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Streitigkeiten beim Stundenlohnvertrag
Klarstellung durch den Bundesgerichtshof
18.10.2000 (GE 10/2000, 640) Stundenlohnverträge sind in der Baupraxis wenig beliebt: Für den Auftraggeber ist die Kostenbelastung im voraus nicht kalkulierbar, der Unternehmer sieht sich nach Rechnungslegung nicht selten dem Einwand ausgesetzt, er habe „zu viele“ Stunden aufgeschrieben und abgerechnet.
Gerade in der Wohnungswirtschaft muß aber bei den laufenden Instandhaltungen vielfach mit dem Stundenlohnvertrag gearbeitet werden. Der Aufwand für Reparatur oder Instandsetzung ist vorab meist nicht kalkulierbar, so daß sich der Handwerker in der Regel auf eine Pauschalabrede oder einen Einheitspreisvertrag nicht einlassen kann. In der Regel wird ein BGB-Werkvertrag geschlossen, weil die Vorschriften der VOB/B schon wegen der Art der Auftragserteilung (telefonisch oder per Fax) nicht zum Zuge kommen. Der Bundesgerichtshof1) hat nunmehr verdeutlicht, wie mit dem Einwand, der Handwerker habe „zu viele Stunden“ abgerechnet, umzugehen ist.

Diese Behauptung kann zum einen bedeuten, daß der Auftraggeber die Anzahl der abgerechneten Stunden angreift. Insoweit, stellt der BGH klar, trägt der Unternehmer die volle Darlegungs- und Beweislast2). Wenn also der Kunde bestreitet, muß das Gericht über die behauptete Anzahl der angefallenen Stunden Beweis erheben.
Zum anderen kann der Einwand so zu verstehen sein, daß der Kunde sich auf eine unwirtschaftliche Arbeitsweise des Unternehmers berufen will. Der BGH stellt zunächst klar, daß der Werkunternehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einer wirtschaftlichen Betriebsführung verpflichtet ist. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung führt aber nicht unmittelbar zur Kürzung des Werklohnanspruchs, sondern löst einen Schadenersatzanspruch des Auftraggebers aus positiver Forderungsverletzung aus. Für diese objektive Pflichtverletzung trägt der Kunde die Darlegungs- und Beweislast3).

Mit anderen Worten: Wenn die tatsächlich aufgewendete Zeit feststeht, so muß der Auftraggeber darlegen und beweisen, daß die Leute des Handwerkers getrödelt oder unsachgemäße Techniken verwendet haben bzw. einfach nur unproduktiv eingesetzt worden sind. Ein entsprechender Vortrag wird nur aufgrund konkreter Beobachtungen auf der Baustelle oder aber durch Vergleich mit anderen schon abgerechneten Gewerken möglich sein. Der BGH stellt allerdings klar, daß die Anforderungen der Gerichte an den Vortrag des Bestellers nicht überspannt werden dürfen („Substantiierungskeule“), weil er die betrieblichen Abläufe des Unternehmers regelmäßig nicht kennt.
Zusammengefaßt stellt sich die Darlegungs- und Beweislast beim Stundenlohnvertrag damit wie folgt dar:
Vereinbarte Abrechnungsart: Wenn der Handwerker einen Stundenlohn einfordert, muß er darlegen und beweisen, daß die Abrechnung nach Stundenlöhnen ausdrücklich vereinbart wurde (§ 631 Absatz 1 BGB) oder aber daß dies der übliche Preistyp ist (§ 632 Absatz 2 BGB). Üblich ist der Stundenlohnvertrag in weiten Bereichen des Handwerks, insbesondere bei Instandsetzung und Reparatur.
Vereinbarter Stundenlohnsatz: Die Höhe des Stundenverrechnungssatzes richtet sich ebenfalls zunächst nach der Vereinbarung, hilfsweise nach dem Ortsüblichen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Unternehmer. Streitigkeiten über den Stundenverrechnungssatz sind besonders unerfreulich, die Ermittlung ist auch für den Sachverständigen schwierig4). Selbst bei kurzfristiger Beauftragung eines Handwerkers sollte deshalb zumindest die Höhe des Stundenverrechnungssatzes (netto oder brutto?) erfragt und dieser Betrag im Faxauftrag fixiert werden.
Geleistete Stunden: Für die tatsächlich geleisteten Stunden ist der Unternehmer darlegungs- und beweispflichtig. Stundenlohnzettel muß er nicht verwenden, sollte dies aber im eigenen Interesse tun. Ordnungsgemäß ausgefüllte Stundenlohnzettel, die von einem Bevollmächtigten des Auftraggebers gezeichnet sind, führen nämlich zur Umkehr der Beweislast.

Unwirtschaftliche Arbeitsweise: Für den Einwand, daß der Handwerker unwirtschaftlich und damit zu lange gearbeitet habe, trägt nach der anfangs dargestellten Entscheidung des Bundesgerichtshofs der Kunde die Darlegungs- und Beweislast.
Es bleibt also dabei, daß der Stundenlohnvertrag für beide Vertragsparteien ein erhebliches Risikopotential beinhaltet. Dem Vertrauen des Kunden in die korrekte Abrechnung des Handwerkers kommt eine besondere Bedeutung zu. Letztlich muß er ihm glauben; die Chancen, dem Unternehmer im Konfliktfall überhöhte Abrechnungen nachzuweisen, sind nach der klarstellenden neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedenfalls geringer geworden5).

1) Urteil vom 1. Februar 2000 - X ZR 198/97, NJW 2000, 1107. Die Entscheidung ist zu einer Wirtschaftsprüfersache ergangen, behandelt aber ausschließlich werkvertragliche Fragen.
2) Urteil vom 1. Februar 2000 - X ZR 198/97, NJW 2000, 1107 unter III.
3) Urteil vom 1. Februar 2000 - X ZR 198/97, NJW 2000, 1107 unter IV. a) und b). Die von Staudinger-Peters, BGB-Kommentar, 13. Bearbeitung 1994, § 632 Rdnr. 18 vertretene (kundenfreundliche) Ansicht, wonach der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast für eine wirtschaftliche Betriebsführung tragen soll, verwirft der Bundesgerichtshof ausdrücklich.
4) § 15 Nr. 1 Absatz 2 VOB/B schreibt für den VOB-Vertrag vor, bei nicht zu ermittelnder ortsüblicher Vergütung seien „die Aufwendungen des Auftragnehmers für Lohn- und Gehaltskosten der Baustelle, Lohn- und Gehaltsnebenkosten der Baustelle, Stoffkosten der Baustelle, Kosten der Einrichtungen, Geräte, Maschinen und maschinellen Anlagen der Baustelle, Fracht-, Fuhr- und Ladekosten, Sozialkassenbeiträge und Sonderkosten, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung entstehen, mit angemessenen Zuschlägen für Gemeinkosten und Gewinn (einschließlich allgemeinem Unternehmerwagnis) zuzüglich Umsatzsteuer“ zu errechnen.
5) Siehe z. B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Juli 1994 - 5 U 259/93, OLGR Düsseldorf 1994, 215-216 = Juris-Dokument Nr.: KORE448939400. In diesem Fall gelang es selbst mit Sachverständigengutachten nicht, die Abrechnung des Handwerkers zu Fall zu bringen.

Autor: RiAG Matthias Schmidt