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Schiffbruch
18.08.2003 (GE 16/03, Seite 1037) In dem ganz und gar hinreißenden Büchlein „Deutsch für Schaumschläger, das rhetorische Leergut der Volksvertreter“ gibt der Autor, Franz-Benno Delonge, den folgenden politisch-verbalen Ratschlag zu den Stichworten „Schiffbruch erleiden“: „Kommentieren Sie mit dieser bildhaften Redewendung jede gescheiterte Initiative des politischen Gegners! Durch die Feststellung, daß er mit seiner Idee Schiffbruch erlitten hat, verdeutlichen Sie, daß ihm nicht nur diese eine Sache mißglückt ist, sondern daß ihm überhaupt das Wasser bis zum Halse steht.“
Muß man da nicht an den Senat von Berlin, dessen Finanzsenator und das Urteil des OVG zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus denken? Daß dem Land Berlin das Wasser bis zum Halse steht, muß ja nicht zum hundertsten Male bewiesen werden, auch wenn der jetzige Finanzsenator daran keine Schuld trägt. Daß die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nur eine von vielen Ursachen für die Finanzmisere ist, muß jedoch gesagt werden. Und daß die jetzt im juristischen Streit beurteilte/verurteilte Handlung des Senats quantitativ - in ihrer Auswirkung auf die Berliner Finanzen - überschätzt, die Rechtsposition der angeblichen Gegner unterschätzt und die Image-Wirkung offen vernachlässigt wurde, zeigt nur einmal mehr, daß man sich auf einseitige Rechtsgutachten nie verlassen sollte. Und dies um so weniger, als eine Kommissionsempfehlung - wie in diesem Falle - vorliegt, die dem Senat empfahl, den Kompromiß zu suchen und eine „weiche Landung“ anzustreben. Und noch mehr empfiehlt sich ein solches Vorgehen doch wohl, wenn sie vom Obergericht - eben dem OVG - empfohlen wird.

Welcher Teufel ritt und reitet noch immer die Anwälte des Senats von Berlin, zunächst ein höchst einseitiges Gutachten zu liefern - man hat schließlich recht -, sodann den Senat vor Gericht völlig kompromißlos und abgeneigt jedem Vergleich zu vertreten und schließlich noch die Gegenseite mit Injurien zu belegen, die nun völlig neben der Sache liegen. Merke: Den Gegner zu beschimpfen, mag im Kriege zur eigenen psychologischen Aufrüstung unvermeidbar sein. Auf hoher See und vor Gericht, wo man bekanntlich in Gottes Hand ist, empfiehlt sich vorsichtigeres Taktieren; denn nach dem Kentern braucht man Hilfe, und nach einer Verurteilung braucht man Gesprächspartner.

Der Gipfel der Ignoranz wäre nun allerdings erreicht, wenn auch jetzt noch nicht schnell und ernsthaft versucht würde, der Kommissionsempfehlung und dem - vorläufigen - Urteil entsprechend in Verhandlungen über Lösungen des jeweiligen Einzelfalls auf der Basis genereller Richtlinien einzutreten. Dies um so mehr, als das Urteil im einstweiligen Verfahren derart detailliert auf alle Argumente beider Seiten eingeht, daß die Hoffnung des Senats, im Hauptsacheverfahren könne ein anderes Ergebnis herausspringen, Wunschdenken der Art wäre, die genau zu dem jetzigen Desaster geführt hat. Und jedes weitere Mauern und Prozessieren wäre daher nicht nur sinnlose Rechthaberei, sondern es wäre auch teuer. Unverändert zu zahlenden Subventionen stünden wesentlich billigere Kompromißvereinbarungen gegenüber, die nunmehr von allen, aber wirklich allen Seiten empfohlen werden - mit Ausnahme des Finanzsenators und der von ihm mandatierten Juristen.

Da liegt es doch nahe, die Meinung zu ändern und die Berater zu wechseln. Denn es gilt wohl unverändert, daß gerade ein Senator Schaden vom Gemeinwesen abzuwenden und Subventionen einzusparen hat. Was bisher geschah, war falsch gedacht, böse gemeint und miserabel ausgeführt. Der Schiffbruch ist da. Nun gilt es zu retten, was zu retten ist. Sofern noch etwas zu retten ist, mit dieser Besatzung und mit diesem Kapitän.
Autor: Dietmar Otremba