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Sozialwohnungen: Anschlußförderung muß vorerst weiter gewährt werden
04.08.2003 (GE 14/2003, Seite 980) Es gibt noch Richter in Berlin: Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat auf die Beschwerde eines privaten Wohnungsbauunternehmens, der Sistra GmbH & Co. KG, das Land Berlin im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Unternehmen vom 1. Februar 2003 an für die Zeit der Rechtshängigkeit der Klage eine finanzielle Hilfe zu den laufenden Aufwendungen für die im sozialen Wohnungsbau errichtete Mietwohnanlage in Höhe von monatlich rund 17.600 Euro zu zahlen. Die - unanfechtbare - Entscheidung hat Bedeutung für eine Reihe gleichgelagerter Fälle.
Zum Hintergrund: Das Land Berlin förderte den sozialen (Miet-) Wohnungsbau in den Jahren 1972 bis 1999 in der Weise, daß sich die bauwilligen Eigentümer die benötigten finanziellen Mittel für den Bau der Sozialwohnungen am Kapitalmarkt beschafften und das Land Berlin anschließend degressiv gestaffelte Aufwendungshilfen vergab, die die Lücke zwischen der sich aus den Kapital- und Bewirtschaftungskosten errechnenden Kostenmiete und der vom Sozialmieter zu tragenden „Mietermiete“ decken sollten.
In den Förderungsbescheiden der Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin (jetzt Investitionsbank Berlin - IBB) war die Dauer der (Grund-) Förderung auf 15 Jahre begrenzt, die Eigentümer waren aber verpflichtet, gegebenenfalls nach Ablauf der 15 Jahre weitere Fördermittel anzunehmen. Diese weiteren Fördermittel, die sogenannte Anschlußförderung, wurde bis Ende 2002 allen betroffenen Eigentümern für weitere 15 Jahre gewährt.
Im Februar 2003 beschloß der Berliner Senat zur Entlastung des Berliner Haushalts den Ausstieg aus der Anschlußförderung rückwirkend zum 1. Januar 2003; die IBB lehnte daraufhin den Antrag der Sistra GmbH auf Anschlußförderung ab. Bis zur Entscheidung über ihre dagegen erhobene Klage hatte die Sistra GmbH die vorläufige Zahlung der Anschlußförderung begehrt. Das Verwaltungsgericht hat dieses Verlangen abgelehnt (wir berichteten).
Die Beschwerde der Sistra GmbH hatte beim OVG Berlin Erfolg. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts spreche alles dafür, daß die Antragstellerin unter Vertrauensschutzgesichtspunkten die Anschlußförderung beanspruchen könne. Denn das Förderverhältnis sei bei verständiger Auslegung des (Grund-) Förderungsbescheides nicht auf 15, sondern auf 30 Jahre angelegt gewesen.
Das hat das OVG im wesentlichen mit dem im Land Berlin praktizierten Förderungskonzept im sozialen Wohnungsbau begründet. Nach den Bestimmungen des Wohnungsbauförderungsgesetzes habe das Land Berlin die Pflicht gehabt, bei der Vergabe der (Grund-) Förderung darauf zu achten, daß die Sozialwohnungen auf Dauer mit für Sozialmieter geeigneten Mieten bewirtschaftet werden konnten.
Da die für die Finanzierung aufgenommenen Darlehen üblicherweise eine planmäßige Tilgungsdauer von 30 Jahren hätten und die „Lücke“ zwischen Kostenmiete (im konkreten Fall 23,21 DM/m2) und „Mietermiete“ (im konkreten Fall 4,89 DM/m2) aufgrund der besonderen politischen und wirtschaftlichen Situation Berlins außergewöhnlich groß gewesen sei, sei allen am Förderungsverhältnis Beteiligten bewußt gewesen, daß die „Lücke“ nach Ablauf der (Grund-) Förderung weiterhin in nahezu unveränderter Höhe bestehen bleiben würde, die Objekte bei Ausbleiben der Anschlußförderung also zwangsläufig notleidend werden würden.
Dementsprechend sei auch in der Vergangenheit nahtlos Anschlußförderung gewährt worden. Die Wohnungsbauunternehmen hätten sich auf die Zusage der Anschlußförderung auch insoweit verlassen können, als das Land Berlin für den größeren Teil der Darlehen über die Zeit der planmäßigen Tilgung von regelmäßig 30 Jahren eine Ausfallbürgschaft in der Erwartung übernommen habe, daß die Rentabilität der Objekte während dieser Zeit - durch Aufwendungshilfen - gesichert sei, zumal die zuständigen Entscheidungsträger in der Öffentlichkeit nie einen Zweifel daran gelassen hätten, daß Anschlußförderung gewährt werden würde.
Das OVG zitierte in diesem Zusammenhang umfangreiche Äußerungen, die der frühere Bausenator Harry Ristock im Berliner Abgeordnetenhaus gemacht hatte, sowie einen Beitrag des zuständigen Referatsleiters der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in dieser Zeitschrift (Brand GE 2001, 448). Wir hatten bereits Ende 2000 auf die drohenden Pleiten von Sozialwohnungsbauten hingewiesen. Der zuständige Abteilungsleiter hatte auf unseren Autorenbeitrag geantwortet und dabei - unter Verweis auf ein Rechtsgutachten - das Erfordernis einer Anschlußförderung bejaht.
Die vom Land Berlin angeführte Entspannung am Wohnungsmarkt einerseits und die angespannte Haushaltslage andererseits berechtigten das Land Berlin zu einer Verringerung der Förderung, nicht aber zum völligen Ausstieg aus der Anschlußförderung, meint nun auch das OVG. Denn die finanziellen und wohnungswirtschaftlichen Risiken seien bei Gewährung der (Grund-) Förderung vom Land Berlin erkannt, aber aus politischen Gründen bewußt eingegangen worden. Der Erlaß der einstweiligen Anordnung zugunsten des betroffenen Wohnungsbauunternehmens sei notwendig, weil es ohne eine vorläufige Zahlung der Anschlußförderung in seiner Existenz bedroht sei. Zwar könnte es bei Wegfall der Anschlußförderung die Kostenmiete erheben; diese sei jedoch am Markt unter keinen Umständen zu erzielen, weil sie mit derzeit 11,09 Euro noch weit oberhalb der ortsüblichen Miete von 6,55 Euro für vergleichbare freifinanzierte Wohnungen liege. Somit drohe die Zahlungsunfähigkeit der Wohnungsbaugesellschaft und die alsbaldige Zwangsversteigerung der Wohnanlage, verbunden mit dem endgültigen Wegfall der Sozialbindung der Wohnungen.
Demgegenüber sei das Interesse des Landes Berlin, bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorerst keine Zahlungen leisten zu müssen, angesichts der im Falle der Zwangsversteigerung zu besorgenden Inanspruchnahme aus den Ausfallbürgschaften geringer zu bewerten. Eine andere Entscheidung als die Verpflichtung zur vorläufigen Zahlung in der bisher gewährten Höhe sei nicht in Betracht gekommen.
OVG Berlin, Beschluß vom 24. Juli 2003 - OVG 5 S 8.03 -
In den Förderungsbescheiden der Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin (jetzt Investitionsbank Berlin - IBB) war die Dauer der (Grund-) Förderung auf 15 Jahre begrenzt, die Eigentümer waren aber verpflichtet, gegebenenfalls nach Ablauf der 15 Jahre weitere Fördermittel anzunehmen. Diese weiteren Fördermittel, die sogenannte Anschlußförderung, wurde bis Ende 2002 allen betroffenen Eigentümern für weitere 15 Jahre gewährt.
Im Februar 2003 beschloß der Berliner Senat zur Entlastung des Berliner Haushalts den Ausstieg aus der Anschlußförderung rückwirkend zum 1. Januar 2003; die IBB lehnte daraufhin den Antrag der Sistra GmbH auf Anschlußförderung ab. Bis zur Entscheidung über ihre dagegen erhobene Klage hatte die Sistra GmbH die vorläufige Zahlung der Anschlußförderung begehrt. Das Verwaltungsgericht hat dieses Verlangen abgelehnt (wir berichteten).
Die Beschwerde der Sistra GmbH hatte beim OVG Berlin Erfolg. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts spreche alles dafür, daß die Antragstellerin unter Vertrauensschutzgesichtspunkten die Anschlußförderung beanspruchen könne. Denn das Förderverhältnis sei bei verständiger Auslegung des (Grund-) Förderungsbescheides nicht auf 15, sondern auf 30 Jahre angelegt gewesen.
Das hat das OVG im wesentlichen mit dem im Land Berlin praktizierten Förderungskonzept im sozialen Wohnungsbau begründet. Nach den Bestimmungen des Wohnungsbauförderungsgesetzes habe das Land Berlin die Pflicht gehabt, bei der Vergabe der (Grund-) Förderung darauf zu achten, daß die Sozialwohnungen auf Dauer mit für Sozialmieter geeigneten Mieten bewirtschaftet werden konnten.
Da die für die Finanzierung aufgenommenen Darlehen üblicherweise eine planmäßige Tilgungsdauer von 30 Jahren hätten und die „Lücke“ zwischen Kostenmiete (im konkreten Fall 23,21 DM/m2) und „Mietermiete“ (im konkreten Fall 4,89 DM/m2) aufgrund der besonderen politischen und wirtschaftlichen Situation Berlins außergewöhnlich groß gewesen sei, sei allen am Förderungsverhältnis Beteiligten bewußt gewesen, daß die „Lücke“ nach Ablauf der (Grund-) Förderung weiterhin in nahezu unveränderter Höhe bestehen bleiben würde, die Objekte bei Ausbleiben der Anschlußförderung also zwangsläufig notleidend werden würden.
Dementsprechend sei auch in der Vergangenheit nahtlos Anschlußförderung gewährt worden. Die Wohnungsbauunternehmen hätten sich auf die Zusage der Anschlußförderung auch insoweit verlassen können, als das Land Berlin für den größeren Teil der Darlehen über die Zeit der planmäßigen Tilgung von regelmäßig 30 Jahren eine Ausfallbürgschaft in der Erwartung übernommen habe, daß die Rentabilität der Objekte während dieser Zeit - durch Aufwendungshilfen - gesichert sei, zumal die zuständigen Entscheidungsträger in der Öffentlichkeit nie einen Zweifel daran gelassen hätten, daß Anschlußförderung gewährt werden würde.
Das OVG zitierte in diesem Zusammenhang umfangreiche Äußerungen, die der frühere Bausenator Harry Ristock im Berliner Abgeordnetenhaus gemacht hatte, sowie einen Beitrag des zuständigen Referatsleiters der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in dieser Zeitschrift (Brand GE 2001, 448). Wir hatten bereits Ende 2000 auf die drohenden Pleiten von Sozialwohnungsbauten hingewiesen. Der zuständige Abteilungsleiter hatte auf unseren Autorenbeitrag geantwortet und dabei - unter Verweis auf ein Rechtsgutachten - das Erfordernis einer Anschlußförderung bejaht.
Die vom Land Berlin angeführte Entspannung am Wohnungsmarkt einerseits und die angespannte Haushaltslage andererseits berechtigten das Land Berlin zu einer Verringerung der Förderung, nicht aber zum völligen Ausstieg aus der Anschlußförderung, meint nun auch das OVG. Denn die finanziellen und wohnungswirtschaftlichen Risiken seien bei Gewährung der (Grund-) Förderung vom Land Berlin erkannt, aber aus politischen Gründen bewußt eingegangen worden. Der Erlaß der einstweiligen Anordnung zugunsten des betroffenen Wohnungsbauunternehmens sei notwendig, weil es ohne eine vorläufige Zahlung der Anschlußförderung in seiner Existenz bedroht sei. Zwar könnte es bei Wegfall der Anschlußförderung die Kostenmiete erheben; diese sei jedoch am Markt unter keinen Umständen zu erzielen, weil sie mit derzeit 11,09 Euro noch weit oberhalb der ortsüblichen Miete von 6,55 Euro für vergleichbare freifinanzierte Wohnungen liege. Somit drohe die Zahlungsunfähigkeit der Wohnungsbaugesellschaft und die alsbaldige Zwangsversteigerung der Wohnanlage, verbunden mit dem endgültigen Wegfall der Sozialbindung der Wohnungen.
Demgegenüber sei das Interesse des Landes Berlin, bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorerst keine Zahlungen leisten zu müssen, angesichts der im Falle der Zwangsversteigerung zu besorgenden Inanspruchnahme aus den Ausfallbürgschaften geringer zu bewerten. Eine andere Entscheidung als die Verpflichtung zur vorläufigen Zahlung in der bisher gewährten Höhe sei nicht in Betracht gekommen.
OVG Berlin, Beschluß vom 24. Juli 2003 - OVG 5 S 8.03 -