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BSR
28.07.2003 (GE 14/03, Seite 905) Prof. Dr. Peter von Dierkes, der bisherige Vorstandsvorsitzende der Berliner Stadtreinigungsbetriebe, ging, und alle kamen, um ihn in den Unruhestand zu verabschieden. Eigentlich wäre sein Vertrag erst im kommenden Jahr ausgelaufen - aber die Ereignisse seit dem Herbst des vergangenen Jahres haben ihn wohl bewogen, ein wenig vor der Zeit zu gehen.
Sehr zu Unrecht war von Dierkes in der Öffentlichkeit ein Großteil der Verantwortlichkeit für die BSR-Skandale unterstellt worden. Tatsächlich war der Mann - ein gebürtiger Tiroler - eher ein Gigant unter den Geschäftsführern und/oder Vorständen der Unternehmen in Landesbesitz. Der gelernte Naturwissenschaftler und Philosoph von Dierkes war und ist nicht nur blitzgescheit, sondern war auch ein Unternehmensführer, der seine Mitarbeiter mitreißen und motivieren konnte - keiner seiner Vorgänger hat das bei den BSR auch nur annähernd so geschafft. Das war beim Abschiedsempfang mit Händen zu greifen - ausgewachsene Personalräte, sonst eher rabautzig, kämpften mit den Tränen. Der Aufsichtsratsvorsitzende und Wirtschaftssenator Harald Wolf fand bemerkenswerte Abschiedsworte, die nicht aus der Kiste politischer Stanzen stammten, sondern eine höchst seltene Mischung darstellten: echte und nicht nur gespielte persönliche Anerkennung für die Leistung eines Mitarbeiters, ohne die nach wie vor bestehenden Probleme des Unternehmens unter den Tisch zu kehren. Dierkes selbst zog noch einmal alle Register auch seines rhetorischen Könnens, las denen die Leviten, denen man sie lesen muß - so bekam der für die Abfall„planung“ zuständige Senator Peter Strieder sein Fett weg (er knobele, so von Dierkes, immer noch an einem von Strieder geäußerten Paradoxon herum, wonach auch bei völlig unlogischen politischen Entscheidungsschritten ein richtiges Ergebnis herauskomme) -, lobte die, die man loben muß (wobei er allerdings die geduldigen Kunden vergaß) und bedankte sich bei den Politikern, die es ihm ermöglicht hätten, „persönlich die höfliche Distanz zu wahren und gleichzeitig die pragmatische Nähe zu suchen“ - so charmant und deutlich hat noch keiner aus der Staatswirtschaft gesagt, was er von Politikern hält. Viele waren gekommen, um von Dierkes beim Abschied ihre Referenz zu erweisen - nicht nur Kollegen, Freunde, Belegschaft, sondern auch viele Kritiker der BSR. Denn wie immer man zu dem Unternehmen steht, so ist doch eines wahr: Es gab eine Zeit vor von Dierkes, und es gibt eine danach. Und in dieser Spanne ist das Unternehmen um vieles besser, effizienter, belastbarer, sind Ärgernisse (BSR-Orchester, BSR-Freizeitheime) beseitigt worden. Daß trotz allem am Ende ein wenig Bitterkeit bleibt, liegt freilich auch daran, daß es eine der eigenen Grundüberzeugungen war, über die er gestolpert ist: Wer führen will, muß auch vertrauen können. Lenin hat diesen Grundsatz praxisnäher formuliert: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Daß unter seinen Augen ein Vorstandsmitglied die Tarifgestaltung manipulierte, das wird der nunmehr ehemalige BSR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Peter von Dierkes sein Lebtag nicht mehr aus dem Kopf kriegen. Bei der Verabschiedung sah man unter anderem: Stadtentwicklungssenator Peter Strieder, Schulsenator Klaus Böger, IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder, Ex-Senatorin Juliane Freifrau von Friesen, Wohnungsbauunternehmer Klaus Groth, Jörg-Konrad Becker und Dieter Blümmel von Haus & Grund Berlin, von der Gehag Jürgen Klemann, Anwalt Dr. Karlheinz Knauthe, Staatssekretärin Maria Krautzberger, Abgeordetenhauspräsident Walter Momper, die Wasserbetriebsvorstände Ludwig Pawlowski und Jörg Simon, Staatssekretär Volkmar Strauch und viele mehr.