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Schädling bedroht in Berlin über 60.000 Bäume
Masseninvasion der Kastanienminiermotte
02.10.2002 (GE 19/02, Seite 1218) Im Berliner Stadtgebiet fallen schon seit vier Jahren Kastanienbäume mit braunen, im Spätsommer teilweise abfallenden Blättern auf. Bei näherer Betrachtung gegen das Licht erscheinen sie transparent, auch Larven und Kotkrümel werden dann sichtbar. In diesem Jahr ist ein erster Populations- und Schädigungshöhepunkt erreicht. Ursache hierfür ist vorwiegend der Befall durch die Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella). Dieser Schädling wurde erstmalig 1983 in Makedonien entdeckt und hat sich seitdem kontinuierlich von Süd nach Nord in Europa ausgebreitet.
Erste Motten beginnen bereits im Frühjahr mit dem Befall. Sie schlüpfen aus dem am Boden liegenden Laub des Vorjahres. Die Flugzeit und Eiablage der ersten Generation trifft mit der Blüte der Kastanie Anfang/Mitte Mai zusammen. Nach zwei bis drei Wochen bohren sich die aus den Eiern geschlüpften Larven in das Blatt ein und fressen das Innere des Blattgewebes (Minierfraß). Die Verpuppung findet nach etwa drei bis vier Wochen im Blatt statt, nach zwei bis drei Wochen Puppenruhe schlüpfen die Falter der 2. Generation.

In der Regel sind drei Generationen in einer Vegetationsperiode bei günstigen Witterungsverhältnissen (warm und trocken) möglich. Während sich die erste Generation meist auf das untere Kronendrittel konzentriert, ziehen die weiteren Generationen bis zum Wipfel hoch. Die Folge ist bei starkem Befall eine völlige Verbräunung des Laubes und ein starker Blattfall. Die Bäume reagieren hierauf mit einem teilweisen Neuaustrieb und zeigen sogar Blüten.

Der Flug der Falter kann sich besonders bei wechselhaftem Wetter bis Ende September hinziehen. Hierbei ist auffällig, daß die zahlreichen Falter auch in Wohnräume eindringen. Dadurch entsteht häufig die Frage nach der Schädlichkeit der Motten im Wohnbereich. Solche Motten befallen weder Kleidung noch Lebensmittel. Sie verdorren nach kurzer Zeit in den Wohnräumen und sind unschädlich für Mensch und Tier.

Selbst stark befallene Bäume werden im nächsten Jahr weitgehend normal austreiben und blühen. Dann wird ein erneuter Befall stattfinden. Zu den befallseinschränkenden Maßnahmen zählt u. a. die restlose Beseitigung des Fallaubes während des gesamten Sommers, insbesondere aber die des Herbstlaubes. Eine Entsorgung über Laubsäcke oder in geringem Umfang auch durch erdabgedeckte (mindestens 10 cm) Kompostierung ist möglich. Eine Kompostierung in Großkompostieranlagen mit gründlicher und schneller Zersetzung führt zu befallsfreiem Material. Hierdurch wird zwar der Befall im nächsten Jahr nicht gänzlich vermieden, aber der Anfangsbefall kann vermindert und zeitlich etwas verzögert werden. Im kommenden Jahr kann durch gezielte Düngung und Bewässerung die Vitalität des Baumes unterstützt werden. Sind Nachpflanzungen geplant, sollten widerstandsfähige Arten, wie z. B. die rotblühende Kastanie bevorzugt werden. Direkte Bekämpfungsmaßnahmen durch die Applikation von Pflanzenschutzmitteln sind im privaten Bereich derzeit nicht möglich, da hierfür keine Mittel ausgewiesen sind. Im gewerblichen Bereich (Baumschulen, öffentliches Grün u. ä.) sind zwar Mittel zugelassen, aufgrund der problematischen Standorte und der Größe der Kastanien in der Regel aber nicht anwendbar.

Mittelfristig ist mit Vitalitätseinbußen und einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber anderen Schadfaktoren zu rechnen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Schädling in Berlin weiter etabliert und wie sich die Gesundheit und Vitalität der Kastanie erhalten läßt. Möglicherweise stehen in einigen Jahren verbesserte Bekämpfungsmaßnahmen zur Verfügung.
Autor: Priv.-Doz. Dr. habil. Hartmut Balder, Pflanzenschutzamt Berlin