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Bauvorhaben in innerstädtischen Lagen
13.01.2004 (GE 1/04, Seite 39) Darf pauschal ein bestimmter Wohnungsanteil gefordert werden?
Häufig sehen sich Bauinteressenten und Bauantragsteller gewerblicher Bauvorhaben in zentralen großstädtischen Lagen - sei es in Bebauungsplangebieten, sei es im unbeplanten Innenbereich - der Forderung der Verwaltung ausgesetzt, einen bestimmten, durch Bruch oder Prozentzahl benannten Wohnanteil2) zu erbringen. Auch wenn sich die Bauherren, die einem solchen Ansinnen nicht entsprechen wollen, im Recht sehen: Angesichts der Länge eines zu erwartenden Verwaltungsprozesses lassen sie es auf das Risiko einer Versagung und die Durchführung eines nachfolgenden Widerspruchs- und Klageverfahrens nicht ankommen und erklären sich zu Verhandlungen mit der Kommune bereit. An deren Ende steht - oft auch erst nach Monaten - bestenfalls ein Kompromiß, aufgrund dessen der Wohnanteil vielleicht ein wenig abgeschmolzen, in jedem Fall aber bereitzustellen ist. Aus Sicht vieler ist das Ergebnis unbefriedigend, erscheint es doch nicht einsehbar, daß auf diesem Weg seitens der Verwaltung durchsetzbar ist, was rechtlich (möglicherweise) nicht geboten ist. Ein Blick auf die Rechtslage mag hier zur Klärung beitragen.
1. In Gebieten mit Bebauungsplänen
Die Zulässigkeit von Bauvorhaben ergibt sich bauplanungsrechtlich und damit bezüglich der Art der baulichen Nutzung aus den §§ 30 ff. Baugesetzbuch (BauGB). Bei Innenstadtlagen kommt es darauf an, ob ein Bebauungsplan existiert; dann ist dessen Inhalt maßgeblich (§ 30 BauGB). Fehlt es an einem verbindlichen Bauleitplan, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit schon nach dessen (zukünftigen) Festsetzungen, wenn das Stadium der Planreife erreicht ist (§ 33 BauGB). Im sogenannten unbeplanten Innenbereich ist ansonsten die Vorschrift des § 34 BauGB einschlägig.
Enthält ein Bebauungsplan Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung - wie dies bei jedem qualifizierten Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB der Fall ist -, sind nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) die in § 1 Abs. 2 genannten Baugebiete festzusetzen. Bei Innenstädten ist dies regelmäßig das Kerngebiet3). Allgemein zulässig sind hier vor allem Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Vergnügungsstätten und sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauNVO), Wohnungen jedoch nur für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter (§ 7 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO) oder nach Maßgabe besonderer Festsetzungen im Bebauungsplan (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO).
Die Begriffe Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, um die es in der Diskussion typischerweise geht, enthalten explizit keine Einschränkung zugunsten eines Wohnungsanteils4). Mit anderen Worten: Im „Normalfall“ des Kerngebiets sind derartige Gebäude grundsätzlich ohne Wohnungen allgemein zulässig.
Um Wohnungen für die in § 7 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO genannten Funktionsträger im Kerngebiet geht es nicht, wenn die Verwaltung die Realisierung eines bestimmten Wohnungsanteils verlangt: Dieser soll typischerweise nicht auf einen so engen Kreis von Nutzern beschränkt sein. Allenfalls könnte der Wohnanteil gem. § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO verlangt werden, nämlich als sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans. Diese Regelung statuiert indessen keinerorts eine exklusive Wohnnutzung: Auch bei der Festsetzung sonstiger Wohnungen in einem Bebauungsplan bleiben die im Zulassungskatalog sonst aufgeführten baulichen Anlagen weiterhin zulässig5).
Besondere Festsetzungsmöglichkeiten zur Gewährleistung von Wohnnutzung im Kerngebiet eröffnet § 7 Abs. 4 BauNVO. Ist eine Festsetzung gem. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauNVO erfolgt, rechtfertigt sich daraus ebenfalls nicht die allgemeine Forderung nach einer anteiligen Wohnnutzung in einem kerngebietstypischen Neubauvorhaben: Die Regelung beschränkt die Festsetzungsmöglichkeit auf bestimmte Geschosse als für Kerngebiete besondere Ausgestaltung der sogenannten vertikalen Gliederung von Baugebieten. Allein § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB ermöglicht die Festsetzung bestimmter Anteile - in Brüchen oder Prozentzahlen - von der zulässigen Geschoßfläche6) oder einer bestimmten Größe der Geschoßfläche in einem Gebäude für Wohnungen, auf die sich dann die entsprechende Forderung der Baugenehmigungsbehörde stützen könnte. Dabei sind allerdings die allgemeinen Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BauNVO zu beachten: Die Festsetzungsmöglichkeit besteht nur in Teilen von Kerngebieten7), und besondere städtebauliche Gründe müssen die Festsetzung rechtfertigen8). Ist die Festsetzung danach zulässigerweise erfolgt, sind in dem entsprechenden Teil des Kerngebiets gemäß dem einschlägigen Bebauungsplan ausschließlich Bauvorhaben zulässig, die den benannten Wohnungsanteil einhalten: Dann darf die Baugenehmigungsbehörde dies nicht nur fordern, sie muß es auch.
Das Instrumentarium der allgemeinen „planerischen Feinsteuerung“ in § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO eröffnet daneben keine weitergehenden Möglichkeiten: Die Festsetzungsoptionen zur räumlichen (Abs. 4) oder schichtweisen (Abs. 7) Gliederung in Baugebiete, zum Ausschluß bzw. zur Umwandlung allgemein (Abs. 5) oder ausnahmsweise zulässiger Nutzungen (Abs. 6) und zu einer weiteren Differenzierung nach Arten von baulichen und sonstigen Anlagen (Abs. 9) weisen keinen anderen Weg zur Festsetzung eines bestimmten Wohnungsanteils - und vermitteln damit auch nicht die planungsrechtliche Grundlage für die Forderung, einen solchen zu realisieren.
Ist für den innerstädtischen Bereich (ausnahmsweise) ein Mischgebiet festgesetzt (§ 6 BauNVO), sind hier ausdrücklich Wohngebäude allgemein zulässig (Abs. 2 Nr. 1). Eine Festsetzungsmöglichkeit wie in § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauNVO neben den übrigen Zulässigkeitsbeständen kennt die Vorschrift nicht.
2. Im unbeplanten Innenbereich
Gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB bestimmt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens im unbeplanten Innenbereich auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung danach, ob es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Maßgeblich ist dabei der konkrete, tatsächlich vorhandene Bestand9). Bei der Bestimmung des Rahmens, in den sich das Vorhaben einfügen muß, kann bezüglich der vorhandenen Nutzungsarten auf die in der BauNVO für die einzelnen Baugebiete typisierten Nutzungsarten zurückgegriffen werden. Der BauNVO kommt insoweit allerdings nur die Bedeutung einer Auslegungshilfe zu. Eine weitere Verfeinerung im Sinne einer Differenzierung der Nutzungsarten etwa nach Geschossen oder in sonstiger Weise kommt nicht in Betracht10).
In sogenannten homogenen Gebieten, in denen die Art der baulichen Nutzung nach der Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO entspricht, bietet gem. § 34 Abs. 2 BauGB die jeweilige Baugebietsvorschrift als Zulässigkeitstatbestand den Maßstab. Die planerischen Möglichkeiten der Feinjustierung wie in § 1 Abs. 4 bis 10 oder § 7 Abs. 4 BauNVO bestehen im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB nicht.
Im ganzen ergibt sich für Gebiete nach § 34 BauGB, daß die Forderung nach Realisierung eines bestimmten Wohnungsanteils bei einem Bauvorhaben nicht gerechtfertigt ist. Zwar ist der von der Umgebung vorgegebene Rahmen um so enger, je einheitlicher die das Grundstück prägende Umgebung ist11). Das könnte man so interpretieren, daß dann, wenn eine Vielzahl von Gebäuden in der näheren Umgebung einen Wohnanteil von ca. 20 % aufweist, dies auch für ein Neubauvorhaben zu fordern wäre. Der Grundsatz ist jedoch nicht im Sinne einer quantitativen Gewichtung von Nutzungsarten innerhalb einzelner Gebäude zu verstehen, sondern stellt den bodenrechtlichen Bezug in den Vordergrund. Eine weiter differenzierte Betrachtung läßt sich nur mit planerischen Mitteln durchführen. Eine städtebauliche Lenkung und Planung ist im unbeplanten Innenbereich indessen nicht möglich: „Der vorhandene städtebauliche Rahmen ist durch den baulichen Bestand da und kann nicht in eine bestimmte städtebauliche Richtung gelenkt werden. Aktiver Städtebau kann nicht mit einem konservativ ausgestalteten Rechtsinstrument geleistet werden12).“
3. Fazit
Im „Normalfall“ des Kerngebiets kann dem Bauherrn eines Neubauvorhabens kein bestimmter Wohnungsanteil abgefordert werden. Dies ist nur dann möglich, wenn die Kommune im Einzelfall von der eng begrenzten Festsetzungsmöglichkeit des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauNVO Gebrauch gemacht hat. Im Mischgebiet verbietet sich das Postulat vollends; das gilt auch für den unbeplanten Innenbereich. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens ergibt sich auch bezüglich der Art der baulichen Nutzung abschließend aus den §§ 30 ff. BauGB, gegebenenfalls in Verbindung mit einem Bebauungsplan und der BauNVO. Andere Grundlagen für die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens gibt es insoweit nicht. Insbesondere kann sich die Kommune nicht auf unverbindliche Planwerke oder - abstrakt - den Wunsch nach Sicherung der Wohnnutzung in Innenstadtbereichen berufen. Ein Bauvorhaben, das alle Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt, ist zwingend zu genehmigen. Die Eigentumsgarantie und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung lassen Nebenüberlegungen und die Herausbildung einer illegalen Verwaltungspraxis nicht zu.
Fußnoten:
1) Der Autor ist Partner der internationalen Wirtschaftssozietät Hammonds in Berlin.
2) Im Berliner Bezirk Mitte werden regelmäßig 20 % gefordert.
3) Siehe die allgemeine Zweckbestimmung („zentrale Einrichtungen“) in § 7 Abs. 1 BauNVO. - Vorliegend wird im übrigen vom aktuellen Stand der Gesetz- und Normgebung ausgegangen. Besonderheiten, wie sie aus den Baustufenplänen in Hamburg oder dem Baunutzungsplan für (West-) Berlin von 1958/60, die partiell als übergeleitete Bebauungspläne gelten, resultieren, sind nicht Gegenstand der Betrachtung.
4) Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 4 a Rn. 18.2
5) Fickert/Fieseler, a. a. O., § 7 Rn. 12.1
6) Nicht der tatsächlichen, vgl. Fickert/Fieseler a. a. O., § 9 a Rn. 33.1.
7) Der Gebietscharakter des Kerngebiets soll nicht in Frage gestellt werden.
8) Hier genügt ggf. schon die Sicherung von Wohnnutzung unter innerstädtischen Bedingungen: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1. Januar 2003, § 7 BauNVO Rn. 45 a.
9) z. B. BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 - 4 C 41/84 - NVwZ 1987, 884-886, 885.
10) Ernst/Zinkhahn/Bielenberg-Söfker, a. a. O., § 34 Rn. 39.
11) BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9/77 - BauR 1978, 276-283, 281
12) Bartholomäi, Vorhaben im unbeplanten Innenbereich. § 34 BauGB in der städtebaulichen Praxis, Vortrag im 452. Kurs des Instituts für Städtebau Berlin „Städtebau und Recht“ am 10. Oktober 2003 (452/21), S. 9
1. In Gebieten mit Bebauungsplänen
Die Zulässigkeit von Bauvorhaben ergibt sich bauplanungsrechtlich und damit bezüglich der Art der baulichen Nutzung aus den §§ 30 ff. Baugesetzbuch (BauGB). Bei Innenstadtlagen kommt es darauf an, ob ein Bebauungsplan existiert; dann ist dessen Inhalt maßgeblich (§ 30 BauGB). Fehlt es an einem verbindlichen Bauleitplan, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit schon nach dessen (zukünftigen) Festsetzungen, wenn das Stadium der Planreife erreicht ist (§ 33 BauGB). Im sogenannten unbeplanten Innenbereich ist ansonsten die Vorschrift des § 34 BauGB einschlägig.
Enthält ein Bebauungsplan Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung - wie dies bei jedem qualifizierten Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB der Fall ist -, sind nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) die in § 1 Abs. 2 genannten Baugebiete festzusetzen. Bei Innenstädten ist dies regelmäßig das Kerngebiet3). Allgemein zulässig sind hier vor allem Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Vergnügungsstätten und sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauNVO), Wohnungen jedoch nur für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter (§ 7 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO) oder nach Maßgabe besonderer Festsetzungen im Bebauungsplan (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO).
Die Begriffe Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, um die es in der Diskussion typischerweise geht, enthalten explizit keine Einschränkung zugunsten eines Wohnungsanteils4). Mit anderen Worten: Im „Normalfall“ des Kerngebiets sind derartige Gebäude grundsätzlich ohne Wohnungen allgemein zulässig.
Um Wohnungen für die in § 7 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO genannten Funktionsträger im Kerngebiet geht es nicht, wenn die Verwaltung die Realisierung eines bestimmten Wohnungsanteils verlangt: Dieser soll typischerweise nicht auf einen so engen Kreis von Nutzern beschränkt sein. Allenfalls könnte der Wohnanteil gem. § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO verlangt werden, nämlich als sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans. Diese Regelung statuiert indessen keinerorts eine exklusive Wohnnutzung: Auch bei der Festsetzung sonstiger Wohnungen in einem Bebauungsplan bleiben die im Zulassungskatalog sonst aufgeführten baulichen Anlagen weiterhin zulässig5).
Besondere Festsetzungsmöglichkeiten zur Gewährleistung von Wohnnutzung im Kerngebiet eröffnet § 7 Abs. 4 BauNVO. Ist eine Festsetzung gem. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauNVO erfolgt, rechtfertigt sich daraus ebenfalls nicht die allgemeine Forderung nach einer anteiligen Wohnnutzung in einem kerngebietstypischen Neubauvorhaben: Die Regelung beschränkt die Festsetzungsmöglichkeit auf bestimmte Geschosse als für Kerngebiete besondere Ausgestaltung der sogenannten vertikalen Gliederung von Baugebieten. Allein § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB ermöglicht die Festsetzung bestimmter Anteile - in Brüchen oder Prozentzahlen - von der zulässigen Geschoßfläche6) oder einer bestimmten Größe der Geschoßfläche in einem Gebäude für Wohnungen, auf die sich dann die entsprechende Forderung der Baugenehmigungsbehörde stützen könnte. Dabei sind allerdings die allgemeinen Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BauNVO zu beachten: Die Festsetzungsmöglichkeit besteht nur in Teilen von Kerngebieten7), und besondere städtebauliche Gründe müssen die Festsetzung rechtfertigen8). Ist die Festsetzung danach zulässigerweise erfolgt, sind in dem entsprechenden Teil des Kerngebiets gemäß dem einschlägigen Bebauungsplan ausschließlich Bauvorhaben zulässig, die den benannten Wohnungsanteil einhalten: Dann darf die Baugenehmigungsbehörde dies nicht nur fordern, sie muß es auch.
Das Instrumentarium der allgemeinen „planerischen Feinsteuerung“ in § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO eröffnet daneben keine weitergehenden Möglichkeiten: Die Festsetzungsoptionen zur räumlichen (Abs. 4) oder schichtweisen (Abs. 7) Gliederung in Baugebiete, zum Ausschluß bzw. zur Umwandlung allgemein (Abs. 5) oder ausnahmsweise zulässiger Nutzungen (Abs. 6) und zu einer weiteren Differenzierung nach Arten von baulichen und sonstigen Anlagen (Abs. 9) weisen keinen anderen Weg zur Festsetzung eines bestimmten Wohnungsanteils - und vermitteln damit auch nicht die planungsrechtliche Grundlage für die Forderung, einen solchen zu realisieren.
Ist für den innerstädtischen Bereich (ausnahmsweise) ein Mischgebiet festgesetzt (§ 6 BauNVO), sind hier ausdrücklich Wohngebäude allgemein zulässig (Abs. 2 Nr. 1). Eine Festsetzungsmöglichkeit wie in § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauNVO neben den übrigen Zulässigkeitsbeständen kennt die Vorschrift nicht.
2. Im unbeplanten Innenbereich
Gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB bestimmt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens im unbeplanten Innenbereich auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung danach, ob es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Maßgeblich ist dabei der konkrete, tatsächlich vorhandene Bestand9). Bei der Bestimmung des Rahmens, in den sich das Vorhaben einfügen muß, kann bezüglich der vorhandenen Nutzungsarten auf die in der BauNVO für die einzelnen Baugebiete typisierten Nutzungsarten zurückgegriffen werden. Der BauNVO kommt insoweit allerdings nur die Bedeutung einer Auslegungshilfe zu. Eine weitere Verfeinerung im Sinne einer Differenzierung der Nutzungsarten etwa nach Geschossen oder in sonstiger Weise kommt nicht in Betracht10).
In sogenannten homogenen Gebieten, in denen die Art der baulichen Nutzung nach der Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO entspricht, bietet gem. § 34 Abs. 2 BauGB die jeweilige Baugebietsvorschrift als Zulässigkeitstatbestand den Maßstab. Die planerischen Möglichkeiten der Feinjustierung wie in § 1 Abs. 4 bis 10 oder § 7 Abs. 4 BauNVO bestehen im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB nicht.
Im ganzen ergibt sich für Gebiete nach § 34 BauGB, daß die Forderung nach Realisierung eines bestimmten Wohnungsanteils bei einem Bauvorhaben nicht gerechtfertigt ist. Zwar ist der von der Umgebung vorgegebene Rahmen um so enger, je einheitlicher die das Grundstück prägende Umgebung ist11). Das könnte man so interpretieren, daß dann, wenn eine Vielzahl von Gebäuden in der näheren Umgebung einen Wohnanteil von ca. 20 % aufweist, dies auch für ein Neubauvorhaben zu fordern wäre. Der Grundsatz ist jedoch nicht im Sinne einer quantitativen Gewichtung von Nutzungsarten innerhalb einzelner Gebäude zu verstehen, sondern stellt den bodenrechtlichen Bezug in den Vordergrund. Eine weiter differenzierte Betrachtung läßt sich nur mit planerischen Mitteln durchführen. Eine städtebauliche Lenkung und Planung ist im unbeplanten Innenbereich indessen nicht möglich: „Der vorhandene städtebauliche Rahmen ist durch den baulichen Bestand da und kann nicht in eine bestimmte städtebauliche Richtung gelenkt werden. Aktiver Städtebau kann nicht mit einem konservativ ausgestalteten Rechtsinstrument geleistet werden12).“
3. Fazit
Im „Normalfall“ des Kerngebiets kann dem Bauherrn eines Neubauvorhabens kein bestimmter Wohnungsanteil abgefordert werden. Dies ist nur dann möglich, wenn die Kommune im Einzelfall von der eng begrenzten Festsetzungsmöglichkeit des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauNVO Gebrauch gemacht hat. Im Mischgebiet verbietet sich das Postulat vollends; das gilt auch für den unbeplanten Innenbereich. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens ergibt sich auch bezüglich der Art der baulichen Nutzung abschließend aus den §§ 30 ff. BauGB, gegebenenfalls in Verbindung mit einem Bebauungsplan und der BauNVO. Andere Grundlagen für die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens gibt es insoweit nicht. Insbesondere kann sich die Kommune nicht auf unverbindliche Planwerke oder - abstrakt - den Wunsch nach Sicherung der Wohnnutzung in Innenstadtbereichen berufen. Ein Bauvorhaben, das alle Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt, ist zwingend zu genehmigen. Die Eigentumsgarantie und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung lassen Nebenüberlegungen und die Herausbildung einer illegalen Verwaltungspraxis nicht zu.
Fußnoten:
1) Der Autor ist Partner der internationalen Wirtschaftssozietät Hammonds in Berlin.
2) Im Berliner Bezirk Mitte werden regelmäßig 20 % gefordert.
3) Siehe die allgemeine Zweckbestimmung („zentrale Einrichtungen“) in § 7 Abs. 1 BauNVO. - Vorliegend wird im übrigen vom aktuellen Stand der Gesetz- und Normgebung ausgegangen. Besonderheiten, wie sie aus den Baustufenplänen in Hamburg oder dem Baunutzungsplan für (West-) Berlin von 1958/60, die partiell als übergeleitete Bebauungspläne gelten, resultieren, sind nicht Gegenstand der Betrachtung.
4) Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 4 a Rn. 18.2
5) Fickert/Fieseler, a. a. O., § 7 Rn. 12.1
6) Nicht der tatsächlichen, vgl. Fickert/Fieseler a. a. O., § 9 a Rn. 33.1.
7) Der Gebietscharakter des Kerngebiets soll nicht in Frage gestellt werden.
8) Hier genügt ggf. schon die Sicherung von Wohnnutzung unter innerstädtischen Bedingungen: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1. Januar 2003, § 7 BauNVO Rn. 45 a.
9) z. B. BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 - 4 C 41/84 - NVwZ 1987, 884-886, 885.
10) Ernst/Zinkhahn/Bielenberg-Söfker, a. a. O., § 34 Rn. 39.
11) BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9/77 - BauR 1978, 276-283, 281
12) Bartholomäi, Vorhaben im unbeplanten Innenbereich. § 34 BauGB in der städtebaulichen Praxis, Vortrag im 452. Kurs des Instituts für Städtebau Berlin „Städtebau und Recht“ am 10. Oktober 2003 (452/21), S. 9
Autor: RA und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Martin Fleckenstein1)