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Neuerungen durch die Erbschaftsteuerrichtlinien 2003
Auswirkungen auf die Grundstücksbewertung
18.08.2003 (GE 16/03, Seite 1073) Mit dem Jahressteuergesetz 1997 trat für die Bewertung des Grundvermögens im Erbschaftsteuerrecht das Bedarfsbewertungsverfahren an die Stelle der alten Einheitswerte. Zweifelsfragen, die mit dem neuen Bedarfsbewertungsverfahren in Zusammenhang standen, wurden bereits durch die Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR) 1999 angesprochen. In den ErbStR 2003 hat die Finanzverwaltung zu weiteren Themen ihre Auffassung niedergelegt.
Verkehrswertnachweis
Sowohl bei der Bewertung von unbebauten als auch bei bebauten Grundstücken hat der Steuerpflichtige gem. § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG bzw. § 146 Abs. 7 BewG die Möglichkeit, bei entsprechendem Nachweis den Ansatz des niedrigeren tatsächlichen Wertes zu verlangen. Bislang wurde als Nachweis gem. R 163 Satz 2 ErbStR 1999 nur ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken anerkannt. Alternativ dazu wurde noch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück akzeptiert. Nach R 163 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2003 sollen auch Gutachten zertifizierter und anderer Sachverständiger nicht generell zurückgewiesen werden können, wenn die Gutachten den Vorgaben der Wertermittlungsverordnung (WertV) und der Wertermittlungsrichtlinien (WertR) entsprechen. R 163 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2003 stellt klar, daß Gutachten für die Feststellung des Bedarfswertes für Grundvermögen nicht bindend sind, sondern der Beweiswürdigung durch das Finanzamt unterliegen. Enthält das Gutachten Mängel (z. B. methodische Mängel, unzutreffende Wertansätze oder fehlende Plausibilität), gilt der Nachweis als nicht erbracht, und das Gutachten kann nicht berücksichtigt werden. Zukünftig sind gem. H 17 Abs. 3 ErbStH 2003 bei der Ermittlung des Verkehrswertes wertmindernd berücksichtigte Nutzungsrechte (z. B. Wohn- oder Nießbrauchsrechte) auch beim Ansatz des niedrigeren tatsächlichen Wertes zu übernehmen. Das Nutzungsrecht kann dann aber gem. H 29 ErbStH 2003 nicht mehr als Nachlaßverbindlichkeit bereicherungsmindernd geltend gemacht werden.

Jahresmiete
Bebaute Grundstücke werden gem. § 146 BewG grundsätzlich nach einem Ertragswertverfahren bewertet. Wesentlicher Bestandteil des Ertragswertverfahrens ist die Jahresmiete. Gem. § 146 Abs. 2 Satz 2 BewG handelt es sich dabei um das Gesamtentgelt, das die Mieter oder Pächter für die Nutzung des bebauten Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen haben. Neben der eigentlichen Miete zählen auch Mieteinnahmen für Stellplätze, Nebengebäude, außergewöhnliche Nebenleistungen des Vermieters, Untermietzuschläge, Baukostenzuschüsse, auf die Miete anzurechnende Mietvorauszahlungen sowie Zahlungen der Mieter an Dritte für den Eigentümer dazu. Gem. R 167 Satz 3 ErbStR wird dieser Katalog um Leasingraten ergänzt. Nach wie vor sind Betriebskosten nach der II. BV nicht Bestandteil der Jahresmiete. Sollten sie Bestandteil der Leasingraten sein, sind diese entsprechend zu kürzen.

Ermittlung der üblichen Miete
Anstelle der tatsächlich vereinbarten Miete ist gem. § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG die übliche Miete anzusetzen, soweit das Grundstück
n vom Eigentümer oder dessen Familie selbstgenutzt wird,
n ganz oder zeitweise nicht genutzt wird (Leerstand),
n unentgeltlich anderen zur Nutzung überlassen wird oder
n die Vermietung an Angehörige (i. S. d. § 15 AO) oder einen Arbeitnehmer des Eigentümers (i. S. d. § 1 Abs. 2 LStDV) vorliegt.
Dies bedeutet, daß ein Grundstück, das innerhalb des dreijährigen Mietermittlungszeitraumes zeitweise in einer der o. g. Formen genutzt wird, für diese Zeit-räume mit der üblichen Miete, für die an-deren Zeiträume mit der tatsächlich vereinbarten Miete angesetzt wird. Gem. R 172 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 1999 war die übliche Miete aus Vergleichsmieten oder Mietspiegeln abzuleiten bzw. durch ein Mietgutachten zu ermitteln. Gem. R 172 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2003 kann die übli-che Miete nun auch mittels einer Mietdatenbank gem. § 558 e BGB geschätzt werden.
Oftmals wird in gemeindlichen Mietspiegeln kein eigener Wert für Ein- oder Zweifamilienhäuser angegeben, sondern mit Hilfe von Zuschlagssätzen auf den Mietwert vergleichbarer Geschoßwohnungen gearbeitet (z. B. 20 % für freistehende Einfamilienhäuser, 10 % für Einfamilienreihenhäuser, 5 % für Zweifamilienhäuser). Angemessene Zuschlagssätze müssen bei der Ermittlung der üblichen Miete berücksichtigt werden, wenn diese aus Vergleichswerten des Geschoßwohnungsbaus abgeleitet werden. Gem. R 172 Abs. 6 Satz 2 ErbStR ist des weiteren der 20 %ige Zuschlag gem. § 146 Abs. 5 BewG vorzunehmen.

Beispiel 1:
Ableitung der üblichen Miete aus einem Mietspiegel
Einfamilienreihenhaus mit 150 m2/Wfl. Das Gebäude war zum 1.7.1972 bezugsfertig, Besteuerungszeitpunkt ist der 1.7.2003. Für die Berechnung nach dem Ertragswertverfahren wird eine durchschnittliche Nettokaltmiete von 5 E/m2/mtl. unterstellt, die aus dem örtlichen Mietspiegel für vergleichbare Geschoßwohnungen abgelesen wird. Unter Berücksichtigung eines 10 %igen Zuschlags für ein Einfamilienreihenhaus erhält man eine übliche Miete von 5,50 E/m2/mtl.
Nach dem Ertragswertverfahren ergibt sich eine Jahresmiete von
5,50 E/m2 x 150 m2 x 12 = 9.900 E.
Multipliziert mit dem Kapitalisierungsfaktor von 12,5 und Berücksichtigung eines Altersabschlages von 15 % (für 30 Jahre jeweils 0,5 %) erhält man einen Ertragswert nach Altersabschlag von
9.900 E x 12,5 x 0,85 = 105.187,50 E.
Da es sich um ein Grundstück mit nicht mehr als zwei Wohnungen handelt, ist gem. § 146 Abs. 5 BewG ein Zuschlag von 20 % zu berücksichtigen. Es ergibt sich ein gem. § 139 BewG abgerundeter Bedarfswert für das Grundstück (vorbehaltlich eines höheren Mindestwertes) von
105.187,50 E x 1,2 = 126.225 E.

Mit R 172 Abs. 7 ErbStR 2003 wird auch zur Ermittlung der üblichen Miete bei besonders aufwendig gestalteten Wohngrundstücken Stellung genommen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist zur Schätzung der üblichen Miete ein angemessener Zuschlag erforderlich, der die besondere Ausstattung des Grundstückes entsprechend berücksichtigt und sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls richtet. Den Ansatz einer Kostenmiete schlägt die Finanzverwaltung nicht vor.

Mindestbewertung (sog. doppelte Öffnungsklausel)
Auch bei der Bewertung von bebauten Grundstücken hat der Steuerpflichtige gem. § 146 Abs. 7 BewG die Möglichkeit, auf Antrag die Anwendung eines niedrigeren tatsächlichen Wertes zu verlangen. Die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren tatsächlichen Wertes gilt auch für den Mindestwert bei bebauten Grundstücken (sog. doppelte Öffnungsklausel). Diese Möglichkeit ist mit R 176 Abs. 3 Satz 2 ErbStR erstmals in den Erbschaftsteuerrichtlinien verankert. Der nachgewiesene niedrigere tatsächliche Wert für den Grund und Boden kommt aber nur dann zur Anwendung, wenn er auch unter dem nach dem Regelverfahren (Bewertung nach dem Ertragswertverfahren des § 146 Abs. 2 bis Abs. 5 BewG) ermittelten Wert liegt.

Beispiel 2:
Mindestbewertung (doppelte Öffnungsklausel)
Der Wert eines bebauten Grundstückes nach dem Ertragswertverfahren beträgt 150.000 E. Der Mindestwert für das bebaute Grundstück nach § 146 Abs. 6 BewG macht 170.000 E aus. Der mit einem Verkehrswertgutachten nachgewiesene tatsächliche Wert des Grund und Bodens beträgt 160.000 E. Das bebaute Grundstück ist somit mit dem Wert von 160.000 E anzusetzen.
Würde der mittels des Verkehrswertgutachtens nachgewiesene tatsächliche Wert des Grund und Bodens aber 140.000 E betragen, dürfte aufgrund von R 176 Abs. 3 Satz 2 ErbStR für das bebaute Grundstück dieser Wert nicht angesetzt werden. Das Grundstück wäre nach dem Regelverfahren (Ertragswertverfahren) mit dem Wert von 150.000 E anzusetzen.
Autor: Norbert Schneider