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Guter Bulle, böser Bulle
27.01.2003 (GE 2/03, Seite 69) Was wir im Moment beim Thema Anschlußförderung für Sozialwohnungen (eigentlich müßte es heißen: „für Sozialmieter“) erleben, funktioniert ein wenig nach der aus Krimis bekannten Masche „Guter Bulle, böser Bulle“. Der eine bringt Kaffee und reicht Zigaretten, der andere brüllt und tobt. Und dazwischen schwitzt das Verhöropfer.
Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (guter Bulle) und Finanzsenator Thilo Sarrazin (böser Bulle) führen dieses Stück seit Monaten mit großem Erfolg auf.
Die Strategie scheint Erfolg zu haben. Hatten die Interessenvertreter der Betroffenen noch vor Monaten auf dicke Rechtsgutachten gepocht oder nach ein wenig sybillinischem Gemurmel des Regierenden Bürgermeisters allen Ernstes sogar Entwarnung gegeben, hat sich inzwischen Panik breitgemacht, die mit jedem Tag größer wird, warten doch die ersten bereits darauf, daß die Banken die Kredite fällig stellen (bei den Banken ist die Panik sowieso am größten).

Dabei ist die Position der Eigentümer und Fonds mit Sozialwohnungen so schlecht nicht. Jedenfalls dann, wenn in diesem Land noch ein Funken Rechtsstaatlichkeit und zwei Funken Verstand übrig sind.
Zwar hat sich der Finanzsenator inzwischen auch ein Rechtsgutachten schreiben lassen, daß kein Anspruch der Eigentümer auf Nachförderung besteht, doch die Interessenverbände haben vier oder fünf, die genau das Gegenteil aussagen. Nach Rechtsgutachten steht es also 5 : 1 oder 4 : 1 gegen Sarrazin.

Ob Sarrazins Rechnung, den Bund über die von ihm eingegangenen Rückbürgschaften an den Pleitekosten zu beteiligen, aufgeht, ist auch zweifelhaft. Aus dem Bundesbauministerium kommt von der obersten Ministerialebene der kühle und leicht spöttische Hinweis, der Bund habe die Rückbürgschaften damals unter der stillschweigenden Bedingung übernommen, daß sie für den Fall des Scheiterns Einzelner gewährt würden und nicht dafür, daß ein wild gewordener Berliner Finanzsenator die Rückbürgschaften des Bundes dazu benutzt, den Berliner Haushalt zu sanieren, indem er 30 Jahrgänge Berliner Sozialwohnungen an die Wand fährt.

Die Interessenverbände werden sicher auch noch das Geld für eine studentische Hilfskraft aufbringen können, die sich einmal die Abgeordnetenhausprotokolle der letzten 30 Jahre vornimmt und die vielen Eide und Schwüre der Wohnungspolitiker protokolliert.

Der Berliner Senat sollte sich auch nicht über die Konsequenzen eines abrupten Endes der Förderung für die Mieter täuschen. Die Vermieter dürfen die Kostenmiete verlangen, an die ortsübliche sind sie nach dem Gesetz nicht gebunden. In attraktiven Lagen werden die Wohnungen leergezogen und zu den maximal erzielbaren Mieten wieder belegt - für die Eigentümer eine notwendige Maßnahme des Selbstschutzes. Das Sarrazinsche Zwangsumsiedlungsprogramm wird zusätzlich die Mieten auch in anderen Marktsegmenten steigen lassen. Den Mietern, die bleiben wollen, wird man die Miete bis zur Grenze der Belastbarkeit erhöhen müssen, um jede Möglichkeit zu nutzen, der Pleite zu entgehen. Und es liegt nahe, daß der eine oder andere Vermieter seinen Handlungszwang den Mietern gegenüber auch begründet und die Verantwortlichen benennt. Und das alles wird sich Monat für Monat, Jahr für Jahr wiederholen.

Schließlich wird, wenn die Gerichte zu der Auffassung kommen sollten, daß ein Anspruch auf Nachförderung besteht, auf das Land Berlin ein apokalyptischer Berg von Nachforderungen, Nachförderungen und Schadensersatzansprüchen zukommen, gegenüber dem eine modifizierte Nachförderung ein Idiotenhügel ist.
Der immaterielle Schaden ist auch nicht beziffert. Denn im sozialen Wohnungsbau in Berlin haben ja nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Ärzte, Zahnärzte und Apotheker Geld angelegt, um Steuern zu sparen, sondern Multiplikatoren aus allen Berufszweigen. Die werden schäumen, wenn ihr Geld weg ist, denn da hört der Spaß bekanntlich auf. Und jeder wird nach seinen Möglichkeiten zurückschlagen. Auch das fehlt in Sarrazins Rechnung.
Er sollte deshalb, selbst wenn er darf, was er will, eine Weisheit des alten Seneca beherzigen: „Quod non vetat lex, hoc vetat fieri pudor“. Auf Deutsch: Was das Gesetz nicht verbietet, verbietet der Anstand.
Autor: Dieter Blümmel