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Von allen guten Geistern verlassen
16.10.2003 (GE 20/03, Seite 1289) Ein größeres Durcheinander, als es zur Zeit in der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien herrscht, ist kaum vorstellbar. Täglich werden neue Reform-Konzepte entwickelt, in Stunden oder Tagen wieder geändert, um innerhalb kürzester Zeit neu aufzuleben.
Aber nicht nur dieser Schlingerkurs verstört die Menschen. Es sind auch die Inhalte, die weite Bevölkerungskreise verunsichern. Zu dem, was hier angedacht ist und in die Gesetzgebungsmaschine eingebracht wird oder werden soll, kann man nur sagen: Von allen guten Geistern verlassen!

Immer steht dabei auch Haus & Grund im Vordergrund. Denn allen Konzepten ist eines gemeinsam: Es fehlt überall Geld. Mittel müssen beschafft werden, sei es für die notleidenden Länder und Gemeinden, sei es für die defizitären Sozialversicherungssysteme, sei es für die anderen leeren öffentlichen Hände. Irgend jemand muß hier Opfer bringen, und wer eignete sich dazu besser als Haus & Grund? Denn da bei den breiten Bevölkerungsschichten die Möglichkeiten begrenzt sind und zugleich im Hinblick auf kommende Wahlen Vorsicht angebracht ist, muß das große Schröpfen primär dort einsetzen, wo durch Arbeit, Sparen und Verzicht über Jahre und Jahrzehnte Vermögenswerte geschaffen wurden wie bei Haus & Grund. Dabei stellt sich die rot-grüne Regierung mit breiter Unterstützung auch der Gewerkschaften vor, daß hier unter dem Gesichtspunkt der „sozialen Gerechtigkeit“ überproportional zugeschlagen werden soll.

Am weitesten ist dabei die Idee entwickelt, neben den Zinserträgen vor allem auch Mieten und Pachten mit zur Grundlage der Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung zu machen. Angedacht ist dies erst einmal nur für die Krankenversicherung, aber auch von der Rentenversicherung ist bereits die Rede. Es eröffnen sich hier bei Fortfall der Deckelung, wie sie mit der Beitragsbemessungsgrenze bisher gegeben war, für alle Bürger jenseits dieser Grenze ungeahnte, nach oben offene Möglichkeiten. Zur Vernebelung der eigentlichen Absichten wurde dabei der Begriff der Bürgerversicherung erfunden, die nichts anderes sein würde als eine Zwangsversicherung von allen Einkünften für jedermann. Sie findet bei SPD und Grünen immer mehr Anhänger, wobei die damit verbundene gigantische Ausweitung der Beitrags- und Leistungsbürokratien völlig vernachlässigt wird. Und da man schon einmal bei der Anhebung der Beitragsbasis um Mieten, Pachten und Zinsen ist, soll nun auch für die Errechnung der Gewerbesteuer ein solches Verfahren kommen.

Da paßt es ins Bild, daß in jüngster Zeit wieder einmal die Diskussion um eine Erhöhung der Erbschaftsteuer ausgebrochen ist. Unabhängig von dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Bewertung von Immobilien, dessen Ausgang man doch tunlichst abwarten sollte, wird hier von den Regierungsparteien immer lauter eine stärkere Besteuerung der „Großvermögen“ gefordert. Von der „Verantwortung reicher Erben für den Sozialstaat“ ist die Rede, auch der Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ fehlt nicht. Da wird eine neue Runde in der Diskussion um die Vermögensteuer nicht weit sein. Die Eigenheimzulage soll total verschwinden, was einen massiven Einbruch bei den Eigenheim-Bauherren zur Folge haben dürfte. Vergessen wird dabei, daß doch bereits vor einiger Zeit die Einkommensgrenzen nachhaltig gesenkt wurden …

Wer wird sein Geld bei diesen Aussichten noch privat in deutschen Immobilien anlegen? Dabei wäre dies das Feld, bei dem die Arbeitslosigkeit am ehesten nachhaltig gesenkt werden könnte. 1998 gab es in der Bauwirtschaft noch 1,2 Millionen Beschäftigte, zur Zeit liegt die Zahl bei deutlich unter 800.000. Der Abfluß von Milliardenbeträgen in ausländische Immobilienfonds beweist, daß es bauwillige Investoren genug gibt. Eine kluge Politik würde sie durch entsprechende Erleichterungen für Deutschland begeistern. 400.000 Bauarbeiter warten auf Arbeit.
Autor: Karl Heinz Reher