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Serie: Typische Baufehler und ihre Ursachen
24. Sichtflächen - Beurteilung (z. B. Fassadenflächen)
19.11.2003 (GE 22/03, Seite 1485) Jeder, der bereits eine Fassade instand gesetzt hat, kennt folgende hörbare „Laute„, sobald die Fassade abgerüstet ist: Ein freudiges „Oohh …„, wenn ein positives Ergebnis erzeugt wurde, oder ein bedrücktes „Äähh …„, wenn die Erwartungen nicht erfüllt wurden. Da die Menschen unterschiedliche Erwartungshaltungen haben, läßt sich auf den daraus resultierenden „Streit„ warten.
Wie wird jedoch mit den Sichtflächen umgegangen?
Alles was man
— nicht messen oder wiegen kann,
— nicht in einer DIN-Vorschrift steht,
— nicht „eindeutig und erschöpfend„, zwischen AG/AN vereinbart wurde,
muß subjektiv beurteilt werden (Schulz, Joachim: Sichtbeton-Mängel, VIEWEG Verlag)!
Jede Ansichtsfläche ist hinsichtlich des Aussehens ein Unikat aufgrund
— zulässiger Maßtoleranzen
— Witterungsbedingungen usw.
Die Bewertung, ob z. B. die Fassadenart „üblich„ ist und ob die Ausführung der Leistung entspricht, die der Auftraggeber „erwarten„ kann, bedarf Sachverständigenerfahrung.
Der Ortstermin sowie die Beurteilung einzelner Leistungen erfolgen in der Regel nach folgenden Grundsätzen:
1. Bei der Prüfung auf evtl. Fehler ist die Betrachtung möglichst im rechten Winkel auf die Oberfläche durchzuführen (siehe Skizze 1).
2. Die Prüfung ist in der Regel in dem Abstand durchzuführen, welcher der „üblichen Nutzung„ entspricht.
Der „übliche„ Betrachtungsabstand ist vergleichbar mit einer Gemäldebetrachtung, d. h. kleinere Bilder erfordern einen geringeren, größere Bilder einen entsprechenden weiteren Betrachtungsabstand. Demzufolge wird eine Fassade nicht vom Gerüst, sondern wie folgt betrachtet:
Traufhöhe = Betrachtungsabstand
EG-Fenster: Höhe = Abstand usw.
(siehe Skizze 2).
3. Geprüft werden sollte unter „normalen„ Tageslichtverhältnissen, d. h. Unregelmäßigkeiten, die durch seitlichen Einfall von natürlichem Sonnenlicht zeitlich begrenzt sichtbar werden, sind in der Regel hinzunehmen.
Bei der Auswertung über das Ergebnis des optischen Fassadeneindruckes müssen folgende Überlegungen berücksichtigt werden: Der „Wert„ einer Fassade unterteilt sich in:
— den Gebrauchswert,
— den Geltungswert.
Unter dem Gebrauchswert (Gebrauchsfunktion) versteht man die rein technische Funktion, z. B. Standsicherheit, Feuchteschutz, Wärme-, Schall-, Brandschutz.
Unter dem Geltungswert (Geltungsfunktion) versteht man die rein optische Bedeutung, z. B. Gebäudegestaltung, Putzstruktur usw.
Beim Geltungswert ist zusätzlich zu berücksichtigen, daß eine Fassade an einem z. B. Luxushotel anders zu bewerten ist als eine Fassade an einem Lagerhaus oder eine Hoffassade.
Die Gewichtung zwischen Gebrauchswert und Geltungswert liegt ca. bei 60 % bis 70 % bzw. 30 % bis 40 %.
Die Fassadengeltung kann weiter unterteilt werden in:
Strukturgleichheit, Farbton, Ecken- und Kantenausbildung, Ebenheit. Evtl. Abweichungen können eine Skalierung von 0 bis 10 (keine Mängel bis unverwertbar) erhalten.
Der Sachverständige kann daraus eine evtl. technische Minderung ermitteln.
Autor: Dipl.-Ing. Joachim Schulz, Architekt & ö. b. u. v. Sachverständiger