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Wasserbetriebe
Keine Zahlungspflicht bei Einwendungen gegen Tarife
03.07.2003 (GE 13/03, Seite 857) Nach § 30 der Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser darf der Kunde die Zahlung nur verweigern, wenn ein offensichtlicher Fehler vorliegt. Anderenfalls muß er zunächst zahlen und ist auf einen Rückforderungsprozeß verwiesen. Will er die Billigkeit der Tarife bestreiten, muß er nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im Rückforderungsprozeß die Unbilligkeit nachweisen (GE 2003, 667). In einem neuen Urteil meint der BGH allerdings, daß die Unbilligkeit der Tarife ein offensichtlicher Fehler im Sinne des § 30 sei, der zur Zahlungsverweigerung berechtige. Der Kunde muß damit nicht auf einen Rückforderungsprozeß warten.
Der Fall: Der Vermieter hatte nach der damals geltenden Regelung des § 4 Abs. 5 MHG Direktabrechnung seiner Mieter mit den Berliner Wasserbetrieben erzielen wollen und hatte Wasseruhren in den Wohnungen einbauen lassen. Die Berliner Wasserbetriebe weigerten sich allerdings, eine Vielzahl von Lieferverträgen mit den Mietern abzuschließen und verlangten Begleichung der Rechnung für das ganze Haus vom Eigentümer. Dieser machte unter anderem Unbilligkeit der Tarife geltend.
Das Urteil: Mit Urteil vom 30. April 2003 stellte der Bundesgerichshof fest, daß grundsätzlich der Eigentümer aus Vertrag das Entgelt schulde, da durch die Entgegennahme der Leistung ein Wasserlieferungsvertrag konkludent zustande gekommen sei. Daß nicht der Eigentümer, sondern seine Mieter das Wasser verbrauchten, sei unerheblich. Allerdings könne sich ein Versorgungsunternehmen nicht auf § 30 der Allgemeinen Versorgungsbedingungen berufen, da die Unbilligkeit der Tarife ein offensichtlicher Fehler im Sinne des § 30 sei. Nur so könnten die schutzwürdigen Interessen des Kunden gewahrt werden.
Tip: Man kann schon darüber streiten, ob die Billigkeit oder Unbilligkeit der Preisbestimmung ein offensichtlicher Fehler im Sinne des § 30 AVB ist. Jedenfalls kann das Urteil eine radikale Änderung der bisherigen Praxis bewirken. Auch die Gerichte gingen bisher von der Anwendbarkeit des § 30 AVB aus. Kunden müssen nunmehr nur die Frist von zwei Jahren zur Geltendmachung ihrer Einwände nach § 30 einhalten; zahlen müssen sie bis zur Klärung, ob die Tarife nach billigem Ermessen festgesetzt sind, jedoch nicht.
BGH, Urteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02 - Wortlaut Seite 872
Autor: Rudolf Beuermann