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Kündigungsrecht des Mieters auch bei Staffelmiete nicht ausschließbar?
28.07.2003 (GE 14/03, Seite 929) Nach § 557 a Abs. 3 BGB kann das Kündigungsrecht des Mieters für höchstens vier Jahre seit Abschluß der Staffelmietvereinbarung ausgeschlossen werden. Demgegenüber heißt es in § 573 c BGB, daß für den Mieter die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig ist, und daß eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam ist. Die Vorschriften widersprechen einander, denn während § 557 a von einem zeitweiligen Ausschluß des Kündigungsrechts ausgeht, verbietet § 573 c eine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten für den Wohnraummieter. Sternel meint, der Gesetzgeber habe das Problem „wohl nicht gesehen“ (ZMR 2002, 4, Anm. 116).
2 Daß der Mietrechtsreformgesetzgeber entgegen seiner Intention Probleme nicht gelöst, sondern neue geschaffen hat, ist immer wieder beklagt worden (vgl. nur Sternel, ZMR 2002, 7; Emmerich, NZM 2001, 778; Lammel, WuM 2003, 123). Ein Großteil dieser neuen Probleme rührt daher, daß in der Gesetzesbegründung gewisse Absichten formuliert werden, die jedoch im (maßgeblichen) Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden haben. Die Rechtsprechung ist nach und nach dabei, diese gesetzgeberischen Fehlleistungen aufzuarbeiten. So hat der Bundesgerichtshof inzwischen klargestellt, daß die Vereinbarung von längeren Kündigungsfristen in Altverträgen, auch in Formularverträgen, weiter wirksam ist (entgegen der Begründung des Gesetzgebers). Daß das Minderungsrecht durch vorbehaltlose längere Mietzahlung nach der Rechtsprechung des BGH erlischt, ist nach der Begründung der Mietrechtsreform unerwünscht; da der Gesetzestext unverändert geblieben ist, haben die Obergerichte allerdings bisher keine Veranlassung gesehen, diese Rechtsprechung aufzugeben. Daß die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten für einen Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Schönheitsreparaturen nicht mit der Rückgabe der Mietsache beginnt, sondern mit der Entstehung des Anspruchs nach Fristsetzung und (früher) Ablehnungsandrohung, ist ebenfalls vom Mietrechtsreformgeber nur in der Begründung als unangemessen bezeichnet worden. Hier hat durch die Neufassung des § 200 Abs. 1 BGB (wohl) erst das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz das erwünschte Ergebnis gebracht (vgl. Langenberg WuM 2002, 72).
3 Das Problem des zeitweiligen Kündigungsausschlusses setzt diese Reihe fort, wobei die Gesetzesbegründung und der Gesetzestext nicht nur auseinanderklaffen, sondern die Gesetzesbegründung schlicht falsch ist.
4 Nach § 542 Abs. 1 BGB ist die ordentliche Kündigung bei einem Mietverhältnis auf unbestimmte Dauer nach den gesetzlichen Vorschriften möglich. Nach § 542 Abs. 2 BGB ist bei einem Mietverhältnis auf bestimmte Zeit eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen; das Mietverhältnis endet vielmehr automatisch. Durch die Abschaffung des früher möglichen einfachen Zeitmietvertrages in § 575 BGB ist nur bei einem qualifizierten Zeitmietvertrag die ordentliche Kündigung für die Dauer des Vertrages ausgeschlossen. Einfache Zeitmietverträge sind bei Wohnraummietverhältnissen unwirksam, genauer: Die Befristung ist unwirksam, so daß das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Die ordentliche Kündigung ist damit in den Fristen des § 573 c BGB möglich.
5 Das war vor der Mietrechtsreform anders; sowohl einfache Zeitmietverträge als auch ein Kündigungsausschluß des Mieters war in den Grenzen der § 138, § 9 AGBG wirksam. § 10 Abs. 2 MHG hatte daher nicht die Möglichkeit zur Beschränkung des Kündigungsrechts zu regeln, sondern lediglich die Höchstgrenzen. Deshalb auch die Formulierung, daß eine Beschränkung des Kündigungsrechts für einen Zeitraum von mehr als vier Jahren unwirksam ist.
6 In Unkenntnis der Folgen der Abschaffung des einfachen Zeitmietvertrages hat der Mietrechtsreformgesetzgeber diese Regelung weitgehend unverändert in § 557 a Abs. 3 BGB übernommen. Die erst später im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügte Vorschrift des § 573 c Abs. 4 BGB (Unwirksamkeit von abweichenden Vereinbarungen) paßt nicht mehr zu § 557 a Abs. 3 BGB.
7 In der Regierungsbegründung BT-Drs. 14/4553 heißt es (vgl. Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht 2001, 223: „Liegt bei Vertragsschluß kein Befristungsgrund auf Vermieterseite vor, so kann dem Interesse des Mieters an einer langfristigen Bindung des Mietverhältnisses vertraglich dadurch Rechnung getragen werden, daß die Parteien einen unbefristeten Mietvertrag abschließen und für einen vertraglich festgelegten Zeitraum das ordentliche Kündigungsrecht beiderseits ausschließen.“ Diese Regierungsbegründung für die neue Vorschrift des qualifizierten Zeitmietvertrages (§ 575 BGB) ist allerdings mit dem Verbot der Einschränkung von Kündigungsmöglichkeiten für den Wohnraummieter in § 573 c BGB nicht zu vereinbaren.
8 Aus diesem gesetzgeberischen Versehen, die später eingeführte asymmetrische Kündigungsfrist auch in anderen Vorschriften zu berücksichtigen, könnte hergeleitet werden, daß es sich bei § 557 a Abs. 3 um ein Redaktionsversehen handelt. Diese Methode der Gesetzesauslegung ist jedoch nur in Extremfällen zulässig, in denen ein offensichtlicher, anders nicht zu korrigierender Irrtum des Gesetzgebers vorliegt. Das ist hier nicht der Fall (vgl. Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht 2001, 128; zweifelnd daran auch Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., Rn. 68 zu § 557 a BGB). Eine sinnvolle Anwendung des § 557 a Abs. 3 BGB ist vielmehr möglich.
9 Allerdings darf nicht aus der Überschrift des § 573 c BGB (Fristen der ordentlichen Kündigung) abgeleitet werden, daß die zwingenden Regelungen für die Kündigungsfrist einen zeitweiligen Kündigungsausschluß nicht betreffen (so noch Maciejewski MM 2001, 353; Kinne/Schach, Miet- und Mietprozeßrecht, 3. Aufl., Rn. 9 zu § 573 c). Eine solche begriffsjuristische Auslegung übersieht den erklärten Willen des Mietrechtsreformgesetzgebers, die Mobilität für den Wohnraummieter zu erhöhen. Ein (zeitweiliger) Kündigungsausschluß wirkt stärker zu Lasten des Mieters als eine Verlängerung der Kündigungsfrist. Die entgegenstehenden Ausführungen in der Regierungsbegründung haben „im Gesetz keinen Niederschlag gefunden“ (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Rn. 67 zu § 557 a BGB).
10 Nach einer beinahe schon als herrschende Meinung zu bezeichnenden Auffassung ist § 557 a Abs. 3 einschränkend dahin auszulegen, daß der Kündigungsausschluß für vier Jahre nur bei einem qualifizierten Zeitmietvertrag nach § 575 BGB zulässig sein soll (vgl. Sternel ZMR 2002, 4; Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Rn. 70 zu § 557 a; Wiek WuM 2003, 331 m. w. N.). Dem scheint auch die Rechtsprechung zu folgen (vgl. AG Pankow-Weißensee GE 2003, 593). Übersehen wird bei dieser Auslegung, daß bei einem Zeitmietvertrag eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist (und nur diese regelt § 557 a Abs. 3 BGB). Nach § 542 Abs. 1 BGB ist die ordentliche Kündigung nur möglich, wenn die Mietzeit nicht bestimmt ist. Durch die Mietrechtsreform ist ein einfacher Zeitmietvertrag mit der Folge abgeschafft, daß die Befristung unwirksam ist und das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Solche Mietverträge können daher mit ordentlicher Kündigung beendet werden. Demgegenüber heißt es in § 542 Abs. 2 BGB, daß ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, mit Ablauf dieser Zeit endet. Eine ordentliche Kündigung vorher ist ausgeschlossen. Für Wohnraummietverhältnisse gilt die Sondervorschrift des § 575 BGB, wonach nur in diesen Fällen ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit im Sinne des § 542 Abs. 2 BGB vorliegt.
11 Danach macht eine Anwendung des § 575 a Abs. 3 BGB auf qualifizierte Zeitmietverträge keinen Sinn. Hier ist ohnehin das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen (vgl. Palandt-Weidenkaff, 62. Aufl., Rn. 11 zu § 542 BGB, Rn. 11 zu § 575 BGB). Damit bleibt nur die Auslegung, die in § 557 a Abs. 3 BGB eine Sonderregelung sieht, die einen Kündigungsausschluß rechtfertigt (Beuermann/Blümmel, Das neue Mietrecht 2001, 128).
12 Maßgeblich für die Gesetzesauslegung ist der Gesetzestext. Das gilt besonders dann, wenn - wie hier - die amtlichen Begründungen zum Teil widersprüchlich und zum Teil falsch sind. Es verbietet sich daher eine einschränkende Auslegung entgegen dem Gesetzestext, die auf den Willen des Gesetzgebers abstellt, die Mobilität von Mietern zu fördern (so aber Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Rn. 69 zu § 557 a BGB).
13 Auch ein Vergleich mit der Vorgängerregelung in § 10 Abs. 2 MHG spricht für ein eigenständiges Recht des Vermieters, bei einer Staffelmietvereinbarung immer das ordentliche Kündigungsrecht ausschließen zu können. Während es im MHG noch hieß, daß eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Mieters für einen längeren Zeitraum unwirksam sei, ist nunmehr stärker formuliert, daß das Kündigungsrecht ausgeschlossen werden kann. Selbst wenn der Gesetzgeber nicht wußte, was er tat (Börstinghaus, Rn. 68 zu § 557 a BGB drückt sich höflich aus: „Übernahme der Regelung … ohne sich Gedanken … zu machen“), ist der Gesetzestext eindeutig als Befugnis zum Kündigungausschluß formuliert.
14 Börstinghaus (Rn. 69 zu § 557 a BGB) meint, formularmäßige Kündigungsausschlußvereinbarungen bei einer Staffelmiete verstießen zumindest gegen § 307 BGB, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren seien. Dem kann nicht gefolgt werden, hier ist die Berufung auf die widersprüchlichen Gesetzesmaterialen nicht hilfreich. Der allein maßgebliche Gesetzestext begründet aber das Recht zum Ausschluß des Kündigungsrechts bei einer Staffelmietvereinbarung. Ein solches vom Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumtes Recht kann auch durch Formularmietvertrag wahrgenommen werden. Ein Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung liegt darin nicht. Es heißt in § 307 Abs. 3 BGB ausdrücklich, daß eine Inhaltskontrolle nur von solchen Formularklauseln stattfindet, „durch die von Rechtsvorschriften abweichende … Regelungen vereinbart werden“. Das ist hier gerade nicht der Fall.

Zusammenfassung
(Nur) bei einer Staffelmietvereinbarung kann das ordentliche Kündigungsrecht des Wohnungsmieters für vier Jahre ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluß ist auch formularmäßig möglich.
Autor: RiAG Rudolf Beuermann