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Probleme der Abwicklung des Mietvertrages für den Vermieter
12.12.2003 (GE 24/03, Seite 1592) Der Tod des alleinstehenden Mieters
Allgemeine Hinweise
1. Immer mehr Menschen leben allein. Die mit dem Tod eines Mieters verbundenen Probleme tauchen deshalb häufiger auf. Das trifft besonders dann zu, wenn eine Sonderrechtsnachfolge in das Mietverhältnis nach den §§ 563 f. BGB ausscheidet, weil kein gemeinsamer Haushalt mit anderen Personen geführt worden ist und der Erbe, mit dem der Mietvertrag dann fortgesetzt wird (§ 564 Satz 1 BGB), unbekannt ist.
2. In extremen Fällen kann es dazu kommen, daß der Mieter, ohne daß Verwandte oder Nachbarn davon etwas mitbekommen, bereits vor längerer Zeit verstorben und die Beseitigung der damit verbundenen Schäden mit erheblichen Kosten verbunden ist. Vor diesem Hintergrund hatte das AG Schwartau (WuM 2001, 546) sich gar mit der Frage zu beschäftigen, ob das Sterben in der angemieteten Wohnung und eine daraus folgende Substanzverletzung der Räume eine Überschreitung des Gebrauchsrechts darstellt. Dies ist vom Gericht verneint worden. Die Ansicht hat zur Folge, daß die vertragsgemäße Rückgabepflicht der Mietsache nicht verletzt wird, und ein Schadensersatzanspruch ohne Verschulden des Verstorbenen oder seines Erben nicht geltend gemacht werden kann.

Sonderkündigungsrecht
des Erben und Vermieters
Nach § 564 Satz 2 BGB sind beim Tod des Mieters sowohl der Erbe als auch der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem sie vom Tod des Mieters positive Kenntnis erlangt haben, außerordentlich mit gesetzlicher Frist zu kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt unter Abzug von drei Werktagen drei Monate (§ 573 b Abs. 2 BGB). Bei einer Erbengemeinschaft bzw. bei mehreren Vermietern ist die Kündigung von allen zu erklären. Sie bedarf der Schriftform (§ 568 Abs. 1 BGB). Schlägt der Erbe die Erbschaft aus (§ 1942 Abs. 1 BGB), so gilt der Eintritt in den Mietvertrag als nicht erfolgt. Der gesetzliche Erbe ist dann der Fiskus. Er kann die Erbschaft zwar nicht ausschlagen; bei ihm besteht jedoch die Möglichkeit, die Haftung auf den Nachlaß zu beschränken.

Unkenntnis über den Erben
1. Ist der Erbe unbekannt, so ist der Vermieter verpflichtet, das Zumutbare zu tun, um sich Gewißheit über die notwendigen Umstände zu verschaffen (LG Köln MDR 1967, 845). Die Kündigung gegenüber einem Nichterben ist unwirksam. Kenntnis über den Erben kann der Vermieter unter Umständen dadurch erhalten, daß er Ermittlungen beim Nachlaßgericht, im Verwandten- und Freundeskreis sowie bei den Nachbarn anstellt. Dies sollte, um das Verstreichen unnötiger Zeit und somit das Auflaufen von Mietforderungen zu verhindern, gleichzeitig erfolgen.
2. Nach § 34 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) hat das Nachlaßgericht Einsicht in die Nachlaßakten zu geben. Um das berechtigte Interesse daran darzutun, sollte der Vermieter insbesondere den Mietvertrag vorlegen.
Das Nachlaßgericht führt eine Nachlaßakte, in der die ihm erbrechtlich bekannten relevanten Vorgänge - wie Hinterlegung eines Testaments - erfaßt sind. Ist ein Testament hinterlegt, so hat der Vermieter nach Testamentseröffnung (§§ 2260 ff. BGB) die Möglichkeit, Kenntnis vom Erben zu erhalten.
Zuständig für die Ermittlungen ist das Nachlaßgericht, bei dem der Mieter zur Zeit des Todes seinen Wohnsitz hatte (§§ 72, 73 FGG).

Bestellung eines Nachlaßpflegers
1. Enthalten die Nachlaßakten keine erbrechtlich relevanten Vorgänge, weil z. B. ein Testament nicht vorhanden oder nur ein eigenhändiges Testament (§ 2247 BGB) errichtet worden ist, das sich aber nicht in amtsgerichtlicher Verwahrung befindet, so empfiehlt sich die Einsetzung eines Nachlaßpflegers zu beantragen (§ 1961 BGB). Nach § 1960 Abs. 1 BGB hat das Nachlaßgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das gilt, wenn der Erbe unbekannt oder ungewiß ist, ob der zwar bekannte Erbe die Erbschaft angenommen hat.
2. Die Ausschlagungsfrist für die Erbschaft beträgt sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe vom Anfall und Grund seiner Berufung als Erbe Kenntnis hat (§ 1944 Abs. 1 und 2 BGB).
3. Durch die Bestellung des Nachlaßpflegers wird die Vertretungsmacht begründet, mit Wirkung für und gegen den Erben Kündigungen auszusprechen und entgegenzunehmen. Der Vermieter kann mit ihm auch kurzfristig einen Mietaufhebungsvertrag über die vom verstorbenen Mieter bewohnte Wohnung abschließen. Der Vermieter sollte jedoch Wert darauf legen, daß darin alle mietrechtlichen Ansprüche geregelt sind, die ihm noch zustehen.
Der Nachlaßpfleger kann klagen und verklagt werden. Gegen ihn kann daher nach Kündigung des Mietverhältnisses Räumungsklage erhoben werden.

Ernennung eines Testamentsvollstreckers
Der Antrag auf Einsetzung einer Nachlaßpflegschaft ist beim Nachlaßgericht zu stellen. Zuständig ist das Amtsgericht, in dem der verstorbene Mieter zur Zeit des Erbfalls seinen Wohnsitz hatte. In dem Antrag sind darzustellen: der Tod des Mieters, die fehlende Kenntnis vom Erben und das Bedürfnis für die Bestellung eines Nachlaßpflegers (§ 1960 Abs. 1 BGB). Außerdem sollte der Mietvertrag vorgelegt werden.
Sofern der verstorbene Mieter durch Testament einen Testamentsvollstrecker ernannt hat und die Testamentsvollstreckung das Mietverhältnis umfaßt, steht ihm das außerordentliche befristete Kündigungsrecht (§ 564 Satz 2 BGB) zu. Dagegen ist der Vermächtnisnehmer (§ 1939 BGB) nicht befugt zu kündigen.

Rückgabe der Mietsache
Wird beim Tod des Mieters die vom Vermieter gekündigte Wohnung nicht zurückgegeben, so ist es dem Vermieter verwehrt, sich im Wege der Selbsthilfe in den Besitz der Wohnung zu setzen und sie zu räumen (OLG Düsseldorf DWW 1998, 342). Das Privat- und Prozeßrecht gibt für die Räumung feste Regeln vor. Der Anspruch darf nur im Wege der Räumungsklage und Vollstreckung auf der Grundlage eines Räumungstitels nach § 885 ZPO durch den Gerichtsvollzieher durchgesetzt werden. Der vollstreckbare Titel ist an die Erben bzw. an den Nachlaßpfleger zuzustellen.

Obhutspflicht des Vermieters
Befinden sich in der Wohnung noch Gegenstände des verstorbenen Mieters, so hat der Vermieter daran eine Obhutspflicht. Er darf sie nicht ohne weiteres entsorgen. Es ist nicht möglich, die Obhutspflicht formularmäßig im Mietvertrag abzubedingen (OLG Hamm ZMR 1992, 152). Die Dauer der Aufbewahrungszeit ist schwer zu bestimmen. Sie hängt vom Einzelfall ab. Dem Vermieter ist zu empfehlen, z. B. dem Erben die Beseitigung zurückgelassener Gegenstände anzudrohen. Kümmert er sich längere Zeit nicht darum, so verstößt er gegen Treu und Glauben, wenn er später wegen Verletzung der Obhutspflicht Schadensersatz fordert (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rdn. 1079). Soweit es sich um wertlose Gegenstände handelt, bei denen ein Transport nicht lohnenswert ist, kann unter den vorgenannten Umständen im Zurücklassen auch eine Aufgabe des Eigentums gesehen werden (§ 959 BGB).

Schlußbemerkung
Abschließend bleibt festzuhalten, daß der Tod eines alleinstehenden Mieters für den Vermieter insbesondere auch kostenmäßig mit erheblichen Problemen und Schwierigkeiten verbunden sein kann. Die bestehende Rechtslage vermag die Schwierigkeiten oft kaum befriedigend zu lösen. Andererseits ist dem Vermieter Selbsthilfe versagt, die zivilrechtlich trotz einer Beendigung des Mietvertrags eine unzulässige Eigenmacht nach § 858 Abs. 1 und 2 BGB darstellt.
Autor: Dr. Hans-Herbert Gather