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Zahlungsverzug
Rechtsmißbräuchliches Räumungsverlangen
26.03.2003 (GE 6/03, Seite 360) Die Übernahme der Mietzahlung durch das Sozialamt birgt für den Vermieter verschiedene Risiken. Zum einen ist meist die Verpflichtung nicht einklagbar, zum anderen kann trotz Vorliegens eines Kündigungsgrundes ein Räumungsverlangen rechtsmißbräuchlich sein.
Der Fall: Die Vermieterin ließ die Wohnung sanieren, wobei zeitweilig auch die Mieterin ausquartiert war. Über die Höhe der sich daraus ergebenden Minderung bestand Streit; das Sozialamt zahlte bis einschließlich März 2000 die Miete und stellte danach die Mietzahlung ein. Mit Schreiben vom 27. März 2000 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen der Zahlungsrückstände und wiederholte diese Kündigung mit ihrer Räumungsklage vom 26. Juli 2000. Das Landgericht Berlin bestätigte das Räumungsurteil des Amtsgerichts, da die Kündigung vom 26. Juli 2000 wirksam gewesen sei. Die Verfassungsbeschwerde der Mieterin war erfolgreich.
Der Beschluß: Mit Beschluß vom 27. September 2002 hob der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin das Urteil des Landgerichts auf, da der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei. Es habe nicht die Ausführungen der Mieterin zur Kenntnis genommen, daß sie von der Einstellung der Zahlungen durch das Sozialamt erst im Juli 2000 erfahren habe. Dann hätte aber die Durchsetzung des auf den Mietrückstand gestützten Räumungsanspruchs gegen Treu und Glauben verstoßen können.
Anmerkung: Der Fall gibt erneut Veranlassung, auf den Unterschied zwischen Verschulden und Vertretenmüssen als Kündigungsgrund hinzuweisen. Nach § 276 BGB hat der Mieter jegliches (eigenes) Verschulden zu vertreten, was grundsätzliche Voraussetzung etwa für den Kündigungsgrund der ständigen unpünktlichen Mietzahlung ist. Darauf stellt der Rechtsentscheid des Kammergerichts ab, der ein Verschulden des Mieters für eine ständige unpünktliche Mietzahlung durch das Sozialamt - zu Recht - verneint (GE 1998, 120).
Der Begriff des Vertretenmüssens ist dagegen weiter und erfaßt neben dem eigenen Verschulden auch das Beschaffungsrisiko (für Geld) nach § 276 BGB und die Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB).
Für den Zahlungsverzug als Kündigungsgrund nach § 543 BGB reicht das Vertretenmüssen. Im vorliegenden Fall war also die Mieterin in Verzug gekommen, nachdem das Sozialamt als ihr Erfüllungsgehilfe die Zahlungen eingestellt hatte. Die Ausführungen des Landgerichts zur unverschuldeten Leistungsunfähigkeit waren daher, wie der Verfassungsgerichtshof ausführt, unzutreffend. Es kam nicht auf das Verschulden, sondern auf das Vertretenmüssen an. Dann war aber grundsätzlich die Kündigung vom Juli 2000 wirksam wegen Zahlungsverzugs. Das Landgerichtsurteil wurde allein deshalb aufgehoben, weil es sich nicht mit dem Einwand der Mieterin auseinandergesetzt hatte, ihr sei die Zahlungseinstellung nicht mitgeteilt worden, so daß das Räumungsbegehren rechtsmißbräuchlich sein könnte. Mit der Frage, ob das Mietverhältnis nicht schon durch Kündigung vom 27. März 2000 beendet worden war, mußte sich der Verfassungsgerichtshof nicht beschäftigen, da das Landgericht allein auf die zweite Kündigung abgestellt hatte.
VerfGH, Beschluß vom 27. September 2002 -VerfGH 63/02, 63 A/02 - Wortlaut Seite 385
Der Beschluß: Mit Beschluß vom 27. September 2002 hob der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin das Urteil des Landgerichts auf, da der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei. Es habe nicht die Ausführungen der Mieterin zur Kenntnis genommen, daß sie von der Einstellung der Zahlungen durch das Sozialamt erst im Juli 2000 erfahren habe. Dann hätte aber die Durchsetzung des auf den Mietrückstand gestützten Räumungsanspruchs gegen Treu und Glauben verstoßen können.
Anmerkung: Der Fall gibt erneut Veranlassung, auf den Unterschied zwischen Verschulden und Vertretenmüssen als Kündigungsgrund hinzuweisen. Nach § 276 BGB hat der Mieter jegliches (eigenes) Verschulden zu vertreten, was grundsätzliche Voraussetzung etwa für den Kündigungsgrund der ständigen unpünktlichen Mietzahlung ist. Darauf stellt der Rechtsentscheid des Kammergerichts ab, der ein Verschulden des Mieters für eine ständige unpünktliche Mietzahlung durch das Sozialamt - zu Recht - verneint (GE 1998, 120).
Der Begriff des Vertretenmüssens ist dagegen weiter und erfaßt neben dem eigenen Verschulden auch das Beschaffungsrisiko (für Geld) nach § 276 BGB und die Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB).
Für den Zahlungsverzug als Kündigungsgrund nach § 543 BGB reicht das Vertretenmüssen. Im vorliegenden Fall war also die Mieterin in Verzug gekommen, nachdem das Sozialamt als ihr Erfüllungsgehilfe die Zahlungen eingestellt hatte. Die Ausführungen des Landgerichts zur unverschuldeten Leistungsunfähigkeit waren daher, wie der Verfassungsgerichtshof ausführt, unzutreffend. Es kam nicht auf das Verschulden, sondern auf das Vertretenmüssen an. Dann war aber grundsätzlich die Kündigung vom Juli 2000 wirksam wegen Zahlungsverzugs. Das Landgerichtsurteil wurde allein deshalb aufgehoben, weil es sich nicht mit dem Einwand der Mieterin auseinandergesetzt hatte, ihr sei die Zahlungseinstellung nicht mitgeteilt worden, so daß das Räumungsbegehren rechtsmißbräuchlich sein könnte. Mit der Frage, ob das Mietverhältnis nicht schon durch Kündigung vom 27. März 2000 beendet worden war, mußte sich der Verfassungsgerichtshof nicht beschäftigen, da das Landgericht allein auf die zweite Kündigung abgestellt hatte.
VerfGH, Beschluß vom 27. September 2002 -VerfGH 63/02, 63 A/02 - Wortlaut Seite 385
Autor: Rudolf Beuermann