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Ein Bauunternehmer schuldet nicht nur eine Leistung, sondern den Erfolg
Dach einer Produktionshalle war undicht
04.10.2000 (GE 12/2000, 779) I. Problemstellung Der Bundesgerichtshof hat in den letzten Jahren (zuletzt mit Urteil vom 16. Juli 1998 - VII ZR 350/96) mehrfach auf etwas hingewiesen, was überraschenderweise nicht nur am Bau, sondern auch bei Gerichten immer wieder zu Streitigkeiten führt.
Es handelt sich um die Tatsache, daß ein Bauunternehmer - die Juristen sprechen vom Werkunternehmer - im Rahmen eines Bauvertrages - der bis auf wenige Ausnahmen immer ein Werkvertrag ist - regelmäßig einen bestimmten Erfolg schuldet. Man spricht insoweit von der verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung des Auftragnehmers am Bau. Dies gilt im übrigen nicht nur für den Bauunternehmer, sondern uneingeschränkt auch für den Architekten/Ingenieur.
Was ist damit gemeint? Diese Erfolgshaftung bedeutet, daß jeder Auftragnehmer am Bau - Bauunternehmer wie Architekt/Ingenieur - nicht wie ein Angestellter „nur“ den Nachweis der Erbringung bestimmter Arbeiten bzw. Leistungen schuldet, sondern seine Tätigkeit muß auch zu einem bestimmten Erfolg führen. Tritt dieser Erfolg nicht ein, muß der Unternehmer nachbessern. Dies selbst in den Fällen, in denen der Nichteintritt des Erfolges nicht auf einem Verschulden beruht. Oder anders ausgedrückt: Selbst wenn der Unternehmer beweisen kann, daß er nichts dafür kann, daß dieser Erfolg nicht eingetreten ist, selbst in diesen Fällen schuldet er weiterhin im Wege der Nachbesserung den Erfolg. Das geht sogar soweit, daß diese Erfolgshaftung des Unternehmers auch dann bestehen bleibt, wenn sich die zu erbringende Leistung - der Erfolg - als unmöglich herausgestellt hat. Der Gesetzgeber hat dies im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) dadurch zum Ausdruck gebracht, daß der § 306 BGB - der von der Unmöglichkeit der Leistung spricht - im Werkvertragsrecht gerade nicht gilt.
Für viele Unternehmer ist dies bis heute nicht nachvollziehbar. Warum sollen sie für etwas haften, wofür sie nichts können? Die Antworten des BGB und der VOB (Verdingungsordnung für Bauleistungen) gehen unstreitig davon aus, daß ein Werkunternehmer nicht für Dienste bezahlt wird, sondern für einen Erfolg.
Ein gutes Beispiel zur Abgrenzung dieser Problematik sind die Stundenlohnarbeiten. Beauftragt der Bauherr/Auftraggeber einen Unternehmer im Rahmen eines Pauschalvertrages, eine bestimmte Grube auszuheben, dann zählt als Erfolg eben nur die ausgehobene Grube. Anders bei Stundenlohnarbeiten. Wird jemand im Stundenlohn beauftragt, eine Grube auszuheben, dann richtet sich die Endvergütung allein nach den aufgewendeten Stunden. Dies kann bei dem einen „Schaufler“ mehr sein, bei dem anderen weniger. Allerdings muß am Ende wiederum als Erfolg die ausgehobene Grube vorliegen.
Zur Erläuterung/Abgrenzung ist zusätzlich darauf hinzuweisen, daß sich diese verschuldensunabhängige Erfolgshaftung nur auf den Bereich der Nachbesserung sowie Wandlung und Minderung bezieht; sie gilt dagegen nicht für Ansprüche auf Schadensersatz. Hier haftet der Unternehmer nur dann, wenn er vorwerfbar, d. h. schuldhaft, die Leistung nicht erbracht hat. Allerdings wird bei einem Handwerker im Falle der mangelhaften Erbringung seiner Leistung regelmäßig dieses Verschulden unterstellt. Etwas anderes gilt nur, wenn er das Gegenteil beweisen kann.
All diese Dinge sind seit Bestehen des BGB - nun seit mehr als hundert Jahren - unstreitig. Gleichwohl kommt es hierüber am Bau und vor Gericht immer wieder zu Streit. Das hier zu besprechende Urteil des BGH belegt dies.

II. Entscheidung des BGH
1. Der Bundesgerichtshof, also die dritte Instanz unseres Gerichtszuges, hatte einen Streit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bezüglich der Erstellung einer Lager- und Produktionshalle zu entscheiden. Offen vor Gericht waren restliche Vergütungsansprüche sowie zur Aufrechnung gestellte Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche. Die Halle war im Jahre 1990 erstellt worden; bis zum November 1999 haben die Parteien darüber gestritten, wer dafür verantwortlich ist, daß es in die Halle hineinregnet. Diese Aussage hat fast komische Züge. Rechtlich sah es so aus, daß die Vorinstanzen die entsprechende Haftung dem Auftraggeber auferlegt haben. Dies deshalb, weil der zugrunde liegende Bauvertrag erst vom BGH so ausgelegt wurde, daß der Auftragnehmer ein „regensicheres“ Dach geschuldet hat. Eine Auslegung war deshalb erforderlich geworden, weil entsprechendes im Vertrag nicht ausdrücklich festgehalten worden ist. Auch dies mag überraschend klingen. Kaum jemand, der sich ein Dach erstellen läßt oder - wie hier eine ganze Halle - schreibt in den Vertrag hinein, daß das Dach auch regensicher sein müsse. Davon geht man an sich aus. So auch der BGH. Er urteilt, daß ein Dach als eine Art Mindeststandard eines jeden Werkvertrages, regensicher zu sein habe.
2. Warum haben die Vorinstanzen dies anders gesehen? Das zuvor eingeschaltete Oberlandesgericht hatte dem Auftraggeber vorgehalten, er habe nicht ausreichend dargetan, daß das Dach „regensicher zu sein habe“. Das OLG geht sogar soweit, vom Unternehmer nicht zu fordern, daß er Entsprechendes hätte nachfragen müssen. Begründet wird dies damit, daß das Dach in einem Bereich mit „starkem Windeinfall“ gelegen habe und der Unternehmer hiermit nicht habe rechnen müssen. Wenn der Auftraggeber ein Dach gewünscht hätte, daß auch einer stärkeren Regenbelastung standhielt, hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen. Dies vor dem Hintergrund, das die konkret vereinbarte Ausführung - dies ist das Entscheidende an den Ausführungen des OLG - der geschilderten stärkeren Regenbelastung nicht standhalten konnte. Mit der vertraglich vereinbarten Ausführungsart war dieser Erfolg überhaupt nicht zu erreichen. Es war eine besonders preisgünstige Leistungsart vereinbart worden. Gerade aufgrund dieser Vereinbarung habe der Auftraggeber das Risiko der vereinbarten Konstruktion erkannt und gebilligt.
3. Nicht so der BGH. Er stellt darauf ab, daß ein Unternehmer immer einen Werk-erfolg schulde. Dies selbst dann, wenn Entsprechendes mit der vereinbarten Leistungsart nicht erreicht werden konnte. Im hier vorliegenden Fall hätte gerade der Unternehmer darauf hinweisen müssen, daß die Leistung, so wie sie ausdrücklich vereinbart war, eine Regendichtigkeit nicht uneingeschränkt gewährleisten konnte. Dies hätte er dem Auftraggeber mitteilen müssen. Daß eine andere Konstruktion, die den gewünschten Erfolg herbeigeführt hätte, teurer gewesen wäre, stellt der BGH nicht in Abrede. Natürlich hätte der Auftraggeber bei Beauftragung einer funktionstauglichen Leistung - d. h. einer Halle, die auch schwerem Regen standgehalten hätte - mehr bezahlen müssen (etwas anderes gilt dann, wenn ein sog. Global-Pauschalvertrag vereinbart ist). Im Rahmen der Gewährleistung wären solche Gedanken über die sog. Sowieso-Kosten zu berücksichtigen. Diese bedeuten, daß der Auftraggeber im Rahmen der Sanierung finanziell einen Beitrag zu leisten und die Kosten zu übernehmen hätte, die von Anfang an entstanden wären, wenn gleich die zutreffende Leistungsart gewählt worden wäre.

III. Fazit / Zusammenfassung
Was kann dem Urteil entnommen werden? Es besagt erneut, daß jeder Unternehmer nur dann ruhig schlafen kann bzw. seine Leistung ordnungsgemäß erbracht hat bzw. überhaupt erbringen kann, wenn mit dem mit ihm vereinbarten Leistungspaket der beabsichtigte Leistungserfolg auch tatsächlich erreicht werden kann. Ist dies nicht möglich, muß er den Auftraggeber darauf hinweisen. Will der Auftraggeber - eventuell aus Kostenersparnisgründen - das Risiko dafür übernehmen, daß die gewählte Leistungsart den gewünschten Erfolg nicht unbedingt garantiert, muß sich der Unternehmer dieses nachweisbar belegen lassen. Gelingt ihm dies nicht, wird er in die Haftung genommen.
Im Ergebnis bleibt es somit bei der Erfolgshaftung auch in den Fällen, in denen die Parteien „eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben, mit der die geschuldete Funktionstauglichkeit des Werkes nicht erreicht werden kann“, so wörtlich der BGH. Nicht im vorliegenden Falle, aber bei zahlreichen Bauverträgen, stellt sich in diesem Zusammenhang zusätzlich die oftmals sehr schwer zu beantwortende Frage, was eigentlich der geschuldete Werkerfolg ist. Hierbei gehen oftmals die Wünsche/Absichten des Auftraggebers und die Gedanken der Auftragnehmer auseinander. Entsprechendes kann nur dann in den Griff bekommen werden, wenn der Werkerfolg im Vertrag ausreichend deutlich beschrieben ist. Wenngleich es viele Unternehmer nicht wahrhaben wollen - Entsprechendes ist gerade auch in ihrem Sinne. Der vorliegende Fall belegt dies erneut. Auch der Unternehmer sollte darauf achten, daß der von ihm zu erbringende Erfolg im einzelnen beschrieben wird. Wird Entsprechendes im Vertrag offengelassen, kann es - wie im vorliegenden Fall - zu Lasten des Unternehmers ausgehen.
Autor: Prof. Dr. AXEL WIRTH, Ordinarius an der TU Darmstadt