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Tolle Kollekte
11.11.2003 (GE 21/03, Seite 1345) Geht es Ihnen auch so, daß Sie manchmal vor Wut schreien möchten, weil Sie diese sinnlos verwendeten Anglizismen - vorzugsweise im Marketing der verschiedenen Firmen - nicht mehr ertragen können? Daß Sie den Verdacht nicht loswerden, mit ständig neuem, fremderen Vokabular würden Schwächen verdeckt, Mängel beschönigt, Fehler kaschiert?
Ein schönes Beispiel ist ja „Toll Collect„! Da tun sich - mit einem französischen Unternehmen im Schlepptau - zwei deutsche Großkonzerne zusammen - der eine immer noch eine Fast-Behörde mit ausreichend monopolistischen Sonderrechten (Telekom), der andere - go west, go global - mit einer amerikanischen Tochter beschwert, die die Mutter (Daimler) wie das Blei den Schwimmer in die Tiefe zieht. Die gemeinsame Gesellschaft soll Autobahnbenutzungsgebühren - eben die Maut - ermitteln und eintreiben. Nennt man die Gesellschaft „Mauterfassung„ oder „Mautkasse„ oder vielleicht „Maut macht Mut„ oder so ähnlich? Nein, es muß englisch sein, dann geht das alles ja viel besser - denkste. Gegangen sind die Manager, vergangen ist die Hoffnung auf Gewinne und Gebühren. Geblieben ist die Blamage, die auf englisch natürlich auch international leicht verständlich ist: „Toll Collect„. Besser sollte es wohl heißen: toll defekt.
Fahren Sie einen BMW von der „BMW-Group„? So heißt die nämlich jetzt: nicht Gruppe, sondern Group. Damit man eben ein BMW-Groupie wird und nicht etwa ein simpler BMW-Fahrer. Noch besser wird es, wenn Sie sich bei der BMW-AG, Personalabteilung, um eine leitende Stellung bewerben. Sie kriegen dann eine Antwort der „BMW-Group„ - nunmehr unterzeichnet von der „Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft Recruiting„, nein, nicht von der Personalabteilung, sondern von (Herrn? Frau?) Recruiting. Arbeiten die auf dem Kasernenhof? Stellen die Rekruten ein? Mitnichten, man ist in München, und hier heißt das Ding eben „Recruiting„.
Kritischer wird’s dann schon im eigentlichen Wirtschaftsleben. Wenn alle Welt von und nach „Corporate Governance„ schreibt und schreit, dann fragt sich doch der ernsthafte Marktteilnehmer („Player„), was das eigentlich soll - und was das meint? Unternehmensverwaltung? Unternehmensverfassung? Oder was sonst? Und wenn dann noch der Vorstandschef zum CEO (Chief Executive Officer) umgetauft wird, nur damit die Corporate Governance den diversen Vice Presidents und Chief Operating Officers so richtig auf englisch nahegebracht werden kann, dann sollte doch der „Board„ (entfernt verwandt mit dem Aufsichtsrat seligen Angedenkens) den Firmensitz gleich nach L.A. verlegen, wo der Arnie jetzt Hilfestellung beim richtigen Übersetzen leisten kann.
Die Lachnummer des Monats, aller-dings eine Milliarden teure (so viel kostete die Tochter), bot aber die Deutsche Bahn, DB, die mit halbseitiger FAZ-Anzeige ihre Tochtergesellschaft im Frachtverkehr anpries: „Stinnes Logistics„, „Passion„, „Experience„, „Competence„, „Networking„, „Global Thinking„, „Power„. „Stinnes. The Future of Logistics„. Und dann noch: „Mit Stinnes gehört der Bahn die Zukunft.„ Mag ja sein. Mit dem augenblicklichen Niveau von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Personenverkehr jeden-falls nicht. Aber vielleicht kommt die ja noch - mit neuer, globaler, anglifizierter Werbung, die dann sicher auch jeder versteht. Hoffentlich auch die Oma, die ja nicht im Hühnerstall Motorrad fahren, sondern in bequemen Sitzen, warmen Abteilen und mit funktionierenden Toiletten von Hamburg nach München und von Berlin nach Frankfurt rollen will. Nicht easy, nicht sophisticated, nicht on time - sondern einfach pünktlich und bequem. Wie wär‘s denn damit?
Fahren Sie einen BMW von der „BMW-Group„? So heißt die nämlich jetzt: nicht Gruppe, sondern Group. Damit man eben ein BMW-Groupie wird und nicht etwa ein simpler BMW-Fahrer. Noch besser wird es, wenn Sie sich bei der BMW-AG, Personalabteilung, um eine leitende Stellung bewerben. Sie kriegen dann eine Antwort der „BMW-Group„ - nunmehr unterzeichnet von der „Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft Recruiting„, nein, nicht von der Personalabteilung, sondern von (Herrn? Frau?) Recruiting. Arbeiten die auf dem Kasernenhof? Stellen die Rekruten ein? Mitnichten, man ist in München, und hier heißt das Ding eben „Recruiting„.
Kritischer wird’s dann schon im eigentlichen Wirtschaftsleben. Wenn alle Welt von und nach „Corporate Governance„ schreibt und schreit, dann fragt sich doch der ernsthafte Marktteilnehmer („Player„), was das eigentlich soll - und was das meint? Unternehmensverwaltung? Unternehmensverfassung? Oder was sonst? Und wenn dann noch der Vorstandschef zum CEO (Chief Executive Officer) umgetauft wird, nur damit die Corporate Governance den diversen Vice Presidents und Chief Operating Officers so richtig auf englisch nahegebracht werden kann, dann sollte doch der „Board„ (entfernt verwandt mit dem Aufsichtsrat seligen Angedenkens) den Firmensitz gleich nach L.A. verlegen, wo der Arnie jetzt Hilfestellung beim richtigen Übersetzen leisten kann.
Die Lachnummer des Monats, aller-dings eine Milliarden teure (so viel kostete die Tochter), bot aber die Deutsche Bahn, DB, die mit halbseitiger FAZ-Anzeige ihre Tochtergesellschaft im Frachtverkehr anpries: „Stinnes Logistics„, „Passion„, „Experience„, „Competence„, „Networking„, „Global Thinking„, „Power„. „Stinnes. The Future of Logistics„. Und dann noch: „Mit Stinnes gehört der Bahn die Zukunft.„ Mag ja sein. Mit dem augenblicklichen Niveau von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Personenverkehr jeden-falls nicht. Aber vielleicht kommt die ja noch - mit neuer, globaler, anglifizierter Werbung, die dann sicher auch jeder versteht. Hoffentlich auch die Oma, die ja nicht im Hühnerstall Motorrad fahren, sondern in bequemen Sitzen, warmen Abteilen und mit funktionierenden Toiletten von Hamburg nach München und von Berlin nach Frankfurt rollen will. Nicht easy, nicht sophisticated, nicht on time - sondern einfach pünktlich und bequem. Wie wär‘s denn damit?
Autor: Dietmar Otremba