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Auf Entzug
20.05.2003 (GE 10/03, Seite 609) Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit mag zwar lieber Partys besuchen, die Nächte durchtanzen und sich so als das ganze Gegenteil seines Vorgängers präsentieren, dessen Lieblingsbeschäftigung im Aktenfressen bestand, doch wenn es hart auf hart kommt, geht Wowereit mit gesenktem Kopf in den Angriff, während sein Vorgänger selbiges Körperteil in den Sand gesteckt und auf das Abflauen des Sturmes gewartet hätte.
Auch wer sich nicht zu seinen politischen oder sonstigen Freunden rechnet, muß anerkennen, wie Wowereit - als erster in Deutschland - sich den Zumutungen der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes widersetzte und deren Funktionäre Schritt für Schritt in eine Isolation trieb, mit der diese unter einem rot-roten Senat jedenfalls nicht gerechnet hatten. Nicht einmal in den eigenen Reihen haben die Gewerkschaftsfunktionäre noch eine Mehrheit für ihre staatsausbeuterischen Forderungen.

Dieser Tage war es wiederum Wowereit, der eine wichtige Debatte vom Zaun brach: Er plädierte, die Steuerfreiheit für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zu streichen. Entsetzen rief Wowereit mit dem Vorschlag bei dem bräsigen SPD-Generalsekretär Olaf Scholz hervor. Ein Tabubruch sei das, wetterte er, schließlich handele es sich um „ganz, ganz schwere Arbeit“.s
Na ja, aber schließlich gibt es dafür ja auch die Zuschläge. Daß die aber auch noch steuerfrei bleiben müssen, ist kein gottgegebener und unantastbarer Schnaps obendrauf. Ohnehin ist mir schleierhaft, wieso die Steuerfreiheit dieser Zuschläge noch nicht auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand war. Jeder Handwerker, jeder Freiberufler, jeder Unternehmer verbringt einen nicht unerheblichen Teil seiner Sonn- und Feiertage, Abende und Nächte am Schreibtisch - hat man je gehört, daß der Fiskus das auf diese Zeit entfallende Einkommen steuerfrei gestellt hätte?

Diese Zuschläge sind aber nur ein paar Gänseblümchen aus dem bunten Strauß von Subventionen - direkten Finanzhilfen und Steuervergünstigungen - , die Bund, Länder und Gemeinden Bürgern und Betrieben Jahr für Jahr binden. Und entgegen allen öffentlichen Beteuerungen, Subventionen abzubauen, bleiben sie im wesentlichen gleich, wie der letzte Subventionsbericht der Bundesregierung ausweist: Von 1999 bis 2002 sanken zwar die Finanzhilfen des Bundes, dafür stiegen die Steuervergünstigungen.
Und kaum, daß nach Wowereits Vorstoß eine zaghafte Diskussion über Subventionsabbau einsetzte, meldeten sich auch die Bremser zu Wort: Alle Subventionen nach der Methode Rasenmäher um 10 % kürzen, fordern die beiden Ministerpräsidenten Koch (Hessen) und Steinbrück (Nordrhein-Westfalen). Das ist nichts als eine Flucht aus der politischen Verantwortung und/oder vor den Lobbyisten.

Nach wie vor subventionieren wir im Bergbau künstlich Arbeitsplätze von gestern - diese Art von Sterbegeld streicht man ebensowenig wie man den Grünen ihr Steckenpferd läßt und mit Milliarden die Schere zwischen Ökonomie und Ökologie schließt. Es regnet weiter Geld auf die Landwirtschaft, die uns mit immer neuen Skandalen und Pannen unser täglich Brot damit nicht schmackhafter macht, und allein 10 Milliarden Euro stecken in der Wohnungsförderung, und das in einem Land, dessen Wohnungsversorgung einen Spitzenplatz in der Welt einnimmt.
Das alles muß auf den Prüfstand. Und dieser Diskussion kann man sich nicht nach dem St.-Florians-Prinzip entziehen. Etwa, indem man bei den Bergbausubventionen die Arbeitsplätze dort - zutreffend - als überflüssig bezeichnet und gleichzeitig bei der Eigenheimzulage an der Überversorgung vorbei auch nur mit Arbeitsplätzen, und damit kein Jota anders argumentiert als die Bergbaulobby.
Subventionen, dauerhafte insbesondere, sind Gift für die Marktwirtschaft. Es ist Zeit, daß unser Land auf Entzug gesetzt wird.
Autor: Dieter Blümmel