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Vereinbarte Kündigungsfristen in Altmietverträgen
Wann greift die Dreimonatsfrist, wann nicht?
02.10.2003 (GE 19/03, Seite 1250) Aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Weitergeltung von vor der Mietrechtsreform formularmäßig vereinbarten Kündigungsfristen (Urteil vom 18. Juni 2003, GE 2003, 1147) taucht in der Praxis wegen der Vielfalt verwendeter Formularklauseln immer wieder die Frage auf, für welche Formularklausel die BGH-Entscheidung welche Auswirkungen hat.
Zunächst: Es geht nur um Mietverträge, die vor dem 1. September 2001 abgeschlossen worden sind. Für danach abgeschlossene Mietverträge gilt grundsätzlich die nicht abdingbare Regelung des neuen § 573 c BGB (Dreimonatsfrist).

§ 565 Abs. 2 BGB in der bis zum Inkrafttreten der Mietrechtsreform geltenden Fassung sah je nach Mietdauer auch für den Mieter längere Kündigungsfristen vor. Nach fünf, acht und zehn Jahren seit der Überlassung des Wohnraums verlängerte sich die Kündigungsfrist um jeweils drei Monate, konnte also im Höchstfall zwölf Monate betragen.

In den bis zum Inkrafttreten der Mietrechtsreform angebotenen Mietvertragsformularen war die Kündigung mit entsprechenden Fristen unterschiedlich formuliert. Der BGH hatte entschieden: Formularklauseln, die für die Kündigung die gesetzlichen Kündigungsfristen des bisherigen § 565 Abs. 2 BGB wörtlich oder sinngemäß wiederholen, bewirken, daß die vereinbarten längeren Kündigungsfristen je nach Mietdauer weiterhin gelten.

In seiner Entscheidung hat der BGH auch auf den im Jahre 1998 ergangenen Rechtsentscheid des Kammergerichts zu den Kündigungsfristen in DDR-Altmietverträgen Bezug genommen (KG, Rechtsentscheid vom 22. Januar 1998 = GE 1998, 177 ff.). Es ging dabei um eine Formularklausel, welche die kurze 14tägige Kündigungsfrist des Zivilgesetzbuches der DDR (ZGB) wiederholte. Mit der Wiedervereinigung und dem Inkrafttreten des BGB auch in den neuen Bundesländern entstand nun die Frage, ob es sich bei der Wiedergabe des Gesetzestextes des ZGB um eine wirksame vertragliche Vereinbarung handelte - Kammergericht und BGH bejahten das. Gleiches gilt jetzt für die Wortlaut-Wiederholung des alten § 565 Abs. 2 BGB.

Die BGH-Entscheidung (GE 2003, 1147) hatte sich nur mit einem Klauselwerk zu beschäftigen (Hamburger Fall), gilt jedoch von der Argumentation für andere Klauselwerke, die dem BGH ebenfalls in der Revision vorlagen und als wirksame vertragliche Kündigungsregelung angesehen worden sind. Im einzelnen:
„§ 2 Mietzeit
1. Das Mietverhältnis beginnt am 1. Juli 1987.
2. Das Mietverhältnis endet mit Ablauf des Monats, zu dem der Vermieter oder der Mieter die Kündigung ausgesprochen hat. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum … möglich.
Die Kündigungsfrist beträgt für beide Vertragsteile
3 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums mehr als 5 Jahre verstrichen sind,
6 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums mehr als 5 Jahre verstrichen sind,
9 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums mehr als 8 Jahre verstrichen sind,
12 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums mehr als 10 Jahre verstrichen sind.“
Eine derartige Klausel ist offenbar im norddeutschen Raum üblich und lag auch der Entscheidung des LG Itzehoe (WuM 2002, 611 f.) zugrunde. Die Klausel ist im Hinblick auf die längeren Kündigungsfristen wirksam.
Die dem BGH zu VIII ZR 339/02 vorliegende Klausel aus Osnabrück lautete: „Das Mietverhältnis kann von beiden Parteien mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Nach fünf-, acht- und zehnjähriger Mietdauer verlängert sich die Kündigungsfrist für beide Parteien um jeweils drei Monate, § 1 (4) des Vertrages bleibt unberührt.“
§ 1 (4) Satz 1 des Vertrages lautet:
„Das Mietverhältnis wird bis zum 31.12.1989 fest abgeschlossen und setzt sich nach Ablauf der Befristung mit den Kündigungsfristen des § 9 dieses Vertrages fort.“
Auch diese Klausel ist wirksam.
In den Fällen des BGH VIII ZR 324/02 und VIII ZR 355/02 handelte es sich um folgende Klausel:
§ 2 Nr. 1 des Mietvertrages lautet auszugsweise:
„a) Das Mietverhältnis beginnt am 1.10.1984; es läuft auf unbestimmte Zeit. Kündigungsfristen siehe 2.“
§ 2 Nr. 2 des Mietvertrages lautet auszugsweise:
„Kündigungsfristen zu 1.a) und 1.b): Die Kündigungsfrist beträgt
- 3 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums weniger als 5 Jahre vergangen sind,
- 6 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 5 Jahre vergangen sind,
- 9 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 8 Jahre vergangen sind,
- 12 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 10 Jahre vergangen sind.“
Der BGH hat diese Klausel für wirksam erachtet und die Revisionen gegen die Urteile des LG Berlin (GE 2002, 1337; GE 2002, 1628) zurückgewiesen.

Andere Klauselwerke lagen dem BGH nicht zur Entscheidung vor. Klauseln, die nicht im Text selbst den Wortlaut der alten gesetzlichen Regelung des § 565 Abs. 2 BGB wörtlich oder sinngemäß wiedergeben, sind von der Wirksamkeit her äußerst bedenklich. Folgendes Klauselwerk entspricht sicher nicht dem Regelungsinhalt der BGH-Rechtsprechung: „Der Mietvertrag läuft auf unbestimmte Zeit und kann unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist*, die für beide Vertragsteile verbindlich ist, gekündigt werden, jedoch erstmals zum …
*) Die gesetzliche Kündigungsfrist für Wohnräume beträgt derzeit für Wohnräume: 3 Monate, wenn weniger als 5 Jahre seit der Überlassung des Wohnraumes vergangen sind - 6 Monate nach 5 Jahren seit der Überlassung des Wohnraumes - 9 Monate nach 8 Jahren seit der Überlassung des Wohnraumes - 12 Monate nach 10 Jahren seit der Überlassung des Wohnraumes.“
Gerade aus der Fußnote, nach der die gesetzliche Kündigungsfrist für Wohnräume derzeit … beträgt, ergibt sich, daß die jeweilige gesetzliche Regelung gelten soll.
Sollte in einem Klauselwerk bei Verwendung der „Fußnotentechnik“ das Wort derzeit nicht enthalten sein, dürfte ebenfalls nicht wirksam der Inhalt des § 565 Abs. 2 BGB a. F. vereinbart sein. Zumindest ist es nicht klar (Verstoß gegen Transparenzgebot), daß nicht die jeweilige gesetzliche Kündigungsregelung, sondern die Regelung des § 565 Abs. 2 BGB a. F. vereinbart sein soll.

Eine Klausel, in der zu den Kündigungsfristen lediglich auf § 565 Abs. 2 BGB a. F. verwiesen ist, also nicht der Gesetzeswortlaut, sondern nur die Paragraphenzahl genannt ist, dürfte ebenfalls jetzt unwirksam sein (vgl. OLG Schleswig GE 1995, 1409 zu § 568 BGB a. F., jetzt § 545 BGB).
Autor: RA Klaus Schach, VRiLG a. D.