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117. Zentralverbandstag Haus & Grund Deutschland in Bonn
Regierung lenkt bei Graffiti-Schmierereien und Antidiskriminierungsgesetz ein
03.07.2003 (GE 13/03, Seite 840) Die Bundesregierung wird eine Verschärfung der Strafrechtsvorschriften gegen Sachbeschädigung (Graffiti) nicht mehr blockieren und das geplante Antidiskriminierungsgesetz durchführbar gestalten. Eine Liberalisierung des Mietrechts sei von ihr aber nicht zu erwarten, erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries auf dem 117. Zentralverbandstag in Bonn.
Die rot-grüne Bundesregierung will schärfere strafrechtliche Vorschriften gegen Graffiti-Schmierereien nicht länger blockieren und Vermieter bei der Auswahl ihrer Mieter durch das geplante Antidiskriminierungsgesetz nicht stärker einschränken, als es die Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union mit einem Verbot von Benachteiligungen im privaten Geschäftsverkehr aus rassischen oder ethnischen Gründen fordert. Das kündigte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries auf dem 117. Zentralverbandstag von Haus & Grund Deutschland in Bonn am 20. Juni an. Sie bestätigte damit die Abkehr von Vorstellungen ihrer Amtsvorgängerin Hertha Däubler-Gmelin, die auch geschlechtliche, religiöse, weltanschauliche, sexuelle und Altersmerkmale in den Katalog aufnehmen wollte.

Mit diesem Sinneswandel traf Frau Zypries den Nerv des Publikums und Forderungen von Haus & Grund. Die Eigentümer, andere Wirtschaftsverbände und die Kirchen waren über die Pläne Däubler-Gmelins vor einem Jahr schockiert und hatten beim Bundeskanzler dagegen erfolgreich interveniert.
Daß Brigitte Zypries nicht den politischen, sondern den fachlichen Aufstieg aus der Position einer beamteten Staatssekretärin zur heutigen Bundesministerin ohne Abgeordnetenmandat geschafft hat, war ihrer Rede anzumerken. Sie gab sich keine große Mühe, ihre Zuhörerschaft durch den Zauber ihrer Worte zu umgarnen, fand aber als Frau vom Fach besonders bei juristisch versierten Teilnehmern Respekt. Wohl kaum in die Liste der elegantesten rhetorischen Kunstgriffe aufgenommen werden dürfte, daß sie ihre Ausführungen damit begann, die mehrfach durch Beifall unterbrochene Rede von Haus & Grund-Präsident Rüdiger Dorn als „klassenkämpferisch“ zu titulieren. Diese Bemerkung über Dorn, der sich zwar bestimmt, aber sachlich und nie im Stil eines radikalen Volkstribuns zu äußern pflegt, brachte der Bundesjustizministerin das erste und keinesfalls letzte deutlich vernehmbare Murren aus den Sitzreihen vor ihr ein. Der akustische Protest der Haus & Grund-Gemeinde wuchs an mancher Stelle sogar noch, vor allem beim Mietrecht, und der Schlußapplaus für die Ministerin blieb höflich - nicht mehr.

Aber Brigitte Zypries redete nicht um den heißen Brei herum und räumte ein, daß die Koalition zwischen SPD und Grünen beim Antidiskriminierungsgesetz noch uneinig sei. Zypries kündigte dennoch bis zum 19. Juli einen Gesetzentwurf an und sprach sich gegen weitere Kriterien aus. Die Kriterien müßten auch begrenzt bleiben, um „keine Gesellschaft von Lügnern“ zu erziehen.

Für Spannungen zwischen SPD und Grünen dürften auch die aus dem Bundesrat und von der Bundestagsopposition CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzesverschärfungen gegen Graffiti-Schmierereien sorgen. Die Bundesjustizministerin zeigte offen ihre Unterstützung für diese Absichten, auch wenn sie den Begriff des „Verunstaltens“ ablehnte. Hier suche man nach einer besseren Formulierung, weil sonst in den Prozessen ständig Kunstgutachter aussagen müßten. Es gehe um die Klarstellung, daß eine wesentliche Veränderung des Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers strafrechtlich sanktioniert werde. „Wir müssen der Diskussion ein Ende machen“, sagte Brigitte Zypries. In der vergangenen Legislaturperiode hatte die rot-grüne Bundestagsmehrheit entsprechende Gesetzesinitiativen noch abgelehnt.

Die Zustimmung zu den nun wiederholt von der Opposition eingebrachten Gesetzesvorschlägen bezog Zypries nicht nur auf ihr Ressort, sondern ausdrücklich auch auf die SPD-Bundestagsfraktion. Das hatte man so bislang nicht gehört. Sie nannte die Graffiti-Schmierereien „ein großes Ärgernis und eine Mißachtung der Eigentümerrechte“. Da die meisten Täter aber nicht gefaßt würden, müsse es auch künftig um Prävention gehen. Sie lobte die Initiative von Haus & Grund, zusammen mit Kommunen und Polizei Aufklärungsarbeit zu leisten.
Ganz und gar nicht teilen mochten die Zuhörer dagegen die Einschätzung der Bundesjustizministerin, das seit September 2001 geltende Wohnraummietrecht habe sich bewährt und sei ein fairer Interessenausgleich zwischen Vermietern und Mietern. Frau Zypries wirkte konsterniert, wie massiv ihr hier Ablehnung und Widerspruch entgegenschlugen („Aufhören, aufhören!“, „Wo leben Sie denn bloß?“). Sie ließ keine Hoffnung darüber aufkommen, mit ihr und der jetzigen Bundesregierung werde es ein liberalisiertes Mietrecht mit mehr Vertragsfreiheit geben. Sie akzeptierte nicht einmal, daß Vermieter und Mieter gleichrangige Vertragspartner seien, sondern attestierte dem Mieter einen höheren Schutzanspruch, weil sich bei einer Wohnungskündigung dessen gesamtes Lebensumfeld ändere.