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Populismus
19.10.2000 (GE 9/2000, 553) Die Einhaltung von Miet- und Mieterschutzgesetzen ist kein Privileg städtischer Wohnungsbaugesellschaften.
Man muß wiederholen, was Dieter Blümmel im Interview mit dem politisch verantwortlichen Stadtentwickler kritisch angemerkt hat: Daß die Einhaltung von Miet- und Mieterschutzgesetzen - so blödsinnig sie zuweilen sein mögen - kein Privileg städtischer Wohnungsbaugesellschaften ist. Wenn der Senator, wie in den letzten Wochen des öfteren geschehen, behauptet, nur mit Hilfe einer „ausreichenden” Zahl „städtischer” Wohnungen seien Mieterschutz und Mietpreisdämpfung zu gewährleisten, dann unterstellt er allen anderen Anbietern, die Gesetze nicht ernst zu nehmen. Er zeigt den „Privaten” die Zähne, ohne daß es etwas zu beißen gäbe. Strieder zeigt aber auch noch etwas anderes: nämlich mangelnde Wahrnehmungsfähigkeit, was die Ursachen preisgedämpfter Mieten betrifft. Maßgebend hierfür sind weniger die wohltätigen Handlungen der „Städtischen”, sondern vielmehr deren und anderer Vermieter Leerstände, die mehr als jede Preisverordnung, mehr als jeder Mietspiegel zu gemäßigten bis sinkenden Mieten in den für die Masse der Wohnungsinteressenten maßgebenden Teilmärkten beitragen.

Und wie nun in diesem Zusammenhang ausgerechnet 300.000 Wohnungen zur Preisdämpfung beitragen - wie es in der Koalitionsvereinbarung steht, auf die sich der Senator beruft -, verstehen ja wohl außerhalb der Koalition auch nur professionelle Kaffeesatzleser. Warum nicht 200.000?, warum nicht 365.156?
Gestritten wird ja auch gar nicht um eine „richtige” Zahl - geritten wird vielmehr ein alter Klepper gegen eine Marktentwicklung, deren Motor nicht irgendeine globalisierende „www.private Wohnungswirtschaft Berlin.de” ist, sondern schlicht und einfach die Finanznot Berlins. Und zu deren Behebung kann der Verkauf von GSW und Gewobag, von Stadt & Land und WoGeHe und WBM genauso beitragen wie die Veräußerung/Privatisierung irgendeines anderen städtischen Unternehmens.

Man lese das Interview (in diesem Heft), das Dieter Blümmel mit dem Finanzsenator gehabt hat und in dem sich die Richtung abzeichnet, in die Berlin zu marschieren hat: Mehr Markt, mehr Konkurrenz - auch für den Grundstücks- und Wohnungsmarkt. Und gerade deshalb verdient auch eine Sache erhöhte Beachtung, die nicht mit der populistischen Mieterschutznummer der 300.000 heiliggesprochenen Wohnungen vermischt werden darf: Das ist die große Zahl der Insichgeschäfte, mit denen bisher die Finanzen der betuchteren städtischen Gesellschaften geplündert wurden - und zwar dadurch, daß diese dem Land Berlin die notleidenden Gesellschaften abkaufen und dafür auch noch einen Haufen Geld bezahlen mußten. Jetzt sollte eine ganz andere Variante hinzukommen: Bankgesellschaft Berlin kauft GSW - und zahlt nur einen Teil des Preises, der auf dem freien Markt zu erlösen wäre. Man kriegt Geld in die Kasse (wenn auch weniger als möglich) und behielte dennoch das Sagen über mehr als 50.000 Wohnungen. Geht aber nicht: Erstens, weil das glasklar gegen europäisches Recht verstößt - und zweitens, weil kein Finanzsenator (Annette Fugmann-Heesing selig so wenig wie Peter Kurth aktuell) sehenden Auges auf hunderte Millionen verzichten darf, will er sich nicht grober Amtspflichtverletzung schuldig machen.

Fazit 1: An öffentlichen Ausschreibungen führt kein Weg vorbei, weder bei der GSW noch bei der Gewobag.
Fazit 2: Ein Segen, daß das europäische Recht inzwischen bis nach Berlin vorgedrungen - und damit die Zeit der West-Berliner Mauscheleien vorbei ist.
Fazit 3: Es gibt ernstzunehmende Marktforscher, die in Konkurrenz zu den professionellen Kaffeesatzlesern gezählt haben, wieviele Wohnungen in öffentlicher Hand es geben muß. Sie zählten und suchten - und zählten und suchten - und siehe da, sie fanden keine einzige!
Autor: Dietmar Otremba