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Bezirksamt Treptow-Köpenick mit Bauernfänger-Trick
Anlieger sollen Mini-Vorgärten zu Baulandpreisen erwerben
19.11.2003 (GE 22/03, Seite 1467) Eine neue Quelle der Geldschöpfung hat in Berlin das Bezirksamt Treptow-Köpenick (andere Bezirksämter möglicherweise auch) entdeckt, auch vom Berliner Liegenschaftsfonds wurde entsprechendes Vorgehen berichtet: Grundstückseigentümer sollen die oft in öffentlichem Besitz befindlichen Mini-Vorgärten ihrer Häuser, die eigentlich Straßenland sind, kaufen. Und sie sollen für die unbebaubaren Zwergparzellen Baulandpreise bezahlen. Wir können nur warnen: Es handelt sich um einen Bauernfängertrick.
Wenn in Berlin Straßen hergestellt und dafür Grundstücke in Anspruch genommen wurden, stellte sich vielfach heraus, daß nicht die ganze Fläche für die Straße gebraucht wurde. Es entstanden am Rande der Straßen kleine Restflächen. Diese kleinen Flächen wurden dann von den Anliegern vielfach als Vorgärten genutzt und oft sogar eingefriedet, weil die Flächen direkt vor den individuell genutzten Grundstücken liegen.
Die Bezirksämter reagierten auf die „Privatisierung„ der kleinen Grundstücksflächen durch die Anlieger im Regelfall nicht. Es fand auch keine Nutzungsuntersagung statt.
Dann wurde aber im Tiefbauamt Treptow-Köpenick dieser „Mißstand„ erkannt. Seitdem erhalten Anlieger ein Schreiben, in dem ihnen die Fläche des Vorgartens, die als Straßenland ausgewiesen ist, zum Kauf angeboten wird. Selbstverständlich wird auch darüber informiert, daß die ausgeübte Nutzung als Vorgarten sich nicht mit dem Berliner Straßengesetz verträgt, weil „im Rahmen des Anliegergebrauchs von öffentlichem Straßenland eine Nutzung als Vorgarten nicht vorgesehen ist„ und „eine Sondernutzungserlaubnis für diesen Zweck nicht erteilt werden kann„.
Die Anlieger sollen die Flächen des Vorgartens kaufen, wobei der Kaufpreis auf der Grundlage des Wertes für Bauland zu zahlen wäre; dann könnte der bisherige Zustand weitergeführt werden, so das Bezirksamt. Was ist eine Vorgartenfläche in diesem Fall nun wirklich wert?
Es liegt auf der Hand, daß eine solche Fläche kein eigenes Baugrundstück sein kann, ist sie doch ca. 3 m breit und so lang, wie das Anliegergrundstück an der Straße liegt. Als ausgewiesenes Straßenland hält sich der Grundstückswert in Grenzen, gibt es doch für Straßenland nur einen sehr begrenzten Käuferkreis. Auch der Ankauf durch die Anlieger ändert nichts an der ausgewiesenen Straßenlandnutzung, die auch die Unterhaltung und Verkehrssicherungspflicht unabhängig vom Eigentum dem Bezirksamt zuweist. Erst die öffentlich-rechtliche Entwidmung des Straßenlandes durch Verwaltungsakt, der im Berliner Amtsblatt zu veröffentlichen ist, kann die Qualität des Vorgartens als Straßenland ändern. Dazu muß das Bezirksamt die abzutrennende Fläche vermessen, im Liegenschaftskataster teilen lassen und dann die Entwidmung durchführen. Dabei sind auch Grundbuch und Liegenschaftskataster zu ändern.
Nach diesem Vorgehen der Verwaltung, was betriebswirtschaftlich gesehen erhebliche Kosten verursacht, steht ein zu veräußerndes Flurstück, welches kein Straßenland mehr darstellt, zur Verfügung.
Dieses Flurstück ist selbständig immer noch kein Bauland, da es offensichtlich für sich nicht bebaubar ist. Aber in Verbindung mit dem Anliegergrundstück kann es in die bebaubare Fläche dieses Grundstücks integriert werden. Damit ändern sich die mögliche bauliche Ausnutzung und damit die zu errichtende Geschoßfläche. Für das Anliegergrundstück ist es also Bauland, aber nur für das Anliegergrundstück.
Der Verkehrswert der Vorgartenfläche im allgemeinen Geschäftsverkehr nach der Definition des § 194 BauGB ist sehr gering, da kein ernsthafter Käufer denkbar ist. Im marktüblichen Interessenausgleich ist der Vorteil für die Anlieger gegenüber den Nachteilen durch den Verlust des Vorgartens einerseits gegen die Situation des Bezirksamtes mit der Verpflichtung zur Unterhaltung der Vorgartenfläche und einem jahrelangen Rechtsstreit abzuwägen.
Daß es kaum einen marktgerechten Wert für Flächen und Situationen dieser Art gibt, liegt auf der Hand. Selbstverständlich können erfahrene Sachverständige der Grundstückswertermittlung für jeden Einzelfall Werte solcher Flächen ermitteln, indem alle Aspekte miteinander abgewogen werden. Die Kosten solcher Gutachten fallen dann ebenfalls an.
Es bietet sich aber ein besserer Weg an, der bei realer Einschätzung der Situation auch vom Bezirksamt zu erwarten gewesen wäre. Der Gesetzgeber hat für eine vergleichbare Situation eine gesetzliche Regelung geschaffen, die inhaltlich hier angewendet werden könnte. In den neuen Bundesländern befinden sich zahlreiche Flächen im Privateigentum, obwohl sie öffentlich genutzt werden, darunter besonders viele Straßen. Zur Klärung dieser rechtlichen Situation, die eine Umkehrung der vorliegenden Nutzungsform ist, wurden genaue Vorschriften zum Ankaufspreis ins Gesetz aufgenommen. Warum sollen diese Regelungen nicht in sinngemäßer Anwendung auch für solche Fälle in Frage kommen?
Nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz würde der Ankaufspreis dieser Straßenlandfläche mit Vorgartennutzung 20 % des Bodenwertes betragen, höchstens 15 €/m2 in Berlin. Unterstellt man Bauland, liegt hier ein Bodenrichtwert von 190 €/m2 vor, der noch um mehrere Einflußfaktoren zu korrigieren wäre. Damit wird wohl regelmäßig die Obergrenze überschritten, so daß ein Kaufpreis von 15 €/m2 angemessen wäre. Dabei hat übrigens die Verwaltung alle Kosten des Kaufs zu übernehmen, wie die Vermessung, alle Grundbuchänderungen und auch die Notarkosten für die Grundstückskaufverträge mit den jeweiligen Wohnungseigentümern in Fällen des Wohnungseigentums.
Da nach Aussage des Bezirksamtes Treptow-Köpenick eine Vorgartennutzung auf Straßenland aber nicht zulässig ist, hat die Verwaltung auch noch die Entwidmung vorzunehmen. Stellt sich nur die Frage, was mit allen anderen Vorgärten in Berlin geschieht, die von den Anliegern in der gesamten Stadt privat genutzt werden.
Fußnote:
*) öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, beratender Ingenieur
Die Bezirksämter reagierten auf die „Privatisierung„ der kleinen Grundstücksflächen durch die Anlieger im Regelfall nicht. Es fand auch keine Nutzungsuntersagung statt.
Dann wurde aber im Tiefbauamt Treptow-Köpenick dieser „Mißstand„ erkannt. Seitdem erhalten Anlieger ein Schreiben, in dem ihnen die Fläche des Vorgartens, die als Straßenland ausgewiesen ist, zum Kauf angeboten wird. Selbstverständlich wird auch darüber informiert, daß die ausgeübte Nutzung als Vorgarten sich nicht mit dem Berliner Straßengesetz verträgt, weil „im Rahmen des Anliegergebrauchs von öffentlichem Straßenland eine Nutzung als Vorgarten nicht vorgesehen ist„ und „eine Sondernutzungserlaubnis für diesen Zweck nicht erteilt werden kann„.
Die Anlieger sollen die Flächen des Vorgartens kaufen, wobei der Kaufpreis auf der Grundlage des Wertes für Bauland zu zahlen wäre; dann könnte der bisherige Zustand weitergeführt werden, so das Bezirksamt. Was ist eine Vorgartenfläche in diesem Fall nun wirklich wert?
Es liegt auf der Hand, daß eine solche Fläche kein eigenes Baugrundstück sein kann, ist sie doch ca. 3 m breit und so lang, wie das Anliegergrundstück an der Straße liegt. Als ausgewiesenes Straßenland hält sich der Grundstückswert in Grenzen, gibt es doch für Straßenland nur einen sehr begrenzten Käuferkreis. Auch der Ankauf durch die Anlieger ändert nichts an der ausgewiesenen Straßenlandnutzung, die auch die Unterhaltung und Verkehrssicherungspflicht unabhängig vom Eigentum dem Bezirksamt zuweist. Erst die öffentlich-rechtliche Entwidmung des Straßenlandes durch Verwaltungsakt, der im Berliner Amtsblatt zu veröffentlichen ist, kann die Qualität des Vorgartens als Straßenland ändern. Dazu muß das Bezirksamt die abzutrennende Fläche vermessen, im Liegenschaftskataster teilen lassen und dann die Entwidmung durchführen. Dabei sind auch Grundbuch und Liegenschaftskataster zu ändern.
Nach diesem Vorgehen der Verwaltung, was betriebswirtschaftlich gesehen erhebliche Kosten verursacht, steht ein zu veräußerndes Flurstück, welches kein Straßenland mehr darstellt, zur Verfügung.
Dieses Flurstück ist selbständig immer noch kein Bauland, da es offensichtlich für sich nicht bebaubar ist. Aber in Verbindung mit dem Anliegergrundstück kann es in die bebaubare Fläche dieses Grundstücks integriert werden. Damit ändern sich die mögliche bauliche Ausnutzung und damit die zu errichtende Geschoßfläche. Für das Anliegergrundstück ist es also Bauland, aber nur für das Anliegergrundstück.
Der Verkehrswert der Vorgartenfläche im allgemeinen Geschäftsverkehr nach der Definition des § 194 BauGB ist sehr gering, da kein ernsthafter Käufer denkbar ist. Im marktüblichen Interessenausgleich ist der Vorteil für die Anlieger gegenüber den Nachteilen durch den Verlust des Vorgartens einerseits gegen die Situation des Bezirksamtes mit der Verpflichtung zur Unterhaltung der Vorgartenfläche und einem jahrelangen Rechtsstreit abzuwägen.
Daß es kaum einen marktgerechten Wert für Flächen und Situationen dieser Art gibt, liegt auf der Hand. Selbstverständlich können erfahrene Sachverständige der Grundstückswertermittlung für jeden Einzelfall Werte solcher Flächen ermitteln, indem alle Aspekte miteinander abgewogen werden. Die Kosten solcher Gutachten fallen dann ebenfalls an.
Es bietet sich aber ein besserer Weg an, der bei realer Einschätzung der Situation auch vom Bezirksamt zu erwarten gewesen wäre. Der Gesetzgeber hat für eine vergleichbare Situation eine gesetzliche Regelung geschaffen, die inhaltlich hier angewendet werden könnte. In den neuen Bundesländern befinden sich zahlreiche Flächen im Privateigentum, obwohl sie öffentlich genutzt werden, darunter besonders viele Straßen. Zur Klärung dieser rechtlichen Situation, die eine Umkehrung der vorliegenden Nutzungsform ist, wurden genaue Vorschriften zum Ankaufspreis ins Gesetz aufgenommen. Warum sollen diese Regelungen nicht in sinngemäßer Anwendung auch für solche Fälle in Frage kommen?
Nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz würde der Ankaufspreis dieser Straßenlandfläche mit Vorgartennutzung 20 % des Bodenwertes betragen, höchstens 15 €/m2 in Berlin. Unterstellt man Bauland, liegt hier ein Bodenrichtwert von 190 €/m2 vor, der noch um mehrere Einflußfaktoren zu korrigieren wäre. Damit wird wohl regelmäßig die Obergrenze überschritten, so daß ein Kaufpreis von 15 €/m2 angemessen wäre. Dabei hat übrigens die Verwaltung alle Kosten des Kaufs zu übernehmen, wie die Vermessung, alle Grundbuchänderungen und auch die Notarkosten für die Grundstückskaufverträge mit den jeweiligen Wohnungseigentümern in Fällen des Wohnungseigentums.
Da nach Aussage des Bezirksamtes Treptow-Köpenick eine Vorgartennutzung auf Straßenland aber nicht zulässig ist, hat die Verwaltung auch noch die Entwidmung vorzunehmen. Stellt sich nur die Frage, was mit allen anderen Vorgärten in Berlin geschieht, die von den Anliegern in der gesamten Stadt privat genutzt werden.
Fußnote:
*) öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, beratender Ingenieur
Autor: Dipl.-Ing. Bernhard Bischoff*