Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Der Blick ist frei
19.11.2003 (GE 22/03, Seite 1441) Immer, wenn wieder mal ein Fernsehfilm läuft, in dem der böse Baulöwe die Strippen zieht und mit Kommunalpolitikern kungelt, denke ich: Das muß in einem anderen Jahrhundert gewesen sein, als noch Wohnsiedlungen und Bürohäuser entstanden, neue Schulen und gläserne Schwimmhallen. Heute werden Rathäuser zu Rosthäusern, in Schulen regnet es hinein und die Schwimmbäder werden schlicht und einfach geschlossen. Toll Collect sorgt für die Kürzung von Autobahnprogrammen, und die Schlaglöcher in Straßen sorgen für beschädigte Stoßdämpfer und Achsen.
Nun soll das Streichen von Subventionen ja richtig losgehen, und da kann die Eigenheimzulage nicht außen vor bleiben. So wie ja auch die Abschreibungsvergünstigungen seligen Angedenkens bis auf den Denkmalschutz längst gekillt sind. Und mehr als das: Selbst der normale, sich ständig beschleunigende Wertverzehr von Anlagegütern, selbst die grundlegende Modernisierung von Gebäuden - sie alle werden mit immer niedrigeren AfA-Sätzen versehen. Das muß dann zwangsläufig zum latenten Substanzverzehr führen, dem keine Neuinvestition folgt.

Das alles hat nun mit der Stornierung steuerlicher Vergünstigungen nichts mehr zu tun. Und die Abschaffung der Eigenheimzulage wird schließlich nur dann sinnvoll, wenn sie einhergeht mit einer allgemeinen steuerlichen Entlastung, so daß durch verstärkte Spartätigkeit das Kapital vermehrt angesammelt werden kann, das zum Bauen unvermeidbar nötig ist.

Was passiert statt dessen? Die Windkraft wird in einer Weise zu Lasten der Verbraucher gefördert, daß es geradezu obszön ist. Jedem Deutschen sein Windrad! Das Kerosin bleibt steuerbegünstigt, Spanien erhält auch weiterhin Strukturbeihilfen der EU, auf daß jeder Deutsche per Easy-Jet oder Ryan-Air billig ans Mittelmeer fliegen und fleißig CO2 produzieren kann. Jedem Deutschen seine Zweitwohnung - in Spanien!

Staatliche Beihilfen, Fördermittel, Importbarrieren gab es, seit es den modernen Verwaltungsstaat mit seinen Bürokratien gibt. Das 19. Jahrhundert ist voll von Auseinandersetzungen über die Schutzzölle. In England sind Premierminister darüber gestürzt, in Preußen hatte selbst Bismarck seine Probleme damit. Napoleon wollte mit der Kontinentalsperre die Engländer in die Knie zwingen - und ruinierte doch nur die eigene Wirtschaft und die der besetzten Länder. Was schon damals drastisch zeigte, daß die Zwangs- wie die Fördermaßnahmen des Staates, das Zuckerbrot wie die Peitsche, nur zur Lust der Bürokraten und zur Last der Betroffenen veranlaßt werden.

Der Staat soll die Rahmenbedingungen, vulgo die Gesetze schaffen, die den Bürgern den freien Blick, die freie Entfaltung und die freie Bewegung gewährleisten. Im übrigen darf der Staat gelegentlich - am besten in der Karnevalszeit - zur Belustigung der Menschen durch den Erlaß überflüssiger Verordnungen beitragen. Etwa, wie Sachsen-Anhalt das 1993 getan hat, durch die Ausgabe einer „Benutzungsverordnung für Aborte (BoA) unter § 5, Sitzposition„: „Der Benutzer setzt sich unter gleichzeitigem Anheben der Oberbekleidungsstücke so tief in die Hocke, bis das Gesäß in die Sitzaufnahme einrastet. Das Gewicht des Körpers ist gleichmäßig gleichseitig verteilt, der Oberkörper leicht nach vorn geneigt. Die Ellenbogen ruhen auf dem Muskelfleisch der Oberschenkel, der Blick ist frei geradeaus gerichtet.„
Frage: Was macht der Benutzer nach dem „Anheben der Oberbekleidungsstücke„ (s. o.) eigentlich mit der Unterbekleidung?
Immerhin: Der Blick des sitzenden Bürgers sei frei - auch und gerade auf dem Klo! Na bitte - das ist doch auch schon mal ein Stück Freiheit, oder etwa nicht?
Autor: Dietmar Otremba