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Die Sache mit der Dienstleistung
19.10.2000 (GE 8/2000, 489) Da hat sich Senator Peter Strieder einiges vorgenommen: „Wir haben eine neue Aufgabendefinition zwischen Privaten und dem Staat“, verkündet er im Gespräch mit Dieter Blümmel (GE 6/2000, 372). „Unsere Aufgabe wird es sein, für die Privaten, Architekten, Investoren als Dienstleister zur Verfügung zu stehen.“
Wir hoffen, er meint dies ernst und fängt auch gleich bei seiner eigenen Verwaltung an. Da gibt es bei ihm z. B. einen Beamten, der einem Antragsteller schriftlich die Aufforderung zukommen läßt, eine Kopie des Gesetz- und Verordnungsblattes zu übersenden, in dem die Rechtsverordnung veröffentlicht ist, auf die der Antragsteller seinen Antrag stützt. Angefordert werden auch beglaubigte Katasterunterlagen, zu beschaffen (vom Antragsteller) bei derselben Verwaltung, an die er sich gerade wendet.
Nun ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung natürlich nicht die einzige, an deren nicht vorhandener Dienstleistungsmentalität man ab und an verzweifelt. Jeder Rechtsanwalt, der Kontakt mit Berliner Behörden hat, kann ein Lied davon singen. Da verweigert das Landeseinwohneramt rechtswidrig die Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis und braucht dann allein fünf Wochen, um mitzuteilen, welche Stelle nunmehr den dagegen eingelegten Widerspruch bearbeitet. Von einer Entscheidung auch nach Monaten keine Spur. § 75 VwGO, der als Richtschnur eine Prüfungszeit der Verwaltung für Anträge und Widersprüche von längstens drei Monaten vorsieht, ist weiten Teilen der Berliner Verwaltung gänzlich unbekannt.

Weitere Beispiele aus der täglichen anwaltlichen Tätigkeit gefällig? Das Wissenschaftliche Landesprüfungsamt nahm bisher Anträge für den nächsten Termin einer weiteren Teilprüfung nur entgegen, wenn die vorhergehende Teilprüfung bereits stattgefunden hatte. Ist der für den nächsten Termin vorgesehene Herr Professor zu diesem Zeitpunkt gerade für vier Monate in Semesterferien, so wartet der Student („Kunde”?) eben vier Monate auf seinen nächsten Termin. Die Leute haben ja sowieso nichts Besseres zu tun.
Die Freie Universität läßt ein mit Landes- und Bundesmitteln in Millionenhöhe errichtetes Gebäude zwei Jahre leer stehen, weil eine neue „Raumkonzeption” in Arbeit ist. Die bei der Errichtung als Nutzer vorgesehenen Universitätsangehörigen sitzen derweil in feuchten Kellerräumen.
Es gibt natürlich Gegenbeispiele. Gerade in den Bauämtern verschiedener Bezirke hat in den letzten Jahren durchaus derjenige Umdenkungsprozeß begonnen, den Senator Strieder nun auch seiner Verwaltung empfiehlt: Die Erteilung einer Baugenehmigung als öffentliche Dienstleistung, die „kundenorientiert” und entsprechend den jeweiligen zeitlichen und sachlichen Erfordernissen der Kunden bearbeitet wird.

An anderer Stelle allerdings müssen wir gegenteilige Entwicklungen feststellen. Die Berliner Wasserbetriebe z. B. waren in der Vergangenheit ein zwar schwerfälliger, aber durchaus umgänglicher Partner für Investoren. Seit ihrer Teilprivatisierung haben sie ihre Erschließungsinvestitionen pro Jahr mehr als halbiert und planen noch weiteres Reduzieren. Ein Investitionshemmnis - so wurde einem interessierten Investor von einem der neuen Pseudo-Dienstleister bei den BWB verkündet - entstehe dadurch nicht, weil auch abflußlose Sammelgruben eine ordnungsgemäße Schmutzwasserentsorgung darstellen würden, und eben eine solche Sammelgrube könne er doch in sein Millionenobjekt gleich mit einplanen. Hatte Peter Strieder diesen Fall im Auge, als er im GE-Gespräch meinte: „Der Leistungsstaat muß zum Gewährleistungsstaat werden”? Dann möge er aber auch bitte schön „gewährleisten”: Die teilprivatisierten BWB können rechtlich seit neuestem zur Wahrnehmung ihrer Erschließungsaufgaben nur durch einen Abwasserbeseitigungsplan gem. § 29 e Abs. 3 BWG gezwungen werden, den „die für die Wasserwirtschaft zuständige Senatsverwaltung” (also Peter Strieder) aufstellt und für verbindlich erklärt. Man mag dies als Leistung oder als Gewährleistung ansehen; passiert ist jedenfalls bis heute - immerhin fast ein Jahr nach Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes - nichts.

Beruhigend ist immerhin, daß die Berliner Verwaltung an anderer Stelle in einer Weise dienstleistungsbereit und -fähig ist, die kaum ein Bürger für möglich gehalten hätte. Da läßt das Naturschutz- und Grünflächenamt eines Bezirks pünktlich vor Frühlingsanfang alle Bäume links und rechts eines öffentlichen Weges ordnungsgemäß beschneiden.
Kaum haben die öffentlichen Bediensteten die Scheren eingepackt, rückt im Auftrag einer anderen öffentlichen Stelle Berlins ein Bauunternehmen an und sägt die beschnittenen Bäume vollständig zur Herstellung einer neuen Straße ab. Ebenfalls genau nach Plan. Ja, es ist eben so eine Sache mit der Dienstleistung.
Autor: RA Dr. Klaus-Martin Groth