geplant war. Man hätte sich gewünscht, daß der BGH trotz seiner Überlastung auf all diese Fragen näher eingegangen wäre.
BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII ZR 101/03 - Wortlaut Seite 229
In jeder Ausgabe des GRUNDEIGENTUM finden Sie interessante mietrechtliche Gerichtsentscheidungen, Aufsätze, Hintergrundinformationen und News sowie wertvolle Praxistips rund um die Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft.
Informieren Sie sich doch bitte schon vorab im Inhaltsverzeichnis des aktuellen GRUNDEIGENTUM-Heftes, das wir Ihnen im DOWNLOAD-Bereich als PDF-Datei zur Verfügung stellen, über die jeweiligen Inhalte bzw. Themenschwerpunkte!
Das Urteil: Mit Urteil vom 21. Januar 2004 meinte der BGH, die Erhöhungserklärung sei zwar formell wirksam gewesen, weil die Schriftform gewahrt sei. Auch die Bezugnahme auf Anlagen sei ausreichend. Materiell sei aber „nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung“ eine Mieterhöhung bei einer Bruttomiete nur dann nach § 4 Abs. 2 MHG möglich gewesen, wenn ein ausdrücklicher Erhöhungsvorbehalt im Mietvertrag vereinbart worden sei. Hier seien die Vorbehalte jedoch unwirksam. Das GVW, das auch ohne einen vertraglichen Vorbehalt eine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten vorgesehen habe, sei mit dem Ablauf des 31. Dezember 1994 außer Kraft getreten und nicht mehr anwendbar. Eine Ausnahme gelte nur für neueingeführte Betriebskosten. Hier habe nach dem Einbau des Aufzugs die Mieterin eine entsprechende Betriebskostenumlage akzeptiert.
Anmerkung: Das Urteil erwähnt die entgegenstehende Rechtsprechung und Literatur nicht und nimmt zu verfassungsrechtlichen Problemen keine Stellung. Es kann deshalb nicht überzeugen. Der BGH meint, nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung sei bei einer Bruttomiete nach § 4 Abs. 2 MHG eine Mieterhöhung nur möglich gewesen, wenn ein entsprechender vertraglicher Vorbehalt vereinbart worden sei. Gemeint sind die Rechtsentscheide der OLG Karlsruhe, Zweibrücken, Stuttgart und Hamm (zitiert bei Beuermann GE 1997, 1134). Die überwiegende Auffassung in der mietrechtlichen Literatur hielt das allerdings für falsch (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 7. Aufl., Rdn. 19 zu § 4 MHG mit folgenden Autorennamen: Köhler/Kossmann, Schultz, Langenberg, Sternel, Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Barthelmess, Börstinghaus, Schläger, Beuermann, Schach, Weye). „Diese ständig wiederholte Auffassung der Oberlandesgerichte wird weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dem gesetzgeberischen Willen gerecht“ (Börstinghaus aaO.).
Dazu kommen berlinspezifische Besonderheiten, nämlich daß bis zum 31. Dezember 1987 (Preisbindung) Bruttomieten vereinbart werden mußten; eine Nettomiete mit Betriebskostenvorschüssen war preisrechtswidrig und damit unwirksam. Ebenso eine Vereinbarung, daß bei allen Betriebskosten Steigerungen weitergegeben werden durften, weil es dafür gesetzlich zugelassene „Mehrbelastungs-Zuschläge„ gab. Einen Mieterhöhungsvorbehalt gab es praktisch nur in der Form wie im vorliegenden Fall. Die Anforderungen der Rechtsprechung an wirksame Mieterhöhungsvorbehalte sind erst lange nach Auslaufen der Preisbindung entwickelt worden.
Der Gesetzgeber hatte deshalb in § 7 GVW eine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten bei einer Bruttomiete ohne Einschränkung zugelassen. Nach dem Auslaufen des GVW zum 31. Dezember 1994 nahmen Rechtsprechung und Literatur eine analoge Anwendung der Vorschrift, zumindest im Wege ergänzender Vertragsauslegung an (Emmerich-Sonnenschein, 7. Aufl. 1999 Rdn. 6 zu § 7 GVW; Kinne in Kinne/Schach, 3. Aufl. Rdn. 87 zu § 560 BGB; Beuermann, Miete und Mieterhöhung, 2. Aufl. Rdn. 6 zu § 7 GVW; Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht 2001 Seite 157). Das LG Berlin (GE 1997, 493) verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach auch nach Außerkrafttreten des GVW eine Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten möglich ist.
Für ein Fortgelten der Mieterhöhungsmöglichkeiten wegen gestiegener Betriebskosten sprechen auch verfassungsrechtliche Aspekte (Art. 14 GG). Der Vermieter von Wohnraum kann nur unter ganz besonderen Umständen das Mietverhältnis kündigen. Er ist daher auf eine entsprechende Mieterhöhungsmöglichkeit angewiesen, insbesondere bei Betriebskosten, die für ihn nur einen durchlaufenden Posten darstellen. Die Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete bietet nur einen unzureichenden Ausgleich, da hier nur die Nettomiete erhöht wird. Die meisten Gerichte wenden zur Umrechnung einer Bruttomiete in eine fiktive Nettomiete die durchschnittlichen kalten Betriebskosten des Mietspiegels an (Aufstellung in GE 2003, 373), so daß tatsächliche höhere Betriebskosten vom Vermieter zu tragen sind. Wegen dieser verfassungsrechtlichen Aspekte hatte denn auch der Mietrechtsreformgesetzgeber nachträglich die Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 3 Nr. 4 EGBGB eingefügt, die zunächst im Gesetzgebungsverfahren nicht geplant war. Man hätte sich gewünscht, daß der BGH trotz seiner Überlastung auf all diese Fragen näher eingegangen wäre.
BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII ZR 101/03 - Wortlaut Seite 229
In jeder Ausgabe des GRUNDEIGENTUM finden Sie interessante mietrechtliche Gerichtsentscheidungen, Aufsätze, Hintergrundinformationen und News sowie wertvolle Praxistips rund um die Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft.
Informieren Sie sich doch bitte schon vorab im Inhaltsverzeichnis des aktuellen GRUNDEIGENTUM-Heftes, das wir Ihnen im DOWNLOAD-Bereich als PDF-Datei zur Verfügung stellen, über die jeweiligen Inhalte bzw. Themenschwerpunkte!
Autor: Rudolf Beuermann