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Rechtskraftdurchbrechung
Zulässige Gegenvorstellung
16.10.2003 (GE 20/03, Seite 1304) Zur Vermeidung von Verfassungsbeschwerden kann jetzt ein Gericht seine eigenen rechtskräftigen Entscheidungen wieder aufheben.
Der Fall: Das Kammergericht als Berufungsgericht hatte einen Zurückweisungsbeschluß nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO erlassen, der grundsätzlich nicht anfechtbar ist. Der Berufungskläger rügte die Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör und legte außerordentliche Beschwerde ein.
Die Entscheidung: Das Kammergericht hielt die außerordentliche Beschwerde für unzulässig und meinte überdies, daß eine entsprechende Anwendung des § 321 a ZPO nicht möglich sei, weil diese Regelung nur für erstinstanzliche Urteile gelte. Jedoch sei die Beschwerde als Gegenvorstellung anzusehen, die insofern zulässig sei. Das gelte allerdings nur bei Rügen wegen Verletzung von Grundrechten (rechtliches Gehör und gesetzlicher Richter). Man müßte nicht erst den Umweg über eine Verfassungsbeschwerde einschlagen, um letztlich die Rechts- bzw. Bestandskraft einer unanfechtbaren Entscheidung durchbrechen zu können. Auf eine Gegenvorstellung könne daher ein Gericht seine eigene Entscheidung korrigieren. In der Sache selbst konnte das KG allerdings kei-nen Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze feststellen, so daß die Gegenvorstellung letztlich keinen Erfolg hatte.
Der Kommentar: Immer derjenige, der einen Rechtsstreit verliert, möchte dagegen ein Rechtsmittel einlegen, um letztlich doch noch seine Ansicht durchzusetzen. Dagegen steht - irgendwann einmal - die Rechtskraft, denn irgendwann einmal muß Schluß sein. Rechtskraft kann jedoch dann durchbrochen werden, wenn die Entscheidung auf der Verletzung von Grundrechten beruht. Das passiert einmal schon (unbeabsichtigt) z. B. dann, wenn man einen Schriftsatz einer Partei übersehen hat, in dem entscheidender Vortrag stand (Verletzung rechtlichen Gehörs). Früher mußte man den Umweg über eine Verfassungsbeschwerde gehen, um eine derartige Entscheidung zu kassieren; der Instanzrichter durfte seine eigene Entscheidung nicht revidieren. Vom Gesetz her bedeutet § 321 a ZPO einen ersten Durchbruch insofern, als der Richter der ersten Instanz auf Rüge seine Entscheidung aufheben kann, so daß der Prozeß in die Lage zurückversetzt werden kann, in der er sich vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung befand. Für das Berufungs- und Revisionsgericht gilt diese Bestimmung nicht. Das OLG Celle (NJW 2003, 420) hat insofern an eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift gedacht. Das Kammergericht ist den Weg der Gegenvorstellung gegangen, auf die letztlich so verfahren werden kann, wie § 321 ZPO es vorsieht. Das ist ein - jedenfalls zur Zeit noch - sehr mutiger Weg, der die große Gefahr in sich birgt, daß die Instanzgerichte mit Gegenvorstellungen überschwemmt werden. Selbst wenn es bei einer unbegründeten Gegenvorstellung nicht zur Aufhebung der zugrunde liegenden Entscheidung kommt, müssen die Gericht sich jedoch noch einmal mit der Akte beschäftigen. Es ist allerdings in der Zukunft eine Neuregelung des entsprechenden Beschwerderechts zu erwarten, so daß irgendwann einmal eine dem § 321 a ZPO entsprechende Regelung vom Gesetzgeber beschlossen werden wird.
KG, Beschluß vom 12. Mai 2003 - 8 U 203/02 - Wortlaut Seite 1329
Autor: Klaus Schach