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Maß für Maß
22.09.2003 (GE 18/03, Seite 1169) Stellen Sie sich vor, in Ihrer Nähe gäbe es eine Straße, die eine Zeitlang gesperrt ist, weil sie repariert wird. Eines Tages sind die Arbeiten beendet, die Bauwagen ziehen ab. Nur das Durchfahrtsverbotsschild bleibt stehen. Vergessen, einfach vergessen. Was machen Sie? Sie fahren durch. Sie werden erwischt von einem Polizisten. Sie weigern sich zu zahlen - und haben keine Chance. Verbot ist Verbot, und dessen Aufhebung obliegt der Obrigkeit. Wo kämen wir denn hin, wenn überflüssige Verbote und Einschränkungen von jedermann wegen offensichtlicher Entbehrlichkeit für obsolet erklärt würden?
Nun - genau dies hat jüngst das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin, Abteilung Bauwesen, Amt für Grundsicherung und Wohnen, von einem Petenten verlangt. Allerdings in einem Falle, da der Senat von Berlin den Bürger mit Abgaben beschwerte, die offenkundig zu Unrecht erhoben wurden und die der Betroffene zurückhaben wollte, nachdem ein letztinstanzliches Urteil vorlag. Sie wünschen Details? Bitte sehr!

Daß uns die Zweckentfremdungsverbot-Verordnung nicht nur aus semantischen Gründen solange belastet und belästigt hat, ist schlimm genug. Die Verbände, die Kammern und nicht zuletzt DAS GRUNDEIGENTUM haben seit den 90er Jahren wiederholt die Überflüssigkeit, ja die Schädlichkeit dieses bürokratischen Ungetüms angeprangert und noch in den letzten drei Jahren von den Spähern verschiedener Bezirksämter berichtet, die nach „Zweckentfremdern“ Ausschau hielten, um diese mit Bußen belegen zu können. Senator Strieder wurde nicht müde, die Verordnung und deren bürokratische Exekutoren damit zu verteidigen, daß verschiedene Teilmärkte in verschiedenen Gegenden eben nicht ausgeglichen seien - so als müßten in Marzahn noch die fehlenden Grunewaldvillen und in Dahlem die fehlenden Plattenbauten errichtet werden, ehe man ganz Berlin einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt bescheinigen könne. Nun gut, sagten sich einige Unternehmen, wenn es schon an Einsicht und Durchblick fehlt in dieser Stadt, so doch nicht an verläßlicher Rechtsprechung. Und siehe da, das OVG bestätigte spät, aber - so denkt man - nicht zu spät, nämlich am 13. Juni 2002, den ausgeglichenen Wohnungsmarkt und erklärte das bewußte Wortungetüm mit der gleichlautenden Verordnung für obsolet - also für „außer Kraft getreten“, und zwar rückwirkend seit dem 1. September 2000. Die vom Land Berlin eingelegte Beschwerde - ein deutscher Bürokrat ergibt sich nicht - wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 13. März 2002 zurückgewiesen.

Nun endlich kann das Unternehmen sein Geld zurückverlangen, rückwirkend ab 1. September 2000! Was antwortet die Behörde? Sie antwortet, der Antrag sei unzulässig, weil verjährt. Was denn, verjährt? Jawoll, verjährt, denn er hätte innerhalb von drei Monaten ab - nun raten Sie mal - ab dem 1. September 2000 gestellt werden müssen.

Nach der Feststellung des Gerichts waren seit 1. September 2000 die Voraussetzungen zur Aufhebung der Verordnung gegeben. Damit sei sie „automatisch“ außer Kraft getreten (so die Behörde), und der Beschwerte hätte innerhalb dreier Monate Beschwerde führen müssen. Dies gelte um so mehr, als der Beschwerte als Bau- und Wohnungsgesellschaft sogar Marktteilnehmer sei und somit die Marktsituation besonders gut gekannt habe.

Na bitte, selbst schuld, wenn Dich der Staat rasiert, obwohl Du keinen Bart hast. Denn der Staat braucht Geld.

Ach ja - und wenn nun diese ganze Argumentation nicht ziehen sollte? Ganz einfach, dann sagt man eben, das kassierte Geld sei - leider, leider - schon ausgegeben worden, weg, futsch. Das liest sich dann so: „Darüber hinaus war neben den ausschlaggebenden Aspekten der Rechtssicherheit (sic!) und angespannten Haushaltslage des Landes Berlin ... zu berücksichtigen, daß die vereinnahmten Gelder bereits zweckgebunden zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus verwendet worden sind und insoweit nicht mehr verfügbar sind.“

Nun wissen wir’s. Der Staat, ein Erpresser, der - selten genug - gefaßt wird und die Rückgabe der Beute mit der Begründung verweigert, er habe das Geld - zweckgebunden - zur Zahlung seiner Alimente verwendet.

Leben wir in einer Bananen- oder besser: Kartoffelrepublik? Nein, anders! Wir leben in Strieder-Sarrazin-D.C., einer Stadt, die mit der „res publica“ römischen Angedenkens nichts mehr gemein hat.
Autor: Dietmar Otremba